Gespräche in Wien

Putins Blitzbesuch: Brücken, Kanäle und Pipelines

Österreich
24.06.2014 22:56
Russlands Präsident Wladimir Putin war am Dienstag zu Gast in Wien. Die wichtigsten Themen des umstrittenen Kurzbesuchs: die Ukraine-Krise und die Gas-Pipeline South Stream. Bezüglich der Situation in der Ukraine betonten Bundespräsident Heinz Fischer und Bundeskanzler Werner Faymann, Österreich könne eine Brückenfunktion ausüben und Kanäle offen halten. Putin gab sich in seiner Wortwahl vornehm, rückte aber kaum von seinen Positionen ab.

Es war das erste Mal seit den D-Day-Feierlichkeiten Anfang Juni in der Normandie, dass Putin wieder ein EU-Land besuchte. Die Republik rollte dem Kremlchef den roten Teppich aus und scherte damit aus der EU-Phalanx aus, Putin schlug gegenüber Fischer, Faymann und den Medien durchaus höfliche Töne an. Am Abend hielt er auf Einladung von Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl einen Vortrag über die österreichisch-russischen Wirtschaftsbeziehungen und besuchte das Kriegerdenkmal am Schwarzenbergplatz.

Kurz vor seiner Ankunft am Nachmittag hatte der russische Präsident ein unerwartetes Gastgeschenk ausgepackt: Er forderte den Föderationsrat in Moskau auf, eine auf dem Höhepunkt der Krim-Krise erteilte Erlaubnis zum Einmarsch in die Ukraine aufzuheben. Zu Mittag fixierten außerdem Gazprom-Chef Alexej Miller und OMV-Generaldirektor Gerhard Roiss den Bau des österreichischen Abschnitts der Gas-Pipeline South Stream per Vertrag.

Hier die wichtigsten Ereignisse des Tages im Überblick:

  • 20.18 Uhr: Vorletzter Programmpunkt der nur wenige Stunden dauernden Visite: Eine knappe Dreiviertelstunde später als im Zeitplan vorgesehen legt Putin vor dem Kriegerdenkmal der Roten Armee am Schwarzenbergplatz einen Kranz nieder. Zahlreiche Unterstützer, Gegner und Schaulustige sind dabei. Die Polizei zieht bereits Bilanz: Es sei zu keinen Ausschreitungen gekommen, sagt Sprecher Roman Hahslinger. Insgesamt hätten rund 300 Menschen an mehreren Anti-Putin-Protesten teilgenommen - flankiert von rund 500 Polizisten. Offizieller Schlusspunkt ist ein Treffen Putins mit dem OSZE-Vorsitzenden Didier Burkhalter, danach fliegt er nach Moskau zurück.
  • 20.08 Uhr: Putin versucht's mit Humor: Als Wirtschaftskammerpräsident Leitl darauf hinweist, dass er aufgrund seiner mehrfachen Wiederwahl bereits zum wiederholten Mal mit Putin zusammentreffe, kommentiert der Kremlchef trocken auf Deutsch: "Diktatur" (Video in der ORF-TVthek). In seinem Vortrag sagt Putin, kein Land müsse Angst davor haben, von russischem Gas abhängig zu sein. Vielmehr bestehe eine "gegenseitige Abhängigkeit", das sei eine "Grundlage für Stabilität". Durch den wenige Stunden zuvor abgeschlossenen South-Stream-Vertrag werde das niederösterreichische Baumgarten zum größten Gasknotenpunkt Europas.
  • 20.06 Uhr: Demonstriert wird nicht nur gegen Putins Ukraine-Politik, sondern auch gegen das Vorgehen des russischen Präsidenten gegenüber Homosexuellen im eigenen Land. Zur Musik von Conchita Wurst ziehen etwa 150 Menschen "gegen die homophobe Gesetzgebung und die Menschenrechtsverletzungen in Russland" durch die Innenstadt. Der via Lautsprecher verbreitete Appell an die österreichische Politik: "Werdet nicht müde, das anzuprangern."
  • 19.20 Uhr: Faymann äußert sich verhalten positiv über sein Treffen mit Putin: "Die jüngsten Deeskalationsmaßnahmen sind positive Signale und daher zu begrüßen", sagt er zum Thema Ukraine-Konflikt. Wichtig sei, dass Russland den Waffenstillstand und den gesamten Friedensprozess weiter unterstütze, so der Bundeskanzler. Putin hatte zuvor gemeint, sieben Tage seien für eine Waffenruhe zu wenig.
  • 18.39 Uhr: Für das russische Publikum nimmt Putin noch einmal gesondert Stellung zur Situation in der Ukraine: "Wir werden die ethnischen Russen in der Ukraine sowie jene Ukrainer immer schützen, die unzertrennlich mit Russland verbunden sind. Ich hoffe, dass dazu die Streitkräfte nicht nötig sein werden", so der Kremlchef laut der russischen Agentur Interfax. Zwar habe er beantragt, die Erlaubnis für einen Militäreinsatz im Nachbarland außer Kraft zu setzen (siehe Infobox), das bedeute aber nicht, dass Russland die Lage in der Ukraine künftig egal sei.
  • 18.19 Uhr: Der Verein "Demokratische Ukraine" protestiert vor der Zentrale der Wirtschaftskammer am Stubenring. Dort soll Putin einen Vortrag über seine wirtschaftlichen Pläne halten. Ukrainische, georgische und tschetschenische Flaggen werden gehisst. Auf den Transparenten ist unter anderem zu lesen: "Heute Krim, morgen Wien", "Putin ist ein Terrorist" oder "Keine Geschäfte mit Putin". Auch das Verhalten der österreichischen Politik wird kritisiert: "Putins Empfang ist eine Ohrfeige für die Menschenrechte und für die gemeinsame europäische Außenpolitik", sagt ein Demostrant.
  • 18.07 Uhr: Putin fordert konkrete Verhandlungen zur Beilegung des Ukraine-Konflikts. Dazu müssten aber auch jene Kräfte im Krisenland, die einen "illegalen Umsturz" herbeigeführt hätten, ihre Waffen abgeben. Damit ist der Sturz des ehemaligen, prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch gemeint. "Das Zentrum hat zu den Waffen gegriffen, ein Teil der Bevölkerung hat das unterstützt", so Putins Sicht auf den politischen Umsturz in Kiew. Die nunmehrigen prorussischen Separatisten im Osten hätten sich erst später bewaffnet.
  • 18.00 Uhr: Vor Putins geplanter Rede in der Wirtschaftskammer warnt deren Präsident Leitl vor schärferen Sanktionen gegen Russland. Gute wirtschaftliche Beziehungen seien die Basis für politische Stabilität, so Leitl. Man müsse sich die Frage stellen, ob schärfere Sanktionen gegenüber einem Wirtschaftspartner den Menschen, ihren Arbeitsplätzen und den betroffenen Unternehmen dienen oder eher schaden würden.
  • 17.55 Uhr: Putin und Fischer wenden sich an die Öffentlichkeit. Fischer macht deutlich, dass die Annexion der Krim aus österreichischer Sicht völkerrechtswidrig ist. In diesem Punkt habe keine Übereinstimmung hergestellt werden können.
  • 17.09 Uhr: Während Putin und Fischer konferieren, platzt aus der umstrittenen Ostukraine die Meldung herein, dass Rebellen einen Militärhubschrauber abgeschossen haben. Laut einem Armeesprecher werden neun Tote befürchtet (siehe Infobox).
  • 15.45 Uhr: Nach der pompösen Begrüßung folgt die Arbeit mit Präsident Fischer: "Es gibt vieles zu besprechen und vieles, wo wir zusammenarbeiten können", so Putin. Es gebe Gemeinsamkeiten, aber auch Fragen, die einer zusätzlichen Besprechung bedürfen.
  • 15.15 Uhr: Putin wird in der Hofburg mit allen militärischen Ehren empfangen (siehe Video in der Infobox).
  • 15.13 Uhr: Auch Aktivisten von Greenpeace demonstrieren. Rund ein Dutzend Mitglieder protestieren vor dem Burgtor am Heldenplatz gegen einen Milliardenkredit, den Russland für den Ausbau des Atomkraftwerks Paks in Ungarn gewähren will. Paks befindet sich nur 200 Kilometer von der österreichischen Staatsgrenze entfernt. Auf einem Banner bedachte die NGO den russischen Präsidenten mit folgender Grußbotschaft: "Herr Putin: Österreich will keine grenznahen AKW". Erst am Montag hatte das ungarische Parlament dem Milliarden-Deal zwischen Russland und Ungarn zugestimmt.
  • 15.11 Uhr: Der Kremlchef trifft bei der Hofburg ein.
  • 14.52 Uhr: Putin ist am Flughafen Wien in Schwechat gelandet.
  • 13.00 Uhr: Neben Aktivisten des Vereins "Demokratische Ukraine", die eine Protestkundgebung anlässlich des Putin-Besuchs abhalten, versammeln sich zahlreiche Schaulustige und Medienvertreter auf dem Heldenplatz (siehe Video in der Infobox). Alles verläuft bisher friedlich.

Der eintägige Arbeitsaufenthalt in Wien war ein Gegenbesuch für Fischers Russland-Visite von 2011. Ursprünglich war der Besuch Putins in Österreich für Jänner geplant gewesen, aus Polit-Kreisen hieß es aber, dass aufgrund der Ukraine-Krise vorerst auf Mai verschoben wurde und dann erneut auf Ende Juni. Im Vorfeld des Besuches - des ersten bilateralen in einem EU-Land seit Ausbruch der Ukraine-Krise - hatte es Kritik aus dem In- und Ausland daran gegeben, dass Österreich Russlands Präsidenten im Schatten Krise empfängt (siehe Infobox).

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