"Krone"-Interview

Lana Del Rey: “Ich wurde sehr oft missverstanden”

Musik
05.07.2014 17:00
Mit ihrem Debütalbum "Born To Die" wurde Lana Del Rey zur gleichsam gefeierten wie kritisierten Diva des 21. Jahrhunderts. Nach langer Wartezeit legt sie mit "Ultraviolence" den Nachfolger vor, der in seiner Tonation noch trauriger, verletzlicher und intimer klingt. Die "Krone" wurde von der 28-Jährigen in Berlin zur Audienz gebeten. Fragen über ihren im Internet ausgeschlachteten "Ich wünschte, ich wäre bereits tot"-Sager waren völlig tabu, ansonsten gab sich die Chartsstürmerin sehr entspannt, humorig und reflektiert.
(Bild: kmm)

"Krone": Lana, in einem Interview hast du unlängst gesagt, wenn du Songs schreibst, würdest du entweder etwas Gegenwärtiges dokumentieren oder in die Zukunft schauen und träumen. Bist du denn eine Träumerin?
Lana Del Rey: Absolut. Ich denke, dass Träume genauso wichtig sind wie die Realität. Gelernt habe ich das vom Schriftsteller Charles F. Haanel, der ein Buch namens "The Master Key System" schrieb. Ich kann mich noch daran erinnern, als ich sehr jung war und mir meine Zukunft erträumte. Diese erträumte Zukunft hat sich immer mehr zu einer Realität manifestiert. Diese Manifestierung hat viel damit zu tun, dass du dir deine eigene innere Welt zurechtlegst und an dich und deine Träume glaubst.

"Krone": Willst du dabei oft bewusst von der Realität weggehen?
Del Rey: Mitunter, aber für mich sind meine Träume sehr nahe an der Realität, weil sie so echt sind. Viele davon sind auch tatsächlich wirklich geworden, wenn auch in einer etwas verdrehteren Weise, als ich immer dachte (lacht).

"Krone": Im Gegensatz zu deinem Debütalbum "Born To Die" klingt das neue Werk "Ultraviolence" wesentlich verletzlicher. Der Hörer kann den Schmerz in diversen Kompositionen förmlich fühlen. Warum ist das Album so melancholisch ausgefallen?
Del Rey: Ich denke, für alles Gute und Schöne, das mir in den letzten drei Jahren passiert ist, gab es auch eine gewisse Bitterkeit. Gewisse Erfahrungen, die ich machte und gelernt habe, hatten eine traurige oder schwierige Einfärbung. Ich denke, dass ich sehr oft missverstanden wurde. Zudem hatte ich mit einigen persönlich schwierigen Dingen in meinem Leben zu kämpfen. Gewisse Dinge, die ich nicht selbst unter Kontrolle habe, belasten mich manchmal ziemlich und haben auch den Ton des Albums beeinflusst, der doch hie und da ziemlich schwer ist. Es gibt eine gewisse Schwere auf dem Album, aber ich habe auch nicht versucht, es bewusst traurig zu gestalten.

"Krone": Ist der Song "Sad Girl" autobiografisch? Beschreibst du dich darin selbst als trauriges Mädchen?
Del Rey: Na ja, zur Hälfte scherze ich und spiele mit Klischees. Ich bin darin vielleicht ein bisschen sarkastisch. Der Song hat aber einen treibenden Jazz-Vibe und ist in gewisser Weise schon autobiografisch angehaucht.

"Krone": Ist es manchmal schmerzhaft für dich, persönliche Texte zu verfassen, eigene Erlebnisse in den Songs aufzuarbeiten?
Del Rey: Nein, eigentlich macht es mir Spaß und bringt mir Erleichterung. Es ist allerdings schmerzhaft, nach dem Fertigstellen der Songs mit den Menschen darüber zu sprechen, die dich als Inspiration sehen und dann vielleicht enttäuscht von dir sind. Du versuchst dich dann selbst zu erklären, und das ist verdammt schwierig und auch schmerzhaft.

"Krone": In "Cruel World" verarbeitest du das Ende einer langen Beziehung. Es ist also wirklich nicht schwer für dich, einen solchen Text zu schreiben?
Del Rey: Nein, ich denke die Welt ist einfach kathartisch. In diesem Song tauche ich tief in diese Katharsis ein, und es steckt sehr viel Schönheit und Reflexion darin. Möglicherweise macht es traurig, wenn man sich den Song anhört, aber eigentlich ist er nicht so gedacht.

"Krone": Was meinst du denn genau mit "Ultraviolence"? Der Titel ist ziemlich aggressiv ausgefallen.
Del Rey: Ich liebe Wörter mit großer Aussagekraft. Wörter, die sich sofort im Gehirn festsetzen. Mich beeinflussen auch bestimmte Menschen, und auf "Ultraviolence" wollte ich eine Welt kreieren, die sich in den Kontext des Wortes schmiegt. Allerdings hatte ich den Titel schon vor dem Album. Ich liebe es, Wörter herauszupicken und etwas herum aufzubauen. Es ist ein starkes Wort, und das ist mir immens wichtig.

"Krone": Seit du so fulminant auf der Pop-Bühne erschienen bist, wirst du auch von allen Seiten kritisiert. Wie gehst du damit um?
Del Rey: Nicht so gut, um ehrlich zu sein. Ich bin da nicht anders wie jeder andere Mensch auf der Welt – nicht alles rutscht mir so einfach den Rücken runter, obwohl es von Tag zu Tag einfacher wird. Wenn die Kritiker über meine Familie sprechen, müssen sie wohl etwas klarstellen, denn das ist für mich eine absolute Tabuzone. Wenn die Leute sagen, meine Musik wäre langweilig, empfinde ich das als eine Beleidigung, denn jeder, der meine Musik kritisiert, kritisiert mich als Person mitten ins Gesicht. Das ist oft eine pure Beurteilung, ohne dass sie etwas tiefer gehen und vielleicht überlegen, was dahintersteckt. Zusammengefasst würde ich sagen, dass es mich berührt, aber von Tag zu Tag weniger aufreibt. Es kommt auch darauf an, wie wichtig das Medium ist. Ist es sehr wichtig und komplett auf dem Holzweg, dann beschäftigt mich das.

"Krone": Das nimmst du dann umso persönlicher?
Del Rey: Ich sorge mich wirklich sehr um meine Songs, genauso wie um das Erbe und die Geschichte meiner gesamten Musik. Ich versuche immer, meine aktuellen und vergangenen Songs so gut wie möglich zu schützen. Deshalb nehme ich das dann auch persönlicher.

"Krone": Welche Stimmung benötigst du, um Songs zu schreiben?
Del Rey: Ich muss Spaß haben, das ist auch der Grund, warum ich das Album von Dan Auerbach von den Black Keys produzieren ließ. Ich habe ihn in einem Club getroffen und gemerkt, dass er ein sehr lockerer und cooler Typ ist. Er hat dem Album definitiv viel Spontanität gebracht. Ich würde auch gerne bei einem Song der Black Keys mitmachen und bin ein großer Fan. Mal schauen, ob sich da was ergibt.

"Krone": Das Besondere an deinen Songs ist, dass sie im Gegensatz zu so gut wie allen anderen Produkten, die in den Charts vorne liegen, weder viele elektronische Elemente noch einen Partyfaktor verinnerlichen. Warum bist du trotzdem so erfolgreich?
Del Rey: Aus diesem Blickwinkel könnte man wirklich sagen, dass ich sehr viel Glück habe. Ich mache genau die Musik, die ich mir selbst gerne anhöre, wenn ich Auto fahre oder abends Vinyl in meinem Haus auflege. Mir ist wichtig, dass Musik eine gewisse Stimmung verbreitet und atmosphärisch ist. Die Kritiken sind meist wirklich bösartig, aber ich habe Glück, dass ich bislang so weit gekommen bin. Am Ende des Tages bist du nur glücklich, wenn du das gemacht hast, was dir Spaß bringt – dieses Gefühl habe ich. Ich mag auch gerne poppigere und flottere Musik, aber ich bin als Person einfach nachdenklicher und reflektierter. Deshalb ist auch meine Musik langsamer.

"Krone": Du hast das Album auch in verschiedenen Städten aufgenommen. War das stimmungsabhängig oder hatte das rein produktionstechnische Gründe?
Del Rey: Da ging es hauptsächlich um die Produktion. Ich habe in Kalifornien mit Rick Nowles begonnen, weil ich schon "Summertime Sadness" und "Dark Paradise" mit ihm verfasst habe – jetzt eben "West Coast". Ich habe die Texte und Melodien geschrieben und er die Akkorde. Ich habe dann das Album selbst in den New Yorker Electric Lady Studios produziert, und als ich Dan Auerbach getroffen habe, sind wir nach Nashville gegangen.

"Krone": Vorher hast du gesagt, um Songs zu schreiben, brauchst du eine gute Stimmung. Ein Song heißt aber "Pretty When You Cry". Fühlst du dich denn nur schön, wenn du weinst?
Del Rey: Nein, diesen Satz warf mir einmal ein Typ entgegen, als ich wütend war und mir die Tränen runterkullerten. Mir hat nicht unbedingt gefallen, dass er mir das gesagt hat, aber es war der perfekte Satz für einen Songtitel (lacht).

"Krone": Mit dem Song "Money Power Glory" attackierst du auf sarkastische Art und Weise die Kritiker deines ersten Albums.
Del Rey: Ein bisschen, ja. Der Song ist eineinhalb Jahre alt und damit auch der ältesthr frustriert war. Manche beschränkten sich nur darauf, mich eben mit Geld zu verbinden. Ich hatte ja so viel Glück und Macht, also gab es eine negative Konnotation im Sinne von Schande und nicht von Ruhm. Ich wollte nicht, dass ich so gesehen werde, wusste aber gleichzeitig, dass ich das so hinnehmen muss. Ich denke, dieser Song ist meine Version von aggressiv sein. Aber es ist keine direkte Aggression, sondern spielt eher mit Metaphern. Gleichzeitig dachte ich mir beim Songschreiben immer, dass die Sache den Ärger nicht wert wäre, weil ich nicht gerne sarkastisch bin. Aber der Song musste einfach sein.

"Krone": Was hast du im Haifischbecken des Musikgeschäfts in den letzten Jahren gelernt, nachdem du so schnell emporgestiegen bist?
Del Rey: Was ich lernte, war, dass ich schon vorher anders war und sich daran nichts geändert hat. So wie ich jetzt hier sitze, weiß ich mehr darüber, warum Leute mich oder meine Musik nicht mögen. Als ich etwa 20 Jahre alt war und Songs geschrieben habe, war ich unsichtbar. Ich kam aus einem alternativen Background und musste mich nirgends mit schlechten Meldungen herumschlagen. Als die Menschen verstärkt "Born To Die" hörten und das Album bekannter und bekannter wurde, dachten sie wohl: "Wer zum Teufel glaubt sie eigentlich, wer sie ist? Wenn sie schon beeinflussend sein will, soll sie inspirierender sein." Meine Musik war aber nie dazu gemacht, um populär zu werden, deshalb war es auch nie Pop-Musik. Es ist eher Alternative Music. Ich denke, dass das viele Menschen verärgert hat, weil die Erwartungen aneinander vorbei schrammten. Aber ich schreibe in erster Linie für mich selbst, und deshalb habe ich nichts mit den Geschichten zu tun, die über mich geschrieben werden. Es gibt mittlerweile eine komplette Trennung zu meinem öffentlichen Leben.

"Krone": Fällt es dir manchmal schwer, so berühmt zu sein?
Del Rey: Manchmal schon. Wahr ist nämlich genau das, was die Menschen über dich denken. Wahr ist, was die Menschen denken, über dich zu wissen. Es ist also schwierig, mein Leben normal zu leben, wenn ich bereits für viele kategorisiert bin. Psychologisch gesehen ist das ziemlich verrückt. Aber gut, es ist okay.

"Krone": Wie entspannst du dich von all dem Trubel und Stress, den dein Job und deine Bekanntheit so mit sich bringen?
Del Rey: Es gibt zwei Dinge, die ich wirklich liebe. Einerseits besuche ich furchtbar gerne Konzerte. Ich habe unlängst Courtney Love im Troubadour gesehen. Ich habe auch Guns N' Roses, KISS, Mötley Crüe und The Who gesehen. Ich bin halt ein Rockgirl. Und ich bin gerne am Strand und liebe Kalifornien. Diese zwei Dinge holen mich schnell wieder runter.

"Krone": Wie lange dauert es, bist du mit einem Song auch wirklich zufrieden bist?
Del Rey: Es kommt bei mir nicht unbedingt auf die Zeit an, sondern darauf, wie die Texte aussehen, wie ich bestimmte Passagen einsinge und wie die Melodie dazupasst. Wenn man das alles berücksichtigt, hat das Album eben doch zweieinhalb Jahre gedauert (lacht). Songs wie "Cruel World" oder "Pretty When You Cry" waren sofort fertig, an anderen habe ich mehr als ein Jahr lang herumgeschraubt.

"Krone": Fühlst du dich mittlerweile auf der Bühne wohler, wenn du Live-Shows exerzierst?
Del Rey: Ja, ich fühle mich mittlerweile wesentlich wohler. Ich war anfangs wirklich scheu, aber mit der Erfahrung, mit jedem einzelnen Konzert wurde es besser und besser. Das Publikum ist immer sehr aufgeschlossen und glücklich. Wenn ich beim Start der Show mit einem dem Publikum zugewandten Rücken beginne und damit quasi mein Warm-up mache, singen sie schon lauthals mit und unterstützen mich. Es ist ihnen einfach egal, dass ich nicht so extravagant und mega-aufgeregt bin.

"Krone": Zum Abschluss: Wann planst du, dein neues Album in Europa zu präsentieren?
Del Rey: Ich hoffe, dass ich das Album im nächsten Jahr überall präsentieren kann. Mehr kann ich dazu noch nicht sagen.

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