1950 begann der am 1. Jänner 1920 in Wien geborene Zemanek als Assistent an der damaligen Technischen Hochschule, heute Technischen Universität Wien, mit dem Bau seines ersten Rechners. Sein Projekt fiel in eine Zeit der Umbrüche, weg von den Elektronenröhren mit ihrer enormen Hitzeentwicklung hin zu Transistoren. "Wenn man damals in einen Raum mit einem solchen Gerät kam, hat einen die Hitze fast zurückgeworfen", so Zemanek in einem Vortrag im vergangenen Jahr.
1954 nahm er deshalb mit einem Team von Studenten die Entwicklung eines vollständig transistorisierten Computers in Angriff. Ohne offiziellen Auftrag musste sich Zemanek das Geld und die Bestandteile zusammenbetteln. Dass er mit seinem Team schließlich zwei Jahre später beginnen konnte, einen der ersten voll-transistorisierten Computer weltweit und den ersten Kontinentaleuropas zu bauen, war auch der Tatsache zu verdanken, dass er damals an der TU Wien "keinen Chef" hatte. Eigentlich war Zemanek nur Assistent, de facto aber in der Rolle des Institutsleiters. "Ich nahm mir einfach die Freiheit, einen Computer zu bauen, und es hat mich niemand aufgehalten", schilderte Zemanek einmal.
Bau des "Mailüfterls" war Handarbeit
Der Bau des Computers war Handarbeit, musste doch jeder einzelne der rund 3.000 Transistoren und die 5.000 Dioden, die er mangels Budget aus den Niederlanden und den USA zusammengebettelt hatte, auf 1.500 etwa 15 mal zehn Zentimeter große Platten aufgelötet werden. Die Arbeit war mühsam: "Es gab ja noch keine Computerzeitschriften und nur ganz wenige Bücher über Computer, man musste sich die Information also einzeln zusammenholen, damit man genügend weiß, um einen Computer zu bauen." Dadurch sei er aber auch ganz rasch vom Elektroingenieur zum Programmierer geworden.
Der entstandene Rechner hatte äußerlich nicht viel mit heutigen Computern gemein: Ohne Bildschirm und Tastatur erfolgte die Ein- und Ausgabe über Lochstreifen, die Ausmaße waren mit mehreren Metern Länge und Höhe beträchtlich. Den Namen "Mailüfterl" wählten die Techniker aufgrund "der eher langsamen Transistoren, die uns zur Verfügung standen", erinnerte sich Zemanek. Damit hätte man keinen Wirbelwind wie den Rechner "Whirlwind" des MIT, sondern eben nur ein "Mailüfterl" zustande gebracht, so der Pionier.
"Mailüfterl" war telefonisch erreichbar
Nach der Konstruktion der Hardware erfolgte von 1958 bis 1961 die Programmierung "und der Übergang der ganzen Gruppe von der Hard- zur Software". Am 27. Mai 1958 bestimmte das "Mailüfterl" in 66 Minuten die Primzahl 5073548261. 1959 wurde für den Zwölfton-Komponisten Hanns Jelinek ein musiktheoretisches Programm entwickelt und die Aufgabe in 60 Stunden gelöst.
Um für diese langen Rechenzeiten nicht ständig am Institut sein zu müssen, hatten die Techniker den Hauptakkumulator des "Mailüfterls" an das Telefon gekoppelt. Sie konnten dadurch von zu Hause anrufen und anhand der hörbaren "Melodie" feststellen, ob das Programm läuft. Heute ist das "Mailüfterl" im Technischen Museum Wien zu bewundern.
"Bald haben auch die amerikanischen Kollegen gelernt, 'Mailüfterl' auszusprechen", zeigte sich der Forscher stolz. Er besuchte aber auch oft die damalige Sowjetunion, um persönliche Kontakte zu knüpfen. Ihm sei immer klar gewesen: "Der Computer ist ein Weltgebilde, und das kann man nicht in Hütteldorf zusammenbauen."
Von der TU Wien zum IT-Riesen IBM
1961 übersiedelte Zemanek, der inzwischen habilitiert war, mit seiner Gruppe von der TU zum Computerkonzern IBM, der angeboten hatte, für das "Mailüfterl"-Team ein Laboratorium in Wien aufzubauen. Diesem stand Zemanek bis 1976 vor. Ab 1964 war er außerordentlicher und ab 1983 ordentlicher Professor an der TU Wien. Seit 1985 war er in Pension.
Der Techniker war außerdem einer der Ersten, der die Bedeutung der Software für die Computertechnologie erkannte. Seine Forschergruppe konzentrierte sich daher bald auf Programmiersprachen und entwickelte die "Vienna Definition Language", die damals größte Programmiersprache, sowie in weiterer Folge die "Vienna Definition Method" und erlangte damit Weltruf. 1976 wurde Zemanek zum IBM-Fellow ernannt, eine Auszeichnung, die nur wenigen Europäern zuteilwurde. Vollständig frei in seiner Aufgabenwahl konzentrierte sich der Wiener auf die Theorie des Systementwurfs und nannte sie "Abstrakte Architektur".
Computer als "nachrichtentechnisches Gerät"
Als reine Rechenmaschine hat Zemanek den Computer nie gesehen, "für mich war er immer ein nachrichtentechnisches Gerät". Trotz aller Fortschritte, die die Technologie seit ihren Anfängen gemacht hat, habe der Computer "kein Bewusstsein und kriegt auch nie eines", erklärte Zemanek 2013.
Im Laufe seiner Karriere erhielt Zemanek zahlreiche Auszeichnungen und bekleidete hohe Positionen. Er war Präsident der International Federation for Information Processing (IFIP) mit Sitz in Laxenburg bei Wien und Gründungspräsident der Österreichischen Computergesellschaft, die seit 1985 den "Heinz-Zemanek-Preis" vergibt, weiters Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und Träger des Großen Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich. 2003 wurde er für sein wissenschaftliches Lebenswerk mit dem Kardinal-Innitzer-Preis ausgezeichnet. Erst im vergangenen Jahr wurde Zemanek von Google im Rahmen des "Computer Heritage Program" als einer der Pioniere der frühen Computerwissenschaften geehrt - und mit einem Dokumentarfilm (siehe Video oben) gewürdigt.
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