70 Jahre 20. Juli

Die Österreicher an der Seite Stauffenbergs

Österreich
20.07.2014 10:34
Am Sonntag hat sich zum 70. Mal das gescheiterte Attentat auf Adolf Hitler gejährt, mit dem Offiziere der Wehrmacht rund um Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg versuchten, den Krieg zu beenden. Drei Soldaten österreichischer Herkunft waren in führender Stelle bei Planung und Durchführung der Operation "Walküre" beteiligt: Robert Bernardis, Carl Szokoll und Erwin Lahousen-Vivremont. Bernardis wurde gefasst und hingerichtet, die beiden anderen blieben unentdeckt.

Der geborene Innsbrucker Robert Bernardis (1908 - 1944) war eine k.u.k.-"Mischkulanz" par excellence - sein Vater war aus dem istrischen Rovigno gebürtig und Italiener, seine Mutter stammte aus einer in Niederösterreich lebenden sudetendeutschen Familie. Wie Lahousen und Szokoll war er Berufssoldat im Bundesheer der Ersten Republik und wurde 1938 in die Wehrmacht übernommen.

Aufgrund seiner Berufsausbildung wollte Bernardis als Bautechniker arbeiten, konnte aber nur als Maurer arbeiten und wurde 1928 wie viele arbeitslose Österreicher "weniger aus großer Begeisterung, als aus Not" - wie er in seinen Aufzeichnungen festhielt - Berufssoldat in der Pioniertruppe. In der Ukraine wurde er 1941 Zeuge von Massenermordungen von Juden bei Shitomir und in Charkow. Wegen einer schweren Erkrankung war er ab 1942 Gruppenleiter "Personal" im Allgemeinen Heeresamt im Berliner Bendler-Block, wo er 1943 Stauffenberg kennenlernte. Bernardis veränderte die schon bestehenden Befehle zur Operation "Walküre" - dem Einsatz des sogenannten "Ersatzheeres" gegen vermutete Fremdarbeiter-Aufstände - zielgerichtet für einen Aufstand der Wehrmacht gegen Hitler in allen Wehrkreisen Deutschlands.

Robert Bernardis und Erwin Lahousen (Bild: Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Wikipedia)
Robert Bernardis und Erwin Lahousen
Carl Szokoll (Bild: APA/Robert Jaeger)
Carl Szokoll

Bernardis in Berlin hingerichtet
Im Zuge der Vorbereitungen nahm er Kontakt mit dem Wiener Wehrkreis XVII auf, wo sein persönlicher Freund, der Wiener Oberst Heinrich Kodre und der damalige Hauptmann Szokoll arbeiteten. Am 20. Juli bearbeitete Bernardis Kodre stundenlang telefonisch, bevor dieser über Szokoll die nötigen Befehle für "Walküre" auslöste. Als klar wurde, dass Hitler bei dem Attentat Stauffenbergs nicht ums Leben gekommen war, war für Bernardis bereits alles vorbei: Er hatte sich mit seiner "Wiener Dienstreisen" und der laut Befehlskette nicht erklärbaren Alarmierung von Truppenverbänden in und um Berlin zu weit aus dem Fenster gelehnt.

Der Österreicher wurde noch am selben Tage verhaftet. Am 8. August 1944 wurde er in Berlin zum Tode verurteilt und noch am selben Abend im berüchtigten Gefängnis Plötzensee mit einem Drahtseil am Fleischerhaken gehängt. Seine Ehefrau Hermine wurde ins KZ Ravenbrück gebracht, ihre beiden Kinder interniert. Kodre wurde ins KZ Mauthausen gebracht, überlebte bis zur Befreiung durch die Amerikaner.

Szokoll entkam knapp
Carl Szokoll (1915 - 2004) war Berufssoldat des Bundesheeres der Ersten Republik und 1944 Major der deutschen Wehrmacht. Nach einer Verwundung in Frankreich im Kampf gegen die Resistance wurde er als Ordonnanzoffizier zum Stellvertretenden Generalkommando des XVII. Armeekorps in Wien. In dieser Zeit wuchsen seine Zweifel am Hitler-Regime. Szokoll war von Bernardis über "Walküre" informiert worden. Das Attentat vom 20. Juli 1944, bei dem er Claus Graf Schenk von Stauffenbergs Verbindungsmann in Wien war, scheiterte. Szokoll blieb unerkannt, da er die "Walküre-Befehle" auf Geheiß des Wiener Stabschefs Kodre ausgesandt hatte.

Nachdem er knapp davongekommen war, plante Szokoll angesichts der sich nähernden Roten Armee mit anderen Österreichern im Wehrkreiskommando die nächste Widerstandsaktion, genannt Operation "Radetzky": die kampflose Übergabe Wiens an die Sowjets. Die Vorschläge wurden von den Sowjets angenommen, die Aktion wurde in Wien aber verraten. Seine Mitverschwörer Major Karl Biedermann, Hauptmann Alfred Huth und Oberleutnant Rudolf Raschke wurden am Floridsdorfer Spitz aufgehängt, Szokoll konnte zu den Sowjets fliehen. Nach dem Krieg wurde er Filmproduzent, arbeitete an den "Bockerer"-Filmen mit und hielt Vorträge zu "Walküre" und "Radetzky".

Szokoll erhielt - wohl auch wegen seiner Umtriebigkeit nach dem Krieg und weil ein Aushängeschild für den von den Alliierten in der Moskauer Deklaration 1943 geforderten Beitrag Österreichs beim Kampf gegen Hitler gebraucht wurde - die meisten öffentlichen Ehrungen der Widerständler gegen die Nazis. An seinem ersten Todestag, dem 25. August 2005, wurde der Innenhof des Verteidigungsministeriums "Carl-Szokoll-Hof" benannt, eine Gedenktafel angebracht sowie eine "Gewissens-Skulptur" aufgestellt.

Szokoll wurde in einem Ehrengrab am Zentralfriedhof beigesetzt, nach ihm ist ein Platz im 9. Bezirk benannt. 2009 wurde der Park bei der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt nach ihm benannt und ein Denkmal enthüllt. Nach den drei ermordeten Offizieren wurde 1967 die Kaserne in Wien-Breitensee "Biedermann-Huth-Raschke-Kaserne" genannt. Sie steht seit 2012 als nicht mehr benötigte Heeres-Liegenschaft zum Verkauf.

Lahousen: Vom Widerständler zum Nürnberger Zeugen
Der gebürtige Wiener Erwin Lahousen Edler von Vivremont (1897 - 1955) stammte aus einer Familie, in der fast alle männlichen Angehörigen den Soldatenberuf ergriffen. Er wurde im Ersten Weltkrieg mehrfach in Südtirol und an der Isonzofront verwundet und erlitt u.a. eine Kampfgasvergiftung. Vom Bundesheer der Ersten Republik übernommen, gehörte er in den 1930er-Jahren zum Evidenz-und Informationsdienst und wurde 1938 in die deutsche Abwehr - dem Nachrichtendienst der Wehrmacht - integriert. Mit Dienstgrad Oberstleutnant im Generalstab leitete Lahousen - im Einvernehmen mit seinem Chef Wilhelm Canaris - Vorbereitungen zu "Walküre" ein. Im März 1943 ergab sich überraschend eine Möglichkeit, Hitler zu töten: Zusammen mit anderen Offizieren schmuggelte er einen als Cognacflaschen-Paket getarnten Sprengsatz an Bord des Flugzeugs, mit dem Hitler nach Smolensk geflogen war. Der Sprengstoffzünder versagte aber.

Da er in der Folge als Generalstabsoffizier ein Frontkommando übernehmen musste, entging er - auch wegen einer weiteren schweren Verwundung am 19. Juli in Russland - der Fahndung von Gestapo und Sicherheitsdienst (SD). Bei den Nürnberger Prozessen schilderte Lahousen die Widerstandstätigkeit seiner großteils ermordeten Mitverschwörer und die Hintergründe der deutschen Kriegsverbrechen an der Ostfront, namentlich des Todes von Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen, die verhungert waren oder ermordet wurden.

Lange offiziell totgeschwiegen
Negativ bemerkenswert ist der Umgang des offiziellen Österreich nach 1945 mit den Widerständlern gegen Hitler, die ihr Leben nicht zuletzt für die Errichtung einer freien Republik eingesetzt hatten. Erst in den späten 1980ern und 1990ern setzten Bestrebungen in der Politik und innerhalb des Bundesheeres ein, die Widerständler gebührend zu ehren. In Linz, wo Bernardis im Bundesheer der Ersten Republik gedient hatte, gelang es Bundesheer-General Hubertus Trauttenberg in Kooperation mit SPÖ-Bürgermeister Franz Dobusch, 1994 eine Straße nach dem Widerständler zu benennen. Und erst im Oktober 2004 wurde in der Heeresunteroffiziersakademie in Enns ein Denkmal für Bernardis, der dort ausgebildet worden war, enthüllt.

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