Stadthalle live

Neil Young überzeugte als fröhlicher Alt-Hippie

Musik
24.07.2014 00:40
Zum Abschluss der wochenlangen Legenden-Auftritte in Österreich hat Kanadas Alt-Hippie Neil Young am Mittwochabend eine mitreißende Show vor 9.500 Fans in der Wiener Stadthalle geboten. Bei nur 14 Songs in knapp zwei Stunden zeigte sich der 68-Jährige nicht nur bestens gelaunt und in guter Verfassung, sondern vor allem von Spielfreude getrieben. Eine Jamsession mit Hit-Garantie.
(Bild: kmm)

Würde man ihn als ewigen Grantler bezeichnen, wäre ihm nicht recht getan. Folk-Rock- und Grunge-Legende Neil Young ist in der Wiener Stadthalle bei seinem ersten Österreich-Auftritt nach fünf langen Jahren sogar sensationell gut drauf. Rund 9.500 Fans erwischen das Gitarrengenie des Öfteren beim Grinsen und Mitsummen und werden eingangs sogar mit T-Shirts beschenkt. Nur die schwarze und stets tief ins Gesicht gezogene Hutkrempe vermittelt einen Hauch von künstlerischer Distanz zum Publikum - ansonsten spielt der Kanadier mit seinen Crazy Horse eine Art gemütliches Wohnzimmerkonzert mit vielen Gästen und etwas zu hohen Temperaturen.

Wenn die Musik spricht
Wie es sich für eine derart loungige Atmosphäre gehört, setzt der Hauptprotagonist nicht auf Quantität, sondern auf Qualität. Statt seine unzähligen Hits in seelenloser Geschwindigkeit aus den Boxen zu pulvern, plustert Young 14 ausgewählte Songs auf knapp zwei Stunden Spielzeit auf, fragt dabei nur einmal kurz nach, ob es allen gut geht, bedankt sich fürs Kommen und lässt viel lieber die Gitarre sprechen.

Mehr als nur ein Hilfsmittel
Eine gute Wahl, denn seine Klampfe ist bei Songs wie dem bereits zu Beginn auf gut 15 Minuten rausgezogenen "Love And Only Love" oder dem "Barstool Blues" viel mehr als nur ein Hilfsmittel, sondern erzählt ihre ganz eigenen Geschichten. Meist mit einer eingängigen Rock-Atmosphäre ("Goin' Home", "Heart Of Gold"), manchmal aber auch klanglich etwas progressiver ("Standing In The Light Of Love") oder mit der Mundharmonika verstärkt ("Living With War"). Keine Tonfolge endet ohne Improvisation, kaum ein Song wird nicht in die Länge gezogen ("Love To Burn" sogar auf mehr als 20 Minuten) und niemals lässt sich vorhersagen, welche Richtung das jeweilige Lied wohl nehmen wird.

Dazu Youngs gut eingespielte Crazy-Horse-Truppe. An der Gitarre und immer wieder im musikalischen Zwiegespräch mit dem Band-Chef Poncho Sampredo, am Bass der für den erkrankten Billy Talbot eingesprungene Rick Rosas, am Schlagzeug der unscheinbare, aber tighte Ralph Molino und YaDonna West und Dorene Carter als dem Soul ergebene Backgroundsängerinnen. Eine kunterbunte, eigenständig agierende Truppe, die mit Young im Rampenlicht für das uhrwerkartig abgespulte Drumherum sorgt.

Viel Pep und Gänsehaut
Young hat des Öfteren bekundet, er sehe Touren und Musikmachen heute als reines Hobby. Insofern kann er bis auf das starke "Psychedelic Pill" aus dem gleichnamigen 2012er-Album auch locker auf die neuesten Songs verzichten. Ähnlich wie Alterskollege Bob Dylan macht Young auf der Bühne was er will - nur viel besser. Das Dylan-Cover "Blowin' In The Wind" klingt um Welten besser als die Version des Urhebers wenige Wochen zuvor. Dem alten Crosby, Stills, Nash & Young-Evergreen "Name Of Love" verleiht der 68-Jährige etwas Episches und dem gänsehautfördernden und mit stoischer Ruhe zelebrierten "Cortez The Killer" reicht an diesem Abend kein anderer Song das Wasser.

Ähnlich wie viele seiner Alterskollegen verzichtet Young auf jegliche Art von Bühnenshow. Ein schlichtes Backdrop und gediegenes Licht ohne Effekte reichen völlig aus, um sich vom Sänger auf eine Reise in längst vergangene Zeiten mitnehmen zu lassen. Der Grandseigneur des Grunge ist immer noch mit Leib und Seele (Alt-)Hippie, kehrt diese Einstellung zwar zu keiner Zeit prominent in den Vordergrund, strahlt aber ebendiese fast schon stoische Gelassenheit unbewusst über die gesamte Konzertlänge aus.

Jammen statt Hits spielen
Nach dem flotten Klassiker "Rockin' In The Free World" gibt's mit der eingängigen Weltverbesserungs-Hymne "Who's Gonna Stand Up And Save The Earth" doch noch brandneues Material, das vom Publikum sogar noch nach Konzertende minutenlang mitgesummt wird. Kein "Cinnamon Girl", kein "The Needle And The Damage Done" und kein "Like A Hurricane"? Geschenkt. Er macht ja sowieso, was er will, und selbst die ausgeruhte Stadthallen-Jamsession hatte noch mehr Hit-Faktor als reguläre Sets manch anderer Künstler.

Ab Oktober vertreibt Young übrigens seinen digitalen Musikplayer "Pono", mit dem er einen unverwaschenen Original-Studio-Sound verspricht und das Qualitätsbewusstsein im digitalen Musiksektor revolutionieren will. Der kreative Alte hat also noch lange nicht genug - und ist dabei alles andere als grantig, sondern vielmehr hoffnungsfroh. Ein Geschichtenerzähler mit der Seele eines Hippies und einem "Heart Of Gold". Keep on rocking, Mr. Young!

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