Dumm und fahrlässig

Mont Blanc: Einheimische haben “Spinner” satt

Ausland
07.08.2014 11:07
Nachdem sich in letzter Zeit gefährliche Zwischenfälle auf dem höchsten Berg der Alpen, dem Mont Blanc, häufen, möchte der Bürgermeister von Saint-Gervais in den französischen Alpen nun "andere Saiten aufziehen". Was den Bürgermeister so in Rage bringt, sind jene Bergsteiger, die sich leichtsinnig und unvorbereitet auf den gefährlichen Aufstieg zum rund 4.800 Meter hohen Berg begeben. Das Fass zum Überlaufen hat ein Familienvater aus den USA gebracht, der seine beiden minderjährigen Kinder auf den Berg schleppen wollte.

"Am Mont Blanc haben wir schon alles gesehen", seufzt Denis Crabiere, der Vorsitzende der nationalen Bergführer-Vereinigung. Von einer Berg-Abfahrt in einer Paella-Pfanne bis hin zu halsbrecherischen Mountain-Bike-Fahrten habe er schon vieles erlebt. Selbst der amerikanische Familienvater, der mit einem schockierenden Video seiner Bergtour für Schlagzeilen sorgte, konnte Crabiere nicht mehr aus der Fassung bringen.

Patrick Sweeney hatte versucht, zusammen mit seinen beiden Kindern im Alter von neun und elf Jahren den Couloir du Gouter auf 3.700 Meter Höhe zu durchqueren, der von manchen auch "Todeskorridor" genannt wird. Auf einem Video, das der US-Sender ABC News ausstrahlte, war zu sehen, wie die Kinder von einer beginnenden Lawine mitgerissen wurden. Ihr Vater konnte sie knapp vor dem Sturz in die Tiefe retten.

Der Vater, der sich selbst als "Adrenalin-Junkie" bezeichnet, war von der Kritik an seiner Aktion völlig überrascht: Er habe "den Weltrekord des jüngsten Bergsteigers brechen" wollen, indem er seinen neunjährigen Sohn P.J. auf den Gipfel brachte, rechtfertigte er sich danach.

"Rekord an Dämlichkeit gebrochen"
"Er hat vor allem einen Rekord in Dämlichkeit gebrochen", kommentiert Crabieres die unglaubliche Geschichte. Bürgermeister Jean-Marc Peillex hält das Verhalten des Vaters schlicht für "unverantwortlich" und erstattete Anzeige gegen den Mann wegen Gefährdung des Lebens anderer.

Für Christophe Boloyan von der Vereinigung zur Vorbeugung und Rettung im Gebirge ist der US-Vater zwar eher ein "Einzelfall". Die meisten Bergsteiger am Mont Blanc würden sich an die Regeln halten. Er räumt aber ein, dass der Mont Blanc, der jedes Jahr fast 25.000 Besucher in der Saison anzieht, zu einem internationalen "Konsum"-Objekt geworden sei.

Bergwacht: Jedes Jahr sterben 40 Menschen
Oft wundern sich die Profis über die mangelhafte körperliche Vorbereitung und Ausrüstung mancher Bergsteiger, die zum Beispiel nicht wissen, wie man sich anseilt oder eine Steigeisen verwendet. Auf der normalen Aufstiegsroute zum Mont Blanc zwischen der Schutzhütte vom Tete Rousse und der Berghütte des Gouter kamen zwischen 1990 und 2011 insgesamt 74 Bergsteiger ums Leben. Hinzu kommen die vielen Rettungsaktionen am höchsten Berg Europas, den im Sommer täglich etwa 200 Menschen hinaufkraxeln. Laut Bergwacht kommen am gesamten Massiv jedes Jahr etwa 40 Menschen ums Leben.

Der Bürgermeister von Saint-Gervais glaubt, dass es "immer mehr Spinner" am Mont Blanc gibt. Er erinnert an den Fall eines polnischen Bergsteigers, der die Rettungskräfte gebeten hatte, ihn mit dem Hubschrauber wieder ins Tal zu bringen - aus reiner Bequemlichkeit. Peillex meint, man müsse solche Leute "beim Geldbeutel packen" - etwa indem sie für die Rettungseinsätze zahlen müssten.

Stiefel gestohlen: Bergsteiger saß mit Socken in Berghütte fest
Dazu müsste Bergsteigern ein absichtliches Verschulden nachgewiesen werden. Für einen 48-Jährigen, den die Bergwacht im Juni mit dem Hubschrauber von der "Gouter"-Berghütte bergen musste, hätte dies wohl nicht zugetroffen: Dem Mann waren dort oben die Stiefel gestohlen worden und er saß in Socken auf 3.835 Metern Höhe fest (siehe Infobox).

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