Netzneutralität

Porno-Seiten schließen sich Kampf ums Internet an

Web
08.09.2014 11:11
Die Gegner der geplanten Einführung einer Überholspur im Internet haben einen neuen mächtigen Verbündeten gewonnen: die Porno-Industrie. Die Websites Pornhub, Redtube und YouPorn kündigten jetzt an, sich am sogenannten "Kampf ums Internet" zu beteiligen. Gemeinsam mit Dutzenden anderen Websites und Organisationen wollen sie am 10. September gegen die Aufhebung der Netzneutralität in den USA protestieren und vor den möglichen negativen Folgen warnen.

Unter dem Motto "Battle for the net" machen die Gegner der geplanten Internet-Überholspur seit Monaten als "Team Internet" gegen das "Team Cable" mobil. Mit Letzterem gemeint sind Netzbetreiber wie Comcast, Verizon, TimeWarner Cable und AT&T, die künftig bestimmte Internetinhalte gegen Aufpreis schneller durch ihre Netze befördern wollen. Verfechter der Netzneutralität befürchten, dass dies der erste Schritt zu einem Zwei-Klassen-Internet sei und die Internetanbieter nun von Website-Betreibern für höhere Geschwindigkeiten mehr Geld verlangen beziehungsweise den Datenfluss verlangsamen oder bestimmte Seiten ganz blockieren könnten.

Darauf wollen die Netzneutralität-Befürworter in einer konzertierten Aktion am 10. September aufmerksam machen. Unterstützer der "Battle for the net"-Kampagne sollen beim sogenannten "Internet Slowdown" mit großflächigen Banner-Anzeigen (Bild oben) davor warnen, welche Folgen die Aufhebung der Netzneutralität für das gesamte Internet haben könnte: "Langsame Leitungen würden das Internet und die freie Meinungsäußerung für immer verändern", heißt es auf den entsprechenden Anzeigen, die sich jeder Befürworter kostenlos herunterladen und in seine eigene Seite einbinden kann. Die Forderung an die Politik ist eindeutig: "Schützt die Internetfreiheit, verteidigt die Netzneutralität."

Zahlreiche IT-Konzerne wie Google, Facebook, Microsoft oder Amazon stehen aufseiten der Verfechter einer Netzneutralität. Zusätzliche Unterstützung bekommen sie nun von den Porno-Websites Pornhub, Redtube und YouPorn, die einem Bericht der Website bgr.com zufolge hoffen, am Donnerstag alleine mehr als 50 Millionen Nutzer auf die Problematik aufmerksam zu machen. Wer das Kräftemessen für sich entscheidet, die Internetbrache oder die Netzbetreiber, darüber entscheidet schlussendlich jedoch die US-Telekomaufsicht FCC (Federal Communications Commission).

US-Regulierer FCC in schwieriger Position
Die Behörde schickte zunächst nur einen Entwurf in die öffentliche Diskussion bis Mitte September. Dabei steht nicht nur die Möglichkeit bezahlter Überholspuren im Netz zur Debatte, sondern - ganz im Gegenteil - auch eine verschärfte Regulierung, die eine Diskriminierung bestimmter Dienste verhindert. Die amerikanischen Regulierer sind in einer schwierigen Position: Die FCC gab sich lange als Hüterin des offenen Internets und der Netzneutralität, die besagt, dass alle Daten im Internet gleich behandelt werden sollen. Doch im Jänner torpedierte ein amerikanisches Berufungsgericht ihre bisherige strikte Position.

Die FCC hatte 2010 ihre "Open Internet"-Regeln beschlossen, die den Spielraum der Netzbetreiber bei der Steuerung der Datenströme einschränkten. Auslöser war unter anderem ein Fall aus dem Jahr 2007, als der Kabelanbieter Comcast in seinem Netz das Filesharing-Protokoll BitTorrent blockiert hatte, über das (auch raubkopierte) Videos und andere Dateien online verteilt werden. Der Telekom-Riese Verizon zog gegen die FCC vor Gericht. Das Berufungsgericht stellte in dem Streit fest, dass die US-Behörde nicht befugt gewesen sei, solche Regeln einzuführen. Denn sie hatte das Geschäft mit Breitbandinternet vor rund zehn Jahren weitgehend dereguliert.

Jetzt muss die FCC zwischen zwei Polen navigieren. Die Netzbetreiber, die auf sinkende Umsätze bei Milliardeninvestitionen verweisen, würden gern Geld damit verdienen, dass sie Inhalte-Anbietern eine garantierte Servicequalität bieten. Ihnen ist schon lange ein Dorn im Auge, dass Nutzer etwa von Googles YouTube oder der Online-Videothek Netflix gewaltige Datenmengen durch die Netze pumpen und die Internetfirmen reicher machen, ohne dass sie selbst daran jedoch mitverdienen würden.

"Es gibt nur ein Internet"
Auf der anderen Seite rufen vor allem Online-Aktivisten die FCC auf, die Breitbanddienste als Versorgungsinfrastruktur zu betrachten. Das würde den Weg für straffe Regulierung öffnen. Die Telekom-Branche warnt, dies werde dringend benötigte Investitionen abwürgen - und sie droht bereits, dagegen vor Gericht zu ziehen. In dieser Situation versuchte FCC-Chef Tom Wheeler einen Spagat zwischen den Lagern. Es sei inakzeptabel, dass jemand in die Position komme, darüber zu entscheiden, wer im Internet der Gewinner und wer der Verlierer ist. "Es gibt nur ein Internet. Es muss schnell, robust und offen sein." Die neuen Regeln würden erstmals der Diskriminierung einzelner Unternehmen einen Riegel vorschieben. Und bezahlte Überholspuren würden in den Vorschlägen nicht einmal erwähnt.

Aber auch nicht verboten, kontert die Internetbranche. "Wenn die einen sich schnellere Daten-Leitungen erkaufen können, bedeutet das automatisch, dass der Rest langsamer unterwegs ist", warnt Amazon-Technikchef Werner Vogels. "Wären Unternehmen wie der Musikdienst Spotify so schnell so groß geworden, wenn sie benachteiligt wären, weil sie kein Geld hätten, die Netzbetreiber zu bezahlen?" Er habe große Zweifel daran. Amazon hat in dem Streit aber auch eigene Interessen: Der Online-Händler könnte unter anderem mit seinem Video-Streamingdienst oder seinem Cloud-Service von den Netzbetreibern zu Kasse gebeten werden.

Entscheidung nicht von einzelnen Ländern zu treffen
Der deutsche Branchenexperte Nikolaus Mohr von der Managementberatung Mücke, Sturm & Company sieht das Problem auch auf der Seite der Telekom-Industrie: "Diese Diskussion kommt nur auf, weil die Netzbetreiber im Wettbewerb um Marktanteile in den letzten Jahren mit immer günstigeren Angeboten die Preise gedrückt haben." Es müsse auch um marktgerechte Preismodelle für Kunden gehen. "Zugleich kann ich als Staat nicht den milliardenschweren flächendeckenden Ausbau der Infrastruktur verlangen und dann dem Anbieter nicht die Möglichkeiten geben, das Geld zurückzuverdienen."

Insgesamt sei eine internationale Diskussion zur Netzneutralität nötig, betont Mohr. "Das Internet ist zu wichtig geworden, dass man solche Entscheidungen in einzelnen Ländern treffen könnte."

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