Ausgang entschieden

Schotten sagen “Nein” zur Unabhängigkeit

Ausland
19.09.2014 09:56
Die schottische Unabhängigkeitsbewegung hat das Referendum über die Loslösung von Großbritannien verloren. Die Wahlbehörde verkündete Freitag früh, dass mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten mit "Nein" stimmte. Die schottische Vize-Regierungschefin Nicola Sturgeon räumte gegenüber dem Sender BBC die Niederlage ein, für Schottlands Ministerpräsident Alex Salmond ist der Traum von der Unabhängigkeit damit geplatzt.

Laut dem Endergebnis haben beim Unabhängigkeits-Referendum in Schottland 55 Prozent der Wähler gegen und 45 Prozent für die Loslösung von Großbritannien gestimmt. Die Wahlbeteiligung betrug knapp 85 Prozent. Insgesamt wurden mehr als 3,6 Millionen Stimmen abgegeben.

"Jedes Mitglied der Yes-Kampagne ist tief enttäuscht. Aber Schottland hat sich für immer verändert", sagte Sturgeon. Der Regierung in London um Premierminister David Cameron ist es damit gelungen, die Abspaltungstendenzen des ölreichen Schottlands erfolgreich abzuwehren. Die Meinungsumfragen vor der Abstimmung hatten wochenlang ein enges Kopf-an-Kopf-Rennen beider Lager vorhergesagt.

(Bild: AP)
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Auszähler warten auf die Stimmzettel (Bild: AP)
Auszähler warten auf die Stimmzettel
Stimmzettel der Briefwähler (Bild: AP)
Stimmzettel der Briefwähler
(Bild: AP)

"Ja"-Lager konnte nicht genug Wähler mobilisieren
Die Schottische Nationalpartei von Ministerpräsident Alex Salmond, die vehement für die Unabhängigkeit eingetreten war, konnte in ihren Hochburgen nach ersten Analysen nicht genügend Wähler mobilisieren. "Gut gemacht, Glasgow, unsere Commonwealth-Stadt, und an die Menschen von Schottland für solch eine unglaubliche Unterstützung", schrieb Salmond bei Twitter. Die Metropole Glasgow und die Stadt Dundee stimmten zwar mehrheitlich für die Abspaltung von Großbritannien. Die Wahlbeteiligung war aber hier nicht hoch genug, um das Ergebnis aus anderen Regionen umkehren zu können. Die Hauptstadt Edinburgh ging mit 61 zu 39 Prozent an die "Nein"-Wähler.

Bei einer insgesamt sehr hohen Wahlbeteiligung hatten sich am Donnerstag in Stoßzeiten lange Schlangen vor den Wahllokalen in den 32 Wahlbezirken Schottlands gebildet. Das Thema hatte die Bevölkerung in dem Fünf-Millionen-Einwohner-Land im Norden Englands monatelang elektrisiert.

Schottland wird sich verändern - Versprechen eingefordert
Großbritannien wird sich nach dem Referendum in Schottland dennoch verändern. Premierminister Cameron hatte dem ohnehin bereits teilautonomen Schottland weitere Befugnisse versprochen. Gleichzeitig wurden Rufe vor allem aus englischen Regionen laut, ebenfalls mehr föderale Macht zugesprochen zu bekommen.

Der schottische Regierungschef Salmond forderte sofort nach dem "Nein" zur Unabhängigkeit die britische Regierung in London auf, ihre Versprechen für mehr Autonomierechte einzuhalten. Der Parteichef der in Edinburgh regierenden Nationalisten erinnerte an das Gelöbnis der britischen Parteien zu einem Parlamentsvotum über mehr Rechte für Schottland "bis zum 27. März nächsten Jahres". Es habe trotz des Neins ein "mächtiges Votum für die schottische Unabhängigkeit" gegeben, erklärte er im TV.

Cameron: Mehr Autonomierechte bis Frühjahr 2015
Cameron reagierte umgehend und kündigte nach der Ablehnung der Unabhängigkeit mehr Autonomierechte für Schottland bis zum Frühjahr 2015 an. Eine neue Kommission solle bis November einen Vorschlag über zusätzliche Entscheidungsgewalt bei Steuern, Ausgaben und Sozialem vorlegen, sagte Cameron Freitag früh in London.

Auch die anderen Landesteile - Wales, Nordirland und England - sollen "eine neue und faire Lösung" erhalten, sagte Cameron. England hat - im Gegensatz zu Schottland, Wales und Nordirland - keine eigene Regionalversammlung. Das britische Parlament in London stimmt bisher über englische Fragen ab, auch Abgeordnete aus den anderen Regionen dürfen dabei mitwählen. Wie Cameron diese als "West Lothian Question" bekannte Frage lösen möchte, blieb zunächst unklar. Eine zuvor in der Zeitung "Independent" erwähnte Variante sieht vor, schottischen Abgeordneten und wohl auch ihren walisischen und irischen Kollegen in London das Stimmrecht über englische Angelegenheit zu entziehen.

Cameron gratuliert dem schottischen Volk
Cameron gratulierte in seiner kurzen Ansprache vor seinem Amtssitz in der Downing Street dem schottischen Volk. Die Frage der Unabhängigkeit sei "für eine Generation entschieden".

Auch dem Anführer der schottischen Unabhängigkeitsgegner, Alistair Darling, gratulierte er zuvor. "Ich habe mit Alistair Darling gesprochen - und ihm zu einem gut ausgefochtenen Wahlkampf gratuliert", schrieb Cameron via Twitter. Der Premierminister hatte den Labour-Politiker Darling mit dem Wahlkampf in Schottland beauftragt, weil seine eigene Konservative Partei im sozialdemokratisch geprägten Norden keine Wählerbasis hat.

Aufatmen nach "No" der Schotten
Das "Nein" der Schotten zur Unabhängigkeit wird auch im Ausland gerne gehört. Zwar war US-Präsident Barack Obama der einzige Staatsmann von Weltrang, der sich klar positionierte und sich ein "starkes und geeintes Großbritannien" auf der Weltbühne wünschte. Doch gilt es als gesichert, dass auch in Europa viele Regierungen ein schottisches "Nein" bevorzugen. Für die europäische Union wurden Nachahmereffekte etwa in Spanien und Belgien, aber auch im italienischen Südtirol befürchtet. Sogar das Schreckgespenst eines Auseinanderbrechens der EU malten einige an die Wand.

Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, begrüßte das Nein der Schotten zu einer Abspaltung von Großbritannien. "Ich gebe zu, mich erleichtert das Ergebnis", sagte der deutsche Sozialdemokrat am Freitag im Deutschlandfunk. Auch NATO-Chef Fogh Rasmussen zeigte sich erleichtert: "Ich begrüße das Statement von Premierminister Cameron, dass das Vereinigte Königreich als ein geeintes Land vorangehen wird."

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