Eigentlich ist der Suzuki Swift ein netter Kleinwagen. Zwar sieht er ganz chic aus und geht mit etwas gutem Willen als Mini-Konkurrent durch. Doch spätestens wenn man den Zündschlüssel dreht, erlebt man im Vergleich eine arge Enttäuschung. Denn mehr als 136 PS hat der Swift auch als Sport nicht zu bieten, und selbst der schwerste Bleifuß kommt nicht an die 200 km/h. Damit ist gegen Kraftzwerge wie Mini Cooper S, VW Polo GTI oder Opel Corsa OPC kein Blumentopf zu gewinnen. Es sein denn, man überlässt den Junior aus Japan Menschen wie Niki Schelle. Denn der Bayer ist nicht nur Rallye-Profi und Suzuki-Werksfahrer, sondern vor allem ein Tüftler, der sich für keine verrückte Idee zu schade ist. Selbst wenn er den Wagen dafür mit einem Motorrad kreuzen muss.
"Aber Crossover liegt ja im Trend‘ ", sagt Schelle mit einem verschmitzten Lachen: "Und wer, wenn nicht Suzuki, hätte das Recht, es mal mit dieser Kreuzung zu versuchen?" Schließlich bauen die Japaner nicht nur den Swift, sondern auch die GSX-1300R Hayabusa, die mit 197 PS und über 300 km/h zu den schnellsten Motorrädern der Welt zählt.
So oder so ähnlich müssen die Gedanken gewesen sein, die Schelle mit seinen Kollegen bei Suzuki irgendwann beim Feierabendbier gewälzt hat. Und eher er sich’s versah, stand er in England in einer Rennwerkstatt und brachte zusammen, was eigentlich nicht zusammen gehört: Swift trifft Hayabusa, ein braver Kleinwagen wird gekreuzt mit einem Biest - und heraus kommt eine Bestie.
Binnen fünf Wochen hat Schelle den Bug des Kleinwagens ausgeräumt, den Antrieb gedreht und im Heck den 1,3 Liter großen Motorrad-Vierzylinder eingebaut. Und weil ihm das noch nicht wild genug war, hat er die Motorrad-Maschine gleich noch mit einem Turbo aufgerüstet und so die Leistung auf 330 PS gesteigert. Dazu noch ein Sportfahrwerk, ein ausgeräumtes Innenleben mit nicht viel mehr als einem kleinen Lenkrad, zwei großen Schalensitzen, Hosenträger-Gurten und Sicherheitskäfig sowie eine dezent nachgeschärfte Rennkarosse – fertig ist die kleine Spaßgranate.
Schon beim Aufbau des Super-Swift hat Schelle ordentlich geschwitzt. Denn es war gar nicht so einfach, den Antrieb nach hinten zu verlagern, den Motorradmotor mit einem automobilen Renngetriebe zu verheiraten und die unterschiedlichen Schaltkreise miteinander zu verknüpfen, erzählt er von den Kniffen der Konstruktion. Von den thermischen Herausforderungen im Heck ganz zu schweigen.
Doch all das waren Wellness-Wochen, verglichen mit der Zeit hinter dem Steuer. Denn jetzt, wo der Swift mal fertig ist und sich die ungleichen Partner aus dem Suzuki-Imperium aufeinander eingespielt haben, ist der Kleinwagen eine teuflisch heiße Kiste und jede Fahrt wird zum Höllenritt. Und zwar nicht nur, weil der Motor hinter der dünnen Plexiglasscheibe im Heck heizt wie Brennstäbe in einem Atomkraftwerk. Sondern vor allem, weil in diesem Swift ein Feuer brennt, wie man es sonst allenfalls von Ferrari & Co kennt. Und es braucht nur ein paar Meter, dann hat es auch den Fahrer voll erfasst.
Denn das Kleinkaliber beschleunigt nicht nur granatenmäßig, wenn der Motor in Nullkommanichts auf 11.000 Touren dreht und mit dem Blechfloh Boccia spielt: Beim ersten Kickdown rast die Landschaft draußen wie im schnellen Vorlauf vorbei, und wenn der Tacho in weniger als vier Sekunden auf 100 schnellt, sieht man selbst die meisten Porsche nur im Rückspiegel. Der Monster-Mini lenkt aber auch beinahe explosiv. Nur noch 900 kg schwer und auf Heckantrieb umgerüstet, dreht sich der Zwerg in die Kurven, als hätte ein Riese mit dem Finger gegen das Heck geschnippt. Und wenn man am Steuer nicht höllisch aufpasst, dreht er sich so lange weiter, dass man schon in der ersten Schikane Karussell fährt.
Aber es ist ja nicht nur der kräftezehrende Kampf mit dem kleinen Lenkrad, das ohne Servounterstützung auskommt. Um den Brummkreisel irgendwie auf Kurs zu halten, muss man auch noch den Motor und das sequentielle Sechsgang-Getriebe bändigen, das ähnlich funktioniert wie im Motorrad: Geschaltet wird mit Drucktasten am Lenkrad – links rauf, rechts runter – und die Kupplung arbeitet fast digital, das heißt ohne jedes Spiel.
Wo früher mal der Schaltknüppel war, ragt jetzt fast einen Meter hoch der Hebel der Handbremse aus dem Wagenboden und wird zu einer Art Joystick. Denn als wäre der Swift nicht schon quirlig genug, kann der Profi bei voller Fahrt an diesem Hebel reißen und den Swift damit blitzschnell in den Drift bringen – kein Wunder, dass man die Fahrbahn in diesem Auto mehr aus der Seitenperspektive denn durch die Frontscheibe sieht.
Warum es überhaupt so weit kommen konnte? Weil Suzuki offenbar beweisen wollte, dass auch Japaner Spaß verstehen. Denn viel mehr als eine Schnapsidee war der Swift Hayabusa anfangs nicht, räumt Marketing-Mann Christian Andersen ein: "Wir wollten einfach wissen, ob das überhaupt geht, und Niki war verrückt genug, sich darauf einzulassen. "Jetzt, wo dieser Beweis erbracht und das Auto mittlerweile schon in der zweiten Evolutionsstufe fertig ist, nutzen die Japaner den kleinen Giftzwerg vor allem fürs Marketing und zur Imagepflege – und haben damit einen ziemlich günstigen Werbeträger. Denn viel mehr als 50.000 Euro hat das Projekt nicht verschlungen.
Für die Japaner war die Hochzeit von Swift und Hayabusa allerdings nur eine übermütige Idee, die Marketing-Mann Andersen auch heute noch nicht zur Nachahmung empfehlen kann. "Eine Serienfertigung schließen wir deshalb kategorisch aus", wird er plötzlich wieder ernst. Doch weil dieser Swift süchtig macht und man partout nicht mehr von der Bestie lassen will, lässt er für alle hirnverbrannten Heizer ein kleines Hintertürchen offen: Wer wirklich hartnäckig nachfragt und partout nicht zur Vernunft zu bringen ist, dem will er zumindest Schelles Telefonnummer geben. Der Rest ist dann reine Verhandlungssache. Den nötigen Swift und die passende Hayabusa gibt’s schließlich bei jedem Händler.
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