"Krone"-Interview

“Wie sind Sie zur ‘Wut-Oma’ geworden, Frau Nagl?”

Österreich
03.10.2014 17:35
Eine 75-Jährige sagt den Politikern die Meinung: Frieda Nagl aus Rauris, auch als "Wut-Oma" bekannt. Der "Krone" öffnet die streitbare Wirtin ihr Herz und erzählt, was sie eigentlich gegen die Politiker hat.

Die Frau mit den freundlichen Augen und dem schneeweißen Haar fällt auf im Wiener Café Westend: Erwartungsvoll sitzt sie – in heller Trachtenjacke mit aufgesticktem Edelweiß und Erdbeeren – an einem der kleinen Marmortischchen, neben sich am Boden hat sie den schwarzen Reisekoffer stehen. Ihre schwieligen Hände haben noch Kratzer vom Pilze-Sammeln. "Ich mag die Wiener Stadt, aber ich vermisse jetzt schon die gute Rauriser Luft", seufzt sie und beobachtet die Autoschlangen, die vor den Fenstern den Gürtel entlangkriechen. "Und laut habt ihr's hier!"

Frieda Nagl sieht nicht aus wie eine "Wut-Oma" (so heißt der Titel ihres neuen Buches, zu dessen Präsentation sie im Zug nach Wien gereist ist). Aber die Wirtin, die im "Sommergespräch" den Vizekanzler ins Schwitzen brachte (280.000-mal abgerufen in der ORF-TVthek), kann sich ganz schön in Rage reden.

(Bild: Reinhard Holl)
(Bild: Reinhard Holl)
(Bild: Reinhard Holl)

"Krone": Frau Nagl, mit welchem Gefühl sind Sie nach Wien gekommen?
Frieda Nagl: Mit einem ganz guten. Obwohl es wieder einen Wirbel geben wird. Aber das macht mir nichts. Warum ich überhaupt da bin, das kann ich Ihnen klipp und klar sagen: So kann es nimmer weitergehen!

"Krone": Was haben Sie gegen Politiker?
Nagl: Vor jeder Wahl lügen sie uns an. Kaum sind s' an der Macht, hörst du nimmer viel. Was mich am meisten ärgert, sind die teuren Plakate, die dann in der Gegend herumhängen. Alles nur Wahlpropaganda.

"Krone": Zum Beispiel?
Nagl: Steuern runter zum Beispiel! Der Staat kommt immer mehr in die Verschuldung, und uns – die Klein- und Mittelbetriebe - machen's regelrecht kaputt.

"Krone": Sind Sie nicht selber ÖVP-Mitglied?
Nagl: Doch. Als ich 20 Jahre alt war, bin ich schon zur ÖVP gegangen. Was anderes hat's bei uns zuhause nie gegeben. Jetzt bin ich aber nur noch Obmann-Stellvertreterin beim Seniorenbund Rauris.

"Krone": Nie daran gedacht auszutreten?
Nagl: Vier-, fünfmal war ich schon nahe dran. Ich hab mich auch überwinden müssen, dass ich noch einmal zur EU-Wahl gegangen bin. Da fließt so viel Geld nach Brüssel, und dann machen sie depperte Gesetze. Bei den krummen Gurken krieg ich einen Zorn. Die schmeißen's massenhaft weg. Ich hab selber Gurken in meinem Garten, die krummen sind die besten! Jetzt wollen s' uns auch noch die Holzlöffel verbieten, stattdessen soll man dieses Plastikglumpert nehmen. Oh, das hasse ich. Den Holzlöffel werd ich mir nicht verbieten lassen.

"Krone": Was werden Sie da machen?
Nagl: Vielleicht sollte ich einmal nach Brüssel fahren und vor dem EU-Parlament mit dem Holzrührer herumfuchteln. Das würde mir gefallen. – Lacht.

"Krone": Warum haben Sie jetzt ein Buch geschrieben?
Nagl: Ich wollte das eigentlich schon lange. Aber diesmal kam ein Verleger mit einem Diktiergerät, und ich musste nur drauflosreden. Das ging ruck-zuck, in zwei Wochen war das Buch fertig. Ich red ja gern.

"Krone": Gefällt Ihnen der Titel?
Nagl: Mir persönlich gefällt das, was die Salzburg-"Krone" geschrieben hat, besser: Alpenrebellin. Aber "Wut-Oma" ist auch okay. Es stimmt ja, dass ich eine Wut kriege, wenn es allweil so Versprechungen gibt, die dann nicht wahr gemacht werden. Da kann ich den Politikern dann schon etwas pfigitzen.

"Krone": Ist das Pinzgauerisch?
Nagl: Ja, das heißt so viel wie "etwas pfeifen".

"Krone": Frau Nagl, wie sind Sie zu dieser "Wut-Oma" geworden?
Nagl: Da ist einiges passiert. Einmal ist die Finanzpolizei in mein Wirtshaus gekommen und hat mich als Schwarzarbeiterin bezeichnet, weil ich bei meiner Tochter ausgeholfen habe. Da arbeitet man ein Leben lang und dann wird man auch noch bestraft dafür. Einmal hat mich die Bank, als es mir schlecht ging, hängen gelassen und auch noch 12,75 Prozent Zinsen verlangt. Ich werde nie mehr das sagen, was der Hermann Maier in der Werbung sagt. Einmal haben sie behauptet, ich hätte ohne Genehmigung gebaut. War alles erstunken und erlogen. Ich bin aber auch wütend geworden, dass unsere Poly-Schüler wegen der schlechten Busverbindung schon um 6.30 Uhr nach Taxenbach fahren mussten. Also habe ich dem damaligen Verkehrsminister Heinrich Übleis Speck und Käse nach Wien geschickt. Er hat dann den Fahrplan rasch geändert.

"Krone": Waren Sie überrascht, was nach dem "Sommergespräch" mit Reinhold Mitterlehner passiert ist?
Nagl: Man kann sich das gar nicht vorstellen. So viele Anrufe und Mails! Und das genau in der Zeit, als meine Freundin Rosi gestorben ist. Jetzt hätt ich sie so gebraucht. Sie war auch eine aufrichtige Kämpferin.

"Krone": Stimmt es, dass es Abwerbungsversuche gegeben hat?
Nagl: Ja, das ist richtig. Die Frau Nachbaur vom Team Stronach hat sogar dreimal angerufen. Und die Strache-Partei. Beide haben mir ein Nationalratsmandat angeboten.

"Krone": Auch Geld?
Nagl: Nein, aber wenn ich "Ja" gesagt hätte, dann wäre der Frank Stronach vielleicht mit einem Scheck gekommen. – Lacht. – Kommt für mich aber nicht infrage. Erstens mag ich die Einschleimerei nicht. Zweitens bin ich nicht käuflich. Und drittens war ich nie ein Fahnl im Wind. Mit 75 lass ich mich doch nimmer ummodellieren!

"Krone": Sie werden nächste Woche Sebastian Kurz treffen. Warum nicht Kanzler Faymann?
Nagl: Weil mir der Faymann nicht so sympathisch ist wie der Sebastian. Mir gefällt vom Kurz, dass er arbeitet und nicht wie die andern nur Blabla macht. Dem werd ich auch eine schöne Widmung ins Buch schreiben. Vielleicht: Herr Außenminister, bleiben Sie weiterhin so tüchtig, ich liebe Sie! Ihre Frieda Nagl.

"Krone": Wenn Sie noch einmal jung wären, würden Sie dann etwas anders machen?
Nagl: Nichts. Obwohl ich heute steinreich wäre, wenn ich alle Überstunden gezahlt bekommen hätte, die ich in meinem Leben gemacht hab. Silbergraues Haar, schwielige Hände! Aber die sind Gold wert. Die wollen noch arbeiten und nicht faulenzen.

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