Im Kloster Pernegg

NEOS-Chef Strolz auf der Suche nach dem Sinn

Österreich
19.10.2014 18:45
Eine Woche entrückte NEOS-Chef Matthias Strolz hinter die Klostermauern von Pernegg zum Fasten, Meditieren, Tanzen & Dichten. Was er neben Poetischem über Kastanien an Erkenntnissen mitbrachte?

Mit einem satten "Bing" landete letzte Woche ein Mail von NEOS-Chef Matthias Strolz (41) im elektronischen Postfach. Doch darin behelligte er nicht wie seine Polit-Kollegen mit Aussendungs-Allerlei zum Bundesheer oder der Steuerreform; nein, er befasste sich unter dem Betreff "Herbst-Berührung" in quasi poetischer Form mit dem Werden und Weichen von Kastanien:

Du bist so prall und so glänzend,
so samten und geschmeidig,
das füllige Leben und der Abschied.

Geborgen in Stacheln kamst du zur Reife.
Du hast dich geöffnet, um Lebendigkeit zu geben.
Du bist gefallen, um dem Wachsen die Hand zu reichen.

Ich trage Dich bei mir,
Du bist mein Schatz.
Wir Kinder der Erde, wir lieben Dich.

Im Begleittext erläuterte er: "Dieses Gedicht ist mir während meiner Fasten-Woche unter einem Kastanienbaum eingeschossen. Ihr habt am Sonntag ja immer wieder poetische Gedanken an Bord. Vielleicht ist das ja was?"

Weniger fein schwingende Parlaments-Polterer mögen ihn für verhuscht halten und mit dem Elaborat möglicherweise wenig anzufangen wissen und es auf eine handfeste Kurkrise in Folge von Unterzuckerung durch Nahrungsentzug schieben. Andere aber jubilieren über einen Politiker neuen Stils, der sich auch Gedanken über dies und das im Leben macht und auch schon mal den Laptop zuklappt, um sich eine Woche lang zum Innehalten hinter Klostermauern zurückzuziehen. Sieben Tage lang fastete Strolz bei vier Litern Wasser, Tee und Gemüsesaft am Tag: "An einem Glas löffelt man fast eine Viertelstunde."

Einläufe und Stille statt fester Nahrung
Keine feste Nahrung, kein Handy, kein TV. Stattdessen Einläufe, Leberwickel, Meditation, Tanz und Stille. Oder Lustwandeln im philosophischen Garten von Kloster Pernegg (NÖ) rund um die Skulptur des brennenden Herzens, das dort als Symbol für Zuversicht und Grundvertrauen steht. Oder am 5 km langen "Rundweg der Stille" mit seinen 14 Stationen: einer Kapelle aus dem Mittelalter, einer alten Brücke, einer Mühle oder einem Predigtstuhl. Dort trug der Politiker inbrünstig Gedichte über die Liebe vor: "Die hab ich laut in die Gegend gesprochen." Peinlich war ihm dies nicht: "Es war ja keiner da, ich war allein." Gemeinsam mit 10 anderen irrte er durch das Kräuterlabyrinth, "eine Übung für Gelassenheit durch gemeinsames Im-Kreis-Gehen". Was ihm aus der Politik ja durchaus vertraut sein mag.

Dass er für seine Klausur ausgerechnet ein Kloster wählte, ist für den eher unreligiösen Politiker kein Widerspruch: "Wir sagen nur: Gott hat nichts im Parteiprogramm verloren. Pernegg ist ein säkularisiertes Kloster. Dort gibt es keine Brüder, sondern Kurherren. Ich bin katholisch, aber kein Kirchgänger. Und wenn ich in den Sternenhimmel schau, dann ahne ich schon, dass es da etwas gibt. Wenngleich mein Gott eher am Rand der katholischen Kirche wohnt."

Stolz: "In der Stille finde ich Energie"
Seit 13 Jahren praktiziert der gebürtige Vorarlberger, der früher im zivilen Leben als Berater für Organisationsentwicklung erfolgreich war (u.a. für Daimler oder den öffentlichen Bereich) diese Einkehr: "Es berührt und beruhigt mich. In der Stille finde ich Energie." Um eine Steilvorlage zu vermeiden, setzt er selbst gleich nach: "Das heißt: Energie hab ich eh genug. Aber meine Energie hat normal ja eher was Aufgeganseltes." Die Klosterferien sind die abgeschwächte Variante dessen, was er vor drei Jahren als "Visionssuche" im Wienerwald praktizierte, als er allein im Wald fünf Tage fastete, drei Tage nicht einmal einen Schluck trank, eine Nacht durchwachte und dabei in einen trance-ähnlichen Zustand verfiel, um die Frage zu klären: "Habe ich genug gelebt und geliebt? Wurde ich genug geliebt? Und hab ich die Melodie meines Lebens erkannt und mein Lied gesungen?"

Die Konsequenz des nächtlichen Herumirrens ist bekannt: Strolz beschloss den Gang in die Politik. Der verheiratete Vater von drei Töchtern im Alter zwischen 4 und 8 Jahren verkaufte seine Firma und setzte alles auf eine Karte. Nach dem Einzug ins Parlament vor einem Jahr schaffte er bei den Wahlen in Salzburg sensationelle 12,4% und überholte sogar die FPÖ. Zuletzt in Vorarlberg waren es trotz des Heimvorteils nur 6,9%. Enttäuscht ist er nicht: "Wir haben Geduld und entwickeln uns." Dass "Team Stronach"-Chefin Kathrin Nachbaur bei ihm andocken könnte, dementiert er: "Ich schätze sie sehr. Aber im Gegenzug zu einigen ihrer Kollegen gab es von ihrer Seite nicht einmal Avancen."

Zurück aus der Klause, ist der 41-Jährige 3,5 Kilo leichter, aber um Erfahrungen reicher. Die ihn bewegende Frage "Ist mein Tun richtig? Ist es wichtig?" kann er bejahen: "Es macht Sinn!" Einen halbfertigen Roman brachte er überdies mit, den er dort zu schreiben begann und über dessen Inhalt er noch nichts verraten möchte. Darüber hinaus eine Kastanie in der Hosentasche ("Ich mag ihren Glanz und ihre Berührung") und eine Mordstrumm Energie: "Am dritten Tag beim Fasten schießt die Energie ein. Da könnte ich die Welt umarmen und Bäume ausrupfen!"

Bei einem wie ihm klingt das fast schon ein bisschen zum Fürchten.

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