Von der Grundsubstanz des ehemaligen Chemie-Laborgebäudes, in dem nun die Fakultät für Maschinenwesen und Betriebswissenschaften untergebracht ist, ist nach der zwei Jahre dauernden Generalsanierung praktisch nur das Skelett geblieben: Das Plus-Energie-Hochhaus wurde fast vollständig entkernt, in eine wärme- und sonnenschutztechnisch optimierte Fassadenkonstruktion mit integrierter Photovoltaik gehüllt und mit einem hoch technisierten und bis ins kleinste Detail auf Energieeffizienz maßgeschneiderten Innenleben ausgestattet.
Positive Energiebilanz
"Es ist tatsächlich das einzige Bürogebäude weltweit, das einen so niedrigen Gesamtenergieverbrauch hat, dass er über die normale Nutzung übers Jahr gedeckt werden kann", erklärte der wissenschaftliche Projektleiter Thomas Bednar, Forschungsbereichsleiter für Bauphysik und Schallschutz an der TU. Ein normales Bürogebäude hätte demnach mit dieser Geometrie einen Energieverbrauch von rund 460 Kilowattstunden pro Quadratmeter Primärenergie. Das Plus-Energie-Hochhaus soll hingegen nur 56 Kilowattstunden pro Quadratmeter verbrauchen und gleichzeitig über das Jahr gerechnet 61 Kilowattstunden pro Quadratmeter an Energie erzeugen.
Server heizen Räume
Der Großteil der Primärenergie wird durch die mit knapp 2.200 Quadratmetern "größte fassadenintegrierte Photovoltaik-Anlage Österreichs", aber auch von der Serverabwärmenutzung und der Energierückgewinnung aus der Aufzugsanlage abgedeckt. Der produzierte Strom wird direkt im Gebäude verwendet, der Überschuss zur Gänze am Areal durch Nachbargebäude der TU verbraucht. Auch der komplette Heizbedarf im Winter wird durch die Abwärme des Serverraums hausintern abgedeckt.
Mit dem Wintersemester ist der Betrieb im neuen Hochhaus voll angelaufen, inklusive Hörsälen und Seminarräumen ist Platz für bis zu 1.800 Personen. Die Nutzer wurden dabei in die Planung integriert. Es galt dabei teilweise auch grundsätzliche Überzeugungsarbeit zu leisten, etwa Bildschirme und Laptops gegen energieeffiziente zu tauschen, anstatt eine Gebäudekühlung zu installieren. "Das ist ein kompletter Bruch mit Gewohnheiten", so Bednar.
Haus besitzt "ein gewisses Eigenleben"
Bereits im Vorfeld der Sanierung wurden 9.300 einzubauende Komponenten in 280 Kategorien akribisch auf ihre Energieeffizienz hin geprüft. Aber vieles, was an Forschung und Technologie in dem Gebäude steckt, ist für den Besucher nicht auf den ersten Blick ersichtlich. Erst wenn man durch einen Gang geht und das Licht automatisch an- und ausgeht, es einen also "verfolgt", bemerkt man laut Bednar, dass das Gebäude "ein gewisses Eigenleben" besitzt. Auch wenn man einen Raum verlässt, schaltet sich das Licht von selbst aus. Wie die Beleuchtung ist auch das Raumklima automatisiert, aber individuell einstellbar.
Projekt soll zum Nachdenken und -bessern anregen
Neben vielen Adaptionen bestehender Technik-Komponenten und Systeme hat die TU Wien auch einen eigenen Bewegungsmelder entwickelt. Hier habe sich etwa die Möglichkeit ergeben, durch geschickte Auswahl der Elektronik den Energieverbrauch stark zu senken, ohne an der Funktionalität etwas zu ändern. Generell schlummere in solchen Einzelteilen noch Potenzial, auch das sei Bestandteil des nun anlaufenden Langzeit-Monitorings. Nach drei Jahren wird ein Bericht über den realen Verbrauch dieses Demonstrationsprojekts erstellt.
"Wir hoffen, dass wir wenigstens irgendwo gescheitert sind, weil sonst wäre es ja keine Forschung mehr", so der Projektleiter, der damit auch die Hoffnung verknüpft, "dass sich viele Leute damit auseinandersetzen und darüber nachdenken, ob sie es nicht noch besser nachmachen wollen."
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