Gab es 3 Landungen?

“Philae” steht stabil, sendet Daten von Oberfläche

Wissenschaft
13.11.2014 11:10
Am Mittwoch wurde mit der erstmaligen Landung auf einem Kometen Raumfahrtgeschichte geschrieben: Das Weltraumlabor "Philae" ist nach seiner zehnjährigen Reise an Bord der Raumsonde "Rosetta" am späten Nachmittag auf dem Kometen "Tschuri" gelandet - und das womöglich sogar dreimal: "Philae" ist offenbar beim Landeversuch zweimal vom Himmelskörper abgeprallt, der "Touchdown" also erst beim dritten Versuch geglückt. Nun steht das Labor aber stabil, erste wichtige Daten von der Oberfläche wurden bereits gesammelt.

"Die Verbindung läuft gut", sagte ein Sprecher im Kontrollzentrum der Europäischen Weltraumorganisation ESA in Darmstadt am Donnerstagvormittag. In der Nacht hatte es wie erwartet eine Zwangspause wegen eines Funklochs gegeben. Nun aber laufe alles reibungslos. Trotz der möglicherweise drei "Aufpeppler" scheine das Labor in einem "sehr soliden" Zustand zu sein. Wie die etwas holprige Landung auf dem Kometen genau ablief, ist erst sicher, wenn alle Daten ausgewertet sind. Am Nachmittag will das Team die neuesten Informationen mit der Welt teilen.

Wolfgang Baumjohann, der Direktor des Instituts für Weltraumforschung der Akademie der Wissenschaften, das an fünf Instrumenten von "Rosetta" und "Philae" beteiligt ist, sagte in der "ZiB 2", dass es nach der ersten Landung von "Philae" offensichtlich Probleme beim Festkrallen mit den Ankerharpunen gegeben habe. "Das scheint nicht ganz richtig funktioniert zu haben, weil er ist dann wieder abgeprallt und erfreulicherweise ein zweites Mal gelandet." Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln prüft sogar Daten, wonach "Philae" sogar noch ein drittes Mal auf dem Kometen aufgesetzt haben könnte. "Die Vermutung liegt nahe", sagte DLR-Sprecher Andreas Schütz.

Die ESA zeigt den Kometen im Größengleich zu Weltstädten: wie hier im Vergleich zu Wien ... (Bild: ESA/Rosetta/NAVCAM, "Krone"-Grafik, krone.at-Grafik)
Die ESA zeigt den Kometen im Größengleich zu Weltstädten: wie hier im Vergleich zu Wien ...
... Paris ... (Bild: ESA)
... Paris ...
... London ... (Bild: ESA)
... London ...
... und Rom. (Bild: ESA)
... und Rom.
Das erste Bild, das "Philae" auf seinem Weg zum Kometen auf die Erde funkte, zeigt "Rosetta". (Bild: ESA/Rosetta/Philae/CIVA)
Das erste Bild, das "Philae" auf seinem Weg zum Kometen auf die Erde funkte, zeigt "Rosetta".
„Rosetta“ schoss nach dem Abdocken ein Foto von „Philae“. Gut zu sehen sind die „Beine“ des Landers. (Bild: Twitter.com/ESA Rosetta Mission)
„Rosetta“ schoss nach dem Abdocken ein Foto von „Philae“. Gut zu sehen sind die „Beine“ des Landers.
Der Österreicher Stephan Ulamec, Projektleiter der Landeeinheit, im Kontrollraum (Bild: Screenshot ESA.com)
Der Österreicher Stephan Ulamec, Projektleiter der Landeeinheit, im Kontrollraum

"Das Gerät ist an der Oberfläche, das konnte man messen"
Das Gerät sei aber auf der Oberfläche, "das weiß man, das konnte man messen". Und: In den ersten Stunden nach der Landung hätten bereits wichtige Daten gesammelt werden können, sagte der Chef des ESA-Flugbetriebs im Satelliten-Kontrollzentrum ESOC in Darmstadt, Paolo Ferri. Neben Fotos sei es etwa gelungen, das Tomografie-Projekt "Consert" zu starten. Dabei durchleuchten "Philae" und die Sonde "Rosetta" den Kometen in Teamarbeit.

Jubel nach geglückter Landung am Kometen
Als zuvor am späten Nachmittag - exakt um 17.03 Uhr - die Bestätigung im Kontrollzentrum auf der Erde eingetroffen war, brach bei den beteiligten Wissenschaftlern, unter ihnen der österreichische Projektleiter Stephan Ulamec, Jubel aus. Nach zehn Jahren Reise hatte die Raumsonde der europäischen Weltraumagentur ESA im Sommer den Kometen "Tschurjumow-Gerassimenko" (kurz: "Tschuri") erreicht und liefert seither laufend Daten und Messergebnisse.

Für den spektakulären Höhepunkt der Mission löste sich am Mittwoch das Mini-Labor in einer Höhe von rund 22 Kilometern von der Sonde und schwebte sieben Stunden lang bis zum Landeplatz auf dem "Kopf" des Badeenten-förmigen Kometen. Die Landung selbst wurde automatisch vollzogen, eine Steuerung von der rund 400 Millionen Kilometer entfernten Erde aus war nicht möglich. An der Entwicklung zahlreicher Instrumente an Bord von "Rosetta" und "Philae" waren österreichische Wissenschaftler beteiligt.

Die wichtigsten Ereignisse im krone.at-Überblick:

  • 17.44 Uhr: "'Philae' geht es gut. Wir haben den Boden berührt. Nun gilt unsere größte Aufmerksamkeit der Verankerung und dem Verbleib von 'Philae' auf dem Kometen", heißt es aus dem Kontrollzentrum in Köln.
  • 17.21 Uhr: Die Kommentare im Kontrollzentrum im deutschen Darmstadt überbieten einander mit Superlativen und Dankesworten. Regelmäßig fällt der Vergleich mit der ersten Mondlandung 1969.
  • 17.09 Uhr: "'Philae' is talking to us" - "'Philae' spricht mit uns", berichtet der euphorische Projektleiter Ulamec.
  • 17.03 Uhr: Im ESA-Kontrollzentrum bricht Jubel aus.
  • 16.31 Uhr: "Almost there" - beinahe dort, twittert das abgekoppelte "Philae"-Modul. Im ESA-Kontrollzentrum macht sich gespannte Ruhe breit.
  • 16.19 Uhr: Eines Tages könnten "Rosetta" und "Philae" doch wieder vereint werden, denn wie Mission Manager Fred Jansen erklärt: "Irgendwann wird der Treibstoff ausgehen und wir denken darüber nach, sie ("Rosetta") auch auf dem Kometen zu parken."
  • 16.14 Uhr: Die Landung auf dem Kometen geht in die heiße Phase. Auch "Rosetta" hat nun ein Foto geschossen: Es zeigt "Philae" auf dem Weg nach unten.
  • 15.49 Uhr: Ulamec meldet sich via Livestream aus dem Kontrollraum: "Das, was wir bis jetzt an Daten von den Messinstrumenten haben, ist fantastisch. Es läuft alles gut, wir sind sehr neugierig, was nun passieren wird."
  • 15.36 Uhr: So interessant "Tschurjumow-Gerassimenko" für die Wissenschaft auch sein mag, Urlaub möchte auf dem Kometen vermutlich niemand machen. Es ist kalt, dunkel und es riecht streng. Schweizer Forscher analysierten seine Gashülle. Das Ergebnis: Der Komet stinkt. Der Schwefelwasserstoff riecht nach faulen Eiern, daneben gebe es nach Stall stinkendes Ammoniak und beißendes Formaldehyd in der Hülle, so die Wissenschaftler. "Tschuri" wurde 1969 entdeckt. Wo er herkommt, ist unklar.
  • 15.24 Uhr: "Philae" funkt das erste Bild zu "Rosetta" und somit auch an die Erde. Die ESA zeigt in einer Grafik außerdem, wie groß Komet "Tschuri" im Verhältnis zu Paris (105,4 km²), London (1.572 km²) und Rom (1.285 km²) ist.
  • 15.11 Uhr: Ein ESA-Video zeigt: So wird "Philae", wenn alles gut geht, auf "Tschuri" landen.
  • 14.55 Uhr: Der für den Lander ausgesuchte Platz auf dem Kometen ist ebenfalls nach einer Insel im Nil benannt: Agilkia. Sie wurde 1980 der neue Standort für den Tempel von Philae. Der ursprüngliche Standort - die Insel Philae - war nach dem Bau eines Staudamms überflutet worden. Den Namen für den Landeplatz wählte eine Jury in einem Wettbewerb aus 8.300 Vorschlägen aus. Vorher hieß der Platz auf dem Himmelskörper schlicht und kurz "J".
  • 14.34 Uhr: Bei der ESA wartet man auf die ersten Daten und Bilder von "Rosetta" und "Philae". "Alles funktioniert gut, die Batterien arbeiten bestens", meldet sich ein Mitarbeiter via Livestream aus dem Kontrollzentrum. Bis der kleine Lander die Oberfläche des Kometen erreichen soll, dauert es aber noch.
  • 14.12 Uhr: Das Projekt "Rosetta" wurde bereits 1985 gestartet. Damals beschloss die ESA im Programm "Horizont 2000" die Erkundung eines Kometen. Am 2. März 2004 startete die Raumsonde schließlich vom europäischen Weltraumhafen Kourou an Bord einer Ariane-5-Rakete ins All.
  • 13.30 Uhr: Kometen wie "Tschuri" galten jahrhundertelang als Unglücksboten, die Kriege, Seuchen und Hungersnöte ankündigten. Die imposanten Exemplare unter den Schweifsternen hatten für unsere Vorfahren etwas Bedrohliches - weil sie plötzlich auftauchen, stellten sie aus damaliger Sicht die kosmische Ordnung infrage. Heute wissen die Forscher, dass Kometen vom Rand des Sonnensystems stammen und sich ihre Gas- und Staubschweife bei der Annäherung an die heiße Sonne bilden.
  • 13.13 Uhr: Die gemeinsame Reise von "Rosetta" und "Philae" ist nach zehn Jahren übrigens für immer zu Ende: Während die Sonde weiter um den Kometen kreisen wird, bleibt "Philae" auf der Oberfläche. Zur Sonde zurückkehren kann der Roboter nicht.
  • 13.00 Uhr: "Rosettas" Zielkomet war ursprünglich ein anderer: Die insgesamt rund eine Milliarde Euro teure Mission sollte zum Kometen 46P, auch bekannt unter dem Namen "Wirtanen", führen. Doch vor dem geplanten Start im Jänner 2003 gab es eine schwere Panne mit der damals neuen Version der europäischen Ariane-5-Rakete, sodass "Rosetta" am Boden blieb und das Startfenster zu "Wirtanen" verpasste. Sozusagen als Ersatz suchten die Forscher dann als Reisezärz 2004 gestartete "Rosetta" ist die erste Sonde, die einen Kometen umkreist und nicht nur an ihm vorbeifliegt. Forschungssonden sind bereits mehrfach nahe an Kometen vorbeigeflogen, beispielsweise am berühmten "Halley" bei dessen bisher letzter Annäherung an die Sonne 1986. 2005 feuerte die US-Sonde "Deep Impact" ein Projektil auf den Kometen "Temple 1" ab.
  • 12.40 Uhr: Mit einer Geschwindigkeit von 18 Zentimetern pro Sekunde gleitet die Landeeinheit auf den Kometen zu. Gerät sie auf die falsche Bahn, können die Forscher nichts machen: Aktiv steuern lässt sich das Mini-Labor nicht. Funksignale von "Rosetta" brauchen 28 Minuten, um bis zur Erde zu gelangen. "Philae" hat die Landung einprogrammiert bekommen.
  • 12.35 Uhr: "Endlich! Nach zehn Jahren kann ich meine Beine ausstrecken", verkündet "Philae" auf Twitter. Der Roboter hat seine Stützen ausgeklappt und bereitet sich auf die Landung vor. Man nehme derzeit einige Kalibrierungen für das Aufsetzen auf dem Kometen vor, berichtet die ESA in ihrem Livestream.
  • 12.21 Uhr: Auch "Philae" twittert erfreut: "Schön, wieder mit dir zu reden, Rosetta."
  • 12.16 Uhr: "Back in Contact", meldet "Rosetta" via Twitter. Die Raumsonde hat nun wieder Funkkontakt mit der Erde und mit dem Richtung Komet schwebenden Mini-Labor "Philae".
  • 11.54 Uhr: Mit dem herzigen Zeichentrickfilm "Once upon a time..." zeigt die ESA den Weg von "Rosetta" und "Philae" zum Kometen "Tschuri". Den Film auf Deutsch gibt's hier.
  • 11.25 Uhr: "'Rosetta' und 'Philae' waren zehn Jahre zusammen, nun war es an der Zeit für die Trennung", sagt Projektleiter Ulamec. Er fühle sich "erleichtert", so der Techniker im Webcast aus dem Kontrollzentrum in Darmstadt. Anhand der Telemetriedaten sei nun klar, dass die Landeeinheit definitiv alleine unterwegs ist.
  • 11.14 Uhr: Die geplante Landung wird von der ESA als Meilenstein betrachtet. Manche Experten vergleichen das Manöver sogar mit der Mondlandung 1969.
  • 10.58 Uhr: Das erste Signal von "Philae" erwartet die ESA am frühen Nachmittag, wenn die Landeeinheit einen Kommunikationskanal mit der "Rosetta"-Sonde einrichtet. "Philae" kann die gewonnenen Daten nicht direkt zur Erde senden, er muss das über "Rosetta" tun. Der Roboter wird dann Informationen über seinen "Gesundheitszustand" und erste wissenschaftliche Daten senden.
  • 10.26 Uhr: Seit ihrem Start vor zehn Jahren hat "Rosetta" mehr als 6,4 Milliarden Kilometer zurückgelegt. Auf ihrer Reise umrundete die Sonde dreimal die Erde, einmal passierte sie den Mars und begegnete zudem zwei kleinen Asteroiden.
  • 10.18 Uhr: Der Name für die Sonde "Rosetta" wurde in Anspielung auf den Stein von Rosetta (auch: Stein von Rosette) gewählt. Mit den Inschriften darauf - in Altgriechisch, Demotisch und in Hieroglyphen - konnten erstmals die ägyptischen Hieroglyphen entziffert werden. Der Stein befindet sich heute im Britischen Museum in London.
  • 10.14 Uhr: Das Weltraumlabor "Philae" befindet sich nun auf dem Weg zur Oberfläche des Kometen. Die Landung ist um etwa 17 Uhr MEZ geplant. Der Name des Landers bezieht sich auf die Nil-Insel Philae. Auf diesem Eiland war ein Obelisk gefunden worden, der in griechischer Schrift und in Hieroglyphen die Namen von Kleopatra und Ptolemäus trug und so bei der Entzifferung half. Analog dazu soll die Mission dazu beitragen, unsere kosmische Geschichte zu entschlüsseln.
  • 10.08 Uhr: In der Nacht hatte sich herausgestellt, dass sich ein Antriebssystem von "Philae" nicht aktivieren lässt. Dabei handelt es sich um eine Düse, die verhindern soll, dass die 100 Kilogramm schwere Landeeinheit von der Kometenoberfläche abprallt. Bei der Landung werden nun die Beine von "Philae" den Stoß dämpfen, während Schrauben an den Beinen sowie Harpunen den Roboter automatisch am Kometen verankern. Dennoch habe man sich für die Landung entschieden, erklärt Stephan Ulamec, der "Philae"-Projektleiter beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln.
  • 10.04 Uhr: Der erste Schritt ist geschafft: Trotz technischer Probleme mit einer Düse konnte "Philae" erfolgreich von "Rosetta" abgekoppelt werden. Erleichterter Applaus bei den Wissenschaftlern im Kontrollzentrum ESOC in Darmstadt.
  • 9.55 Uhr: An Bord der Raumsonde "Rosetta" befindet sich das in Österreich gebaute Instrument MIDAS (Micro-Imaging Dust Analysis System). MIDAS wird mithilfe eines Rasterkraftmikroskops auf einige Nanometer genau die Struktur der vom Kometen freigesetzten Staubteilchen messen und ein dreidimensionales Bild der Teilchen liefern.
  • 9.48 Uhr: Die ESA twittert: "Standby für die Trennung." Demnächst wird sich "Philae" von der Raumsonde trennen.

Ziel der internationalen Mission ist es, einen der ursprünglichsten Himmelskörper überhaupt zu erkunden: Die aus Eis, gefrorenem Gas und Staub bestehenden Kometen sind Botschafter aus der Entstehungszeit des Sonnensystems vor 4,6 Milliarden Jahren. Ihre Erforschung kann neue Erkenntnisse über die Geschehnisse in der Frühzeit von Sonne, Erde und anderen Planeten bringen. Mit der erstmaligen Landung auf einem Kometen ist nun ein Meilenstein geschafft.

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