Die Europa-Tour ist ein einziger Triumphzug. Die US-Alternative-Metaller Linkin Park tingeln derzeit quer durch die Staaten auf dem Alten Kontinent und können fast überall auf ausverkaufte Häuser bauen. Auch in Wien gesellen sich an die 16.000 Fans in die restlos gefüllte Stadthalle, um ihren Heroen zu huldigen. Was aufgrund der österreichischen Omnipräsenz der Kalifornier dabei fast unterging – es ist der erste Auftritt in der Bundeshauptstadt seit dem Gig 2001 in der altehrwürdigen Libro Music Hall. Seitdem waren Linkin Park in Graz, Linz und gefühlte 30 Mal am Nova Rock, aber eben nicht im Zentrum der heimischen Musikkunst.
Opulente Visualisierung
Nachdem sich anfangs das zukunftsträchtige US-Metalcore-Kollektiv Of Mice & Men um positive Publikumsreaktionen abstrampelt (und fast daran scheitert, weil noch Tausende Fans bei den Einlässen feststecken), beginnen Chester Bennington und Co. zwar mit leichter Verspätung, aber fulminanten Lichteffekten. Beim aus mehreren Hits zusammengeschusterten Intro werden DJ Joe Hahn und Drummer Rob Bourdon per Podest in die Höhe gefahren, flankieren damit den Rest der Band und erfahren Unterstützung von wuchtigen Videowürfeln, die während der knapp 100-minütigen Show für beeindruckende Visuals sorgen.
Linkin Park geben sich sichtlich Mühe für die optische Aufmachung, denn vor allem die Lichteffekte mit inflationärem Stroboskop-Effekt-Einsatz stechen aus dem Wulst der Großkonzerte hervor – manchmal ist das Flackern und Blinken auch schon zu gut gemeint und man kämpft gegen eine drohende Reizüberflutung. Die Band selbst hätte den optischen Zusatz in dieser Form gar nicht nötig, denn schon zu Beginn sorgen Songs wie das brandneue "Guilty All The Same" oder die Klassiker "With You" und "One Step Closer" für frenetischen Jubel.
Karriere-Querschnitt
War der durchschnittliche Linkin Park-Fan zur Jahrtausendwende noch ein von der Gesellschaft frustriertes Nu-Metal-Kid, mischen sich die Generationen nach gut 15 Jahren Bandkarriere merklich. Dadurch gibt es problemlos Befürworter für die älteren als auch für die aktuelleren Stücke. Die Band selbst bietet einen bunten Querschnitt der gesamten Karriere, selbst das von vielen Fans ungeliebte Album "A Thousand Suns", das fast Karriereselbstmord bedeutet hätte, wird mit drei Songs gestreift. Am kräftigsten grölen die Massen aber natürlich bei den Klassikern. "Numb" oder "In The End" sind solche Beispiele, die alle Zeiten überstehen und die Macht Linkin Parks im Musikbusiness wiederspiegeln.
Gold wert sind dabei vor allem die beiden Frontmänner, deren Beziehung zueinander nicht immer die beste war. Chester Bennington als dauerlaufender, stets von der Hummel im Hintern gestochener Frontmann mit Herzblut und Hingabe ist der klare Kommunikator, Mike Shinoda, wahlweise rappend, Gitarre- oder Keyboard-spielend wirkt dafür gelockerter und nahbarer. Gemeinsam bilden sie das Front-Bollwerk, das die Band von einer Kellertruppe zu Millionensellern mit mehr als 66 Millionen Facebook-Fans machte.
Bis aufs Gerippe verkürzt
Das liegt auch an den fehlenden Berührungsängsten. Der grandiose neue Song "Rebellion" kokettiert mit Pop im Metal-Gewand, den Klassiker "Castle Of Glass" verwursten sie in einer Electro-Schleife und Joe Hahns DJ-Solo erinnert an Dubstep-Partys in Discos. Querbeet kreuzt der Dampfer durch alle Genres und lässt dabei wenig unberührt. Einziger Wermutstopfen für die Die-Hard-Fanklientel: Sehr viele Songs werden bis auf ihr Gerippe gekürzt oder mit alternativen Ideenstrukturen verändert, sodass die Band möglichst viele Nummern in einem Set unterbringt. Eine zwiespältige Angelegenheit, die so manchen Fan schwer verärgert, schließlich ist ein halbes "Crawling" oder ein eingestampftes "What I've Done" nur halb so gut.
Bis zu den finalen Donnerschlägen des abschließenden "Bleed It Out" rinnt vor allem beim publikumsnahen Bennington der Schweiß in Sturzbächen vom Körper. Die völlige Hingabe und das exaltierte Bühnengehabe trösten zumindest über die abgebrochenen Songs hinweg. Dass der Sänger gerade beim Balladenteil rund um "Leave Out All The Rest" und "Shadow Of The Day" optisch und mimisch an U2s Bono erinnert, ist eine nette Randanekdote für die immer noch aufstrebenden zweifachen Grammy-Gewinner. Dass teilweise aber auch der Sound an die irischen Legenden gemahnt, überrascht kurzzeitig doch. Auf der Erfolgsleiter gilt es schließlich, noch ein paar Stufen zu erklimmen...
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