Mitten im Indischen Ozean, Hunderte Seemeilen vom Festland entfernt, ragen mächtige Granitfelsen empor: die Seychellen. Die Inselgruppe, die ein Paradies für Taucher ist, hat eine fast mystische Geschichte.
Die Seychellen bestehen aus mehr als 100 weit verstreuten Inseln. Die meisten sind nicht oder nur sehr spärlich bewohnt. Manche liegen so entlegen, dass selbst die Bewohner des Inselstaates noch nie einen Fuß auf sie gesetzt haben. Einige sind mehrere Kilometer lang, einige so klein, dass gerade eine Palme darauf Platz hat.
Wir beginnen unsere Entdeckungsreise auf der Hauptinsel Mahé. Dort lebt ein Großteil der 90.000 Einwohner der Seychellen. Bevor wir in See stechen, machen wir einen Abstecher nach Victoria. Das ist die Hauptstadt des Inselstaates. Rund um die Markthalle herrscht geschäftiges Treiben. Es riecht nach frischem Fisch und exotischen Gewürzen. Neben Lebensmitteln wird auch Kunsthandwerk feilgeboten. Die Seychellois, wie die Bewohner des Inselstaates genannt werden, sind nette Leute. Sie sprechen ein Kauderwelsch, der dem Französischen ähnlich ist.
Einen Steinwurf vom Markt entfernt steht Little Big Ben, ein kleiner Uhrturm, der dem Big Ben in London nachempfunden ist und ein Geschenk der englischen Krone war. Ebenfalls ein Blickfang in Victoria ist der kunterbunte Hindutempel. Viele Inder arbeiten auf den Seychellen, die meisten am Bau.
Da der Platz auf den Inseln knapp ist, trotzen die Insulaner dem Meer Land ab. Eden Island ist eine künstlich geschaffene Insel, die mit Mahé über eine Brücke verbunden ist. Auf ihr wurden Luxus-Häuser errichtet. Am besten lassen sie sich mit einem Boot erkunden. So kommt man an Orte, die man sonst nie zu Gesicht bekäme. Einsame Inseln, Buchten, die nur vom Meer aus zugänglich sind.
Paradies für Taucher und Naturliebhaber
Im Hafen von Victoria liegt die "Sea Bird" vor Anker. Der Zwei-Master wird eine Woche lang unser Zuhause sein. Der Kapitän heißt Jude. Zur Crew gehört ein Tauchlehrer. Die Seychellen sind ein Paradies für Taucher und Schnorchler. Einer der bekanntesten Spots ist St. Pierre, eine klitzekleine Insel. Sie ist so klein, dass man um sie herumschwimmen kann. In den Felsspalten tummeln sich Schwärme von kunterbunten Fischen. Wer Glück hat, dem begegnet sogar ein Walhai.
Riesenschildkröten waren auf den Seychellen beinahe ausgestorben. Die alten Seefahrer hatten sie zu Tausenden eingefangen und als lebende Nahrungsreserve auf ihre Schiffe gebracht. Heute gibt es auf Curieuse eine Aufzuchtstation. Von dort kann man über einen Pfad durch den Mangroven-Wald auf die andere Seite der Insel wandern.
Im Vallée de Mai auf Praslin wächst eine Kokosnuss, die die Menschen bis heute in ihren Bann zieht. Sie wurde einst an den Küsten des Indischen Ozeans an Land gespült. Weil man vermutete, sie würde am Grunde des Meeres wachsen, nannte man sie Coco de Mer. Erst anno 1768, als ein Franzose namens Brayer du Barré in Praslin an Land ging und auf einmal vor einem Wald aus Meeresnusspalmen stand, war das Geheimnis gelüftet. Der Coco de Mer werden wundersame Kräfte nachgesagt. Sie ist eine verbotene Frucht. Man darf sie nicht pflücken. Ihre Ausfuhr ist streng beschränkt.
Traumhaft schöne Strände
Der Anse Lazio auf Praslin sei der "fünftschönste Strand der Welt", weiß Kapitän Jude zu erzählen. Die Felsformationen, die die Strände säumen, machen einen glauben, man sei auf einem anderen Planeten. Beim Anse Lazio gibt es ein Lokal ohne Personal. Dort kann man Getränke aus dem Kühlschrank nehmen und muss das Geld dafür in die Kassa legen.
Unweit von Praslin liegt La Digue. Sie ist die Perle der Inselkette. Die Insel sei "mellow", sagt Jude und meint damit, dass die Uhren dort ein wenig langsamer gehen. Hektik scheint ein Fremdwort zu sein. Ochsenkarren und Fahrräder sind die Hauptverkehrsmittel. Die Strände gehören zu den schönsten der Welt. Der Anse Source d'Argent wurde durch eine Bacardi-Werbung in den 1990er-Jahren zum Inbegriff des Lebenstraums einer ganzen Generation: türkisblaues Meer, schneeweißer Sandstrand.
"Irgendwann bleib i dann dort"
Auf der anderen Seite der Insel befinden sich drei Strände, die durch kleine Feldwege miteinander verbunden sind. Der Fußmarsch ist etwas beschwerlich, doch man wird belohnt. Es verirren sich kaum Menschen dorthin. Wohl auch, weil man nicht ins Wasser gehen darf! Der Ozean lässt dort seine Muskeln spielen. Das Brechen der meterhohen Wellen wird von einem tiefen Grollen begleitet. Die Strömung ist so stark, dass sie einen sofort aufs offene Meer hinaustreibt.
Am Eagle's Nest Mountain, zu Deutsch Adlernestberg, gibt es ein kleines Lokal, das von einem Rasta betrieben wird. Mit dem Jeep geht es über einen steilen Weg hinauf auf den Berg. Dort oben kann man nicht nur gut kreolisch essen, man kann auch zuschauen, wie die Sonne am Abend ins Meer fällt.
Als wir in La Passe, dem Hafen von La Digue, das Schiff zurück nach Mahé besteigen, haben wir viel Wehmut im Gepäck. "Irgendwann bleib i dann dort", haben STS gesungen. Noch nie war die Sehnsucht danach so groß.
Ernst Grabenwarter, Kronen Zeitung
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