Eigentlich hätte es der "Explosions-Polka" von Johann Strauß Sohn gar nicht bedurft. Mehta, der sein bereits fünftes Neujahrskonzert dirigierte, legte sich mit dem ersten Ton der Ouvertüre zum Lustspiel "Ein Morgen, ein Mittag, ein Abend in Wien" derart ins Zeug, als gäbe es kein Gestern und kein Morgen. Der eigenen Laufbahn des gebürtigen Inders und gelernten Wieners war dieser erste Teil des Neujahrskonzerts gewidmet: Von den "Märchen aus dem Orient" (Johann Strauß Sohn), die seinen traumhaften Aufstieg bebildern sollten über sein "Wiener Leben" (Eduard Strauß) bis zu den "Dorfschwalben aus Österreich" (Josef Strauß).
Philharmoniker nippen am Schaumwein
Mehta peitschte das ihm so vertraute Orchester - sein erstes Neujahrskonzert dirigierte er 1990 - durch das Repertoire und bewies dennoch viel Gefühl, das überwiegend aus dem Bauch zu kommen scheint. Waren in den vergangenen Jahren die besonnenen Denker, Charmeure und Neugestalter an der Reihe, steht mit dem 78-jährigen Mehta wieder jemand am Pult, der diese Musik lediglich feiern will, wenn auch auf höchstem Niveau. Und als ob es noch eines Beweises bedurft hätte, nippten ausgewählte Philharmoniker nach dem "Champagner-Galopp" des Dänen Hans Christian Lumbye, dem "Strauß des Nordens", an einem Glas Schaumwein. Mehta beließ es bei Wasser.
"et cetera, et cetera, et cetera"
Thematisch wurde es im zweiten Teil akademisch - wenn auch nicht weniger flüssig. Zur "Studentenpolka" und "Wein, Weib und Gesang" von Johann Strauß Sohn jagte Choreograf Davide Bombana in der TV-Übertragung die Solisten des Wiener Staatsballetts durch die Universität Wien, die ihr 650-Jahr-Jubiläum begeht. Die 200 Jahre alte Technische Uni (TU) wurde mit Eduard Strauß' Polka "Mit Dampf" und Johann Strauß Sohns "Accelerationen" bedacht, weiters gab es die "Elektro-magnetische Polka" und zum 26. Mal das "Perpetuum mobile", dessen eigentlich nicht existentes Ende Klangingenieur Mehta mit den Worten "et cetera, et cetera, et cetera" einläutete.
Aber auch eine Rarität wurde abermals von den Philharmonikern einem Millionenpublikum vorgestellt: "An der Elbe" war der letzte Walzer, dessen Uraufführung Johann Strauß Sohn persönlich dirigierte - und Mehta der erste Dirigent, der diesen bei einem Neujahrskonzert mit gewohnt großer Geste zur Aufführung brachte. Ein echter Schlager wurde mit der "Annen-Polka" dem Publikum dargeboten, noch lebenslustiger, noch beschwingter, und vor allem noch lauter als man es bisher kannte. "Mit Chic" von Eduard Strauß verabschiedeten sich Orchester und Dirigent offiziell, um beinahe nahtlos in den Zugabenteil überzugehen.
"Explosions-Polka" mit Konfettiregen
Und die gewohnte Kür hatte es in sich: Mit dem Schlussakkord der "Explosions-Polka" ertönte nicht nur ein ohrenbetäubender Knall, ein Konfettiregen rieselte über das Publikum, das schließlich mit dem traditionellen Walzer "An der schönen blauen Donau" die Neujahrswünsche des Orchesters entgegennehmen konnte. Und beim "Radetzky-Marsch" versuchte Mehta ein Kunststück: Das zu diesem Zeitpunkt bereits völlig entfesselte Publikum nach Rängen getrennt mitklatschen zu lassen. Dieses bedankte sich nicht nur für diesen musikalischen Vertrauensbeweis, sondern für einen Jahresbeginn, der sämtliche vergangenen Krisen und Konflikte kurz vergessen ließ.
Der ORF sorgte auch in diesem Jahr wieder dafür, dass jeder weiß, wo die Sträuße zu Jahresbeginn blühen. Zum 57. Mal wurde das Großereignis weltweit übertragen, 50 Millionen Menschen in 90 Länder wurden erreicht, 14 HD-Kameras waren im Einsatz. Und der Pausenfilm zeigte abermals die schönsten Seiten von Wien und machte neugierig auf ein weiteres anstehendes musikalisches Highlight in der Stadt - den Song Contest.
Mariss Jansons dirigiert Neujahrskonzert 2016
Nach dem Neujahrskonzert ist vor dem Neujahrskonzert - und so steht der Dirigent für das musikalische Groß-Event 2016 bereits fest: Mariss Jansons wird am 1. Jänner des kommenden Jahres am Pult der Wiener Philharmoniker im Goldenen Saal des Musikvereins stehen, teilte das Orchester am Donnerstag mit. Der Auftritt wird der dritte Einsatz des Letten beim Neujahrskonzert sein.
Der bald 72-jährige Dirigent, der am 14. Jänner seinen Geburtstag feiert, hatte bereits 2006 und 2012 den Taktstock am Pult der Philharmoniker geschwungen. Ihm wird nun die Ehre gebühren, das 75-jährige Jubiläum des Neujahrskonzertes zu leiten. Der neue Philharmoniker-Vorstand Andreas Großbauer zeigte sich von der Einladung an Jansons auch persönlich berührt: "Mein allererstes Neujahrskonzert habe ich 2006 unter Mariss Jansons gespielt. Es war für mich ein außerordentlich bewegendes Konzert und nun blicke ich mit großer Freude auf die kommenden Monate unserer gemeinsamen Vorbereitungen."
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