Es gibt sie noch, die hemdsärmeligen Rockbands, deren musikalische Erziehung tief in die 60er- und 70er-Jahre zurückreicht, die von dort ihre Inspiration erhalten und den "echten" Sound des Blues, Rock, Jazz, was auch immer in die Gegenwart weitertragen. Gov't Mule gehören seit mittlerweile 20 Jahren zu den Paradebeispielen eben erwähnter Combos und lassen seit der Jahrtausendwende faktisch im Jahrestakt neue Musik auf ihr stetig wachsendes Publikum los.
Tausendsassa
Mit dem 54-jährigen Frontmann Warren Haynes hat die US-Band aber auch einen Ausnahmegitarristen in ihren Reihen, der nicht nur vom Fachmagazin "Rolling Stone" auf Platz 23 der 100 größten Gitarristen gewählt wurde, sondern auch noch bei den legendären Allman Brothers und The Dead, der Nachfolgeband der kultigen Grateful Dead, in Lohn und Sold steht.
Bei Gov't Mule erschließt sich die Magie der Musik aber vornehmlich nicht durch Tonträger, sondern durch die einzigartigen Live-Auftritte. Rund 300 Songs hat die Band angeblich im Repertoire, kann spontan darauf zurückgreifen und macht somit jedes einzelne Konzert zu einem speziellen Erlebnis. In Zeiten von illegalen Downloads und Streaming-Plattformen kaum zu glauben – die Band erlaubt ihren Fans auch das Mitschneiden für private Zwecke und stellt jedes einzelne Konzert kostenfrei auf der Homepage zur Verfügung.
Mule meets Floyd
Was die Amis jetzt aber rund um den Jahreswechsel zum großen Jubiläum auffahren, übertrifft wohl die kühnsten Erwartungen. Den Beginn der opulenten Livematerial-Veröffentlichungsserie macht die pompöse 3-CD/DVD-Megapackung "Dark Side Of The Mule", bei der die Band neben eigenem Material einen etwa eineinhalbstündigen Pink-Floyd-Querschnitt abliefert. Aufgenommen wurde das Ganze in Boston bereits 2008, womit die Band auch die Zeitlosigkeit des Materials widerspiegelt.
Thematisch schlagen Haynes und Co. auf "Dark Side Of The Mule" einen großen Bogen über mehrere Floyd-Karrierephasen, schaffen es aber durch das technische Können problemlos, alles aus einem Guss klingen zu lassen. Hervorragend etwa das Gitarrenspiel von Haynes auf "Pigs On The Wing, Pt. 2", der Gesang von Drummer Matt Abts auf "Have A Cigar" oder der atmosphärisch dichte Spannungsaufbau bei "On The Run", der sich dann in einer entfesselnden Version von "Time" fortsetzt.
Emanzipation der Songs
Die Krux, zu nahe an den Floyd-Originalversionen zu sein, können auch Gov't Mule nicht gänzlich umschiffen, doch gerade in eingängigeren Stücken wie "Shine On You Crazy Diamond" oder "Comfortably Numb" erschafft Haynes durch seine ausdrucksstarke Stimme sein ganz eigenes Klangprisma, wodurch sich die Songs nicht zuletzt auch durch Background-Vocals und instrumentale Spielereien etwas vom Original emanzipieren können.
Neben den beiden Pink-Floyd-Scheiben spielte die Band an diesem Konzertabend auch knapp eineinhalb Stunden eigenes Material und überzeugte mit Songs wie "Brighter Days" oder "Child Of The Earth" auf allen Linien. Kaum zuvor gelang es jemanden, Blues-, Southern- und Classic-Rock so mühelos ineinanderfließen zu lassen, ohne dabei über die Genregrenzen zu stolpern. Was das Paket zusätzlich noch wertig macht? Es war der erste zweite Auftritt des damals neuen Bassisten Jorgen Carlsson, das Werk wurde Pink-Floyd-Legende Rick Wright gewidmet und eine beiliegende DVD zeigt den Drei-Stunden-Gig in seiner ganzen Pracht.
Fans und Liebhaber bodenständigen Rocks sollten sich übrigens noch ein paar Euro sparen, denn Gov't Mule legen im Winter noch zweimal nach. Ende Jänner erscheint das Jazz-Rock-Ungetüm "Sco-Mule", das zwei 1999er-Auftritte mit John Scofield beinhaltet. Zudem zählten die Shows zu den letzten mit dem 2000 verstorbenen Original-Bassisten Allen Woody. Mitte März wird das Jubiläums-Livepaket mit "Dub Side Of The Mule" abgeschlossen. Hier kann man sich von den Reggae-Qualitäten der Band überzeugen und einem Gastauftritt von Gregg Allman beiwohnen. Fehlt eigentlich nur mehr ein Österreich-Livetermin…
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