Hype aus England

Royal Blood, die neuen Hipster des Rock ‘n’ Roll

Musik
23.01.2015 20:06
Von null auf eins in den englischen Album-Charts, ausverkaufte Konzerte in ganz Europa und eine vor der Tür stehende US-Tour mit den Rock-Größen Foo Fighters - das Zwei-Mann-Duo Royal Blood aus der britischen Hafenstadt Brighton gehört zu den größten Senkrechtstartern des Jahrzehnts und macht Rock-Fans in Zeiten inflationärer Electro-Dance-Tracks Hoffnung auf Handgemachtes in den Mainstream-Charts. Der Versuch einer Hype-Erklärung.
(Bild: kmm)

Es ist diese Art von Selbstsicherheit, die nur Senkrechtstarter an den Tag legen können. Menschen, die im ICE-Tempo von null auf hundert rasen und dabei keine Sekunde daran denken, auf die Bremse zu drücken oder Kurven zu fahren. Auf der gemütlichen Ledercouch im Backstage-Bereich der Wiener Arena sitzen an einem sonnigen Winternachmittag Mike Kerr und Ben Thatcher. Die Oberkörper in Kapuzenpulli und Lederjacke gehüllt, die Frisuren sitzen, der Schmäh auch. "Die Leute wissen mittlerweile, wer wir sind. Gerade deshalb hören sie genau hin." Damit hat Sänger und Bassist Kerr natürlich recht. Er ist der Frontmann und das Sprachrohr der Rocker Royal Blood. Seine süffisant-sarkastische Art nimmt man ihm zu keinem Zeitpunkt böse, vielmehr realisiert er nach einem Jahr ohne Karrieregrenzen, dass sich mittlerweile auch schon vieles wiederholt.

Das Uncoole cool gemacht
"Wenn wir auf Tour sind, wachen wir auf, duschen und erklären Journalisten den ganzen Tag, warum wir nicht die White Stripes sind. Dann essen wir ein paar Sandwiches, legen unsere alten Celine-Dion-Platten auf und erklären noch ein paar Leuten, warum man auch zu zweit eine Band haben kann." Die tägliche Routine des Hypes übertüncht Kerr gerne mit britischem Humor. Kein Schmunzler entkommt ihm, wenn er das Alltagsleben eines Shootingstars mit markigen Sprüchen auflockert. Doch im Schmäh steckt auch viel Wahrheit. In vielen Interviews haben beide schon zugegeben, von Hip Hop über Celine Dion bis hin zu den Backstreet Boys eine riesige Bandbreite an musikalischen Vorlieben zu haben. Bei Royal Blood wird das Uncoole cool gemacht – vielleicht verwundert es auch deshalb nicht, dass Drummer Thatcher mit zarten 26 Jahren bereits verheiratet ist und so ganz und gar nicht den gängigen Rockstar-Klischees entspricht.

Dass man die Jungs in Fachkreisen gerne als die "Hipster des Rock 'n' Roll" bezeichnet, findet Kerr gut. "Ich finde das sehr großzügig von den Menschen", lässt er wissen, nur um danach wieder eine Pointe nachzuschieben, "uns Hipster zu nennen, obwohl wir einen offensichtlich schrecklichen Kleidungsstil haben, ist wirklich schmeichelhaft." Kerr ist ein Technik-Nerd, verzerrt seinen Bass im Studio und auf der Bühne so extrem, dass er wie eine Gitarre klingt, und weicht dennoch jeder Frage galant aus, warum er denn nicht gleich Gitarren spiele.

"Out Of The Black" und "Little Monster" waren die ersten wuchtigen Lebenszeichen der Band – mit dem Release des Debütalbums "Royal Blood" im August 2014 und der Single-Auskoppelung "Figure It Out" schafften Kerr und Thatcher endgültig den flächendeckenden Durchbruch. Das Geheimrezept? Die Liebe zur Musik, die richtige Dosis Rock 'n' Roll im Blut und vielleicht auch die Tatsache, den passenden Moment erwischt zu haben, in Zeiten übersteuerter Electro-Dance-Tracks und gleichförmiger Indie-Klangteppiche mit roher Instrumentengewalt in die Charts zu rauschen.

Bluthunde im Feuersturm
Arctic-Monkeys-Drummer Matt Helders rannte 2013 schon vor der ersten Royal-Blood-Single im Band-Shirt über das Gelände des Glastonbury-Festivals – nur eineinhalb Jahre später bekam das Duo Kabinenbesuch von Led-Zeppelin-Legende Jimmy Page, schäkerte mit Metallica-Drummer Lars Ulrich und wurde von Dave Grohl eingeladen, mit den Foo Fighters durch Amerika zu touren – natürlich nicht, ohne vorher zweimal im restlos ausverkauften Wembley Stadion aufzugeigen.

Den sich fast täglich erweiternden Superlativen sehen die beiden dennoch gelassen entgegen. "In erster Linie freuen wir uns auf die Japan- und Australien-Tour im Frühling. Singapur wird der Hammer", kann Thatcher seine Vorfreude nicht verbergen. Mit seinem "Buddy" Kerr auch kein Wunder, kennen sich die beiden doch schon seit gut zehn Jahren. "Wie wir zusammenarbeiten, das hat schon etwas von Wahnsinn", erklärt Kerr den chaotischen Arbeitsprozess, "es ist irgendwie so, als würden sich zwei Hunde bis aufs Blut in einem Feuersturm bekämpfen."

Die Ideen werden hin- und hergeworfen, es gibt kein definitives letztes Wort und "wenn ein Song passt, dann wird er aufgenommen und fertig". Wie fühlt es sich an, so eng befreundet zusammen berühmt zu werden? "Das siehst du ja", lacht Thatcher bei einer seiner seltenen Wortmeldungen, "wir tragen die Kleidung des anderen und machen uns gegenseitig die Haare." "Außerdem", fügt Kerr bei, "ist es ein Unterschied, ob du ein Celebrity oder ein bekannter Musiker bist. Wir haben das große Glück, dass die Musik größer ist als wir als Personen." Mit dem Debütalbum in den britischen Album-Charts von null auf eins einzusteigen und zudem auch noch am heiß umkämpften US-Markt mehr als eine respektable Duftnote zu setzen, ist dennoch herausragend. Für Mike Kerr aber dennoch nicht lebensverändernd. "Im Prinzip ist es eine Verkaufsstatistik. Natürlich ist sie sehr ermutigend, aber es ist deshalb nicht so, dass ich deshalb ein teures Auto sehe und es sofort einpacken muss."

Gummibären in Warschau
So mysteriös wie der überbordende Erfolg sind auch die teils persönlichen Lyrics, die Kerr aber keinesfalls erklären möchte. "Napoleon gab doch auch keine Erklärung ab als er am Erobern war, und einen Film siehst du dir meistens an, ohne die komplette Handlung zu kennen." Thatcher zitiert dahingehend sogar aus dem großen Rock-'n'-Roll-Almanach. "Dave Grohl sagte einmal: 'Ich singe meine Songs vor 85.000 Menschen und 85.000 Menschen singen die Songs zurück. Das Schönste daran ist, dass das jeder aus einem anderen Grund macht.'" Dass bei Royal-Blood-Shows die Post abgeht, versteht sich ob des offensiven Sounds von selbst. Trotz der zahlreichen "Sold Out"-Schilder an den Venue-Türen gibt es immer noch gute und noch bessere Shows. "Unlängst waren wir in Warschau", erzählt Kerr mit leuchtenden Augen, "das hab ich noch nie gesehen. Da ging es ab, so als ob dort alle auf einem irren Speed-Trip gewesen wären." Thatcher ergänzt lachend: "Als ob die dort den ganzen Tag davor Gummibären gegessen hätten."

Wie es sich für musikalische Durchstarter geziemt, arbeiten die beiden Freunde auch schon fleißig an neuem Material und denken dabei keine Sekunde daran, zusätzliche Mitglieder in die Band zu integrieren. Der Erfolgsdruck wird nach dem fulminanten Karrierestart zunehmen und es bleibt abzuwarten, ob Royal Blood auf dem zweiten Album noch einmal eine derart frische Mixtur aus Garage Rock, Blues-Zitaten und juveniler Unbekümmertheit gelingt. Die Einstellung ist die richtige. "Wir werden einfach weiter in der Spur bleiben", schließt Kerr das Gespräch mit einem verschmitzten Lächeln, "und dabei schauen, was passiert." Schließlich haben sie ihre Karriere auch bislang so geführt.

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