Wenn Paul Sahner seinen Mercedes Oldtimer vor dem Münchner Fünf-Sterne-Tempel "Bayerischer Hof" parkt und die Lobby betritt, zieht er auch mit 70 noch immer alle Blicke auf sich. Hallöchen hier, Küsschen da. "Kommen Sie, Herr Sahner, wir haben das Ministerzimmer für Sie reserviert!" Der Starreporter wird hofiert wie ein Star.
"Krone": Macht Udos Tod Sie traurig, Herr Sahner?
Paul Sahner: Ja, weil mit ihm auch ein Stück meines Lebens zu Ende geht. Ich vermisse ihn als Künstler und als Mensch. Das Buch ist, ohne jetzt kitschig werden zu wollen, eine Verbeugung vor ihm.
"Krone": Ihnen hat Udo im Lauf der Jahre Dinge anvertraut, die er vielleicht niemals einer Frau erzählt hätte. Warum?
Sahner: Sie spielen bestimmt auf mein "Penthouse"-Interview an, in dem er mit mir über Sex gesprochen hat, über seinen "kleinen Freund", den er mit dem Kopf nicht steuern konnte, der einfach machte, was er wollte. Die "Bild"-Zeitung konnte sich damals gar nicht mehr beruhigen. Udo hat von der Eindeutigkeit dieses Gesprächs aber nie etwas zurückgenommen.
"Krone": Gab es auch Geschichten, die er Ihnen übel genommen hat?
Sahner: Ja, zum Beispiel, dass Corinna mir ihr Verhältnis mit Ronald Schill gebeichtet hat. Das war für ihn eine ganz herbe Schlappe, da fühlte er sich in seiner Männlichkeit verletzt. "Wenn es wenigstens Joschka Fischer gewesen wäre!", meinte er – Schill war unterste Schublade.
"Krone": Zwei Ehen, vier Kinder, unzählige Affären: Haben ihn die Frauen glücklicher gemacht?
Sahner: Udo entfloh eigentlich Zeit seines Lebens der Einsamkeit, und bei der Suche nach dem kurzen, flüchtigen Glück haben ihm die Frauen – ein paar Hundert waren es sicher – geholfen. Er hat mir einmal gesagt, dass er aufgehört habe, sie zu zählen. Treue war jedenfalls nicht sein Ding.
"Krone": Seine beiden Ehefrauen Panja und Corinna waren 16, als Udo sie kennenlernte, die Mutter seiner Wiener Tochter Gloria ebenfalls. Wie erklären Sie sich, dass er sich zu sehr jungen Frauen hingezogen fühlte?
Sahner: Ihm gefiel ihre jugendliche Neugier. Er hat aber auch ältere Frauen verehrt, so wie Sabine Christiansen oder Aenne Burda. Die Frauen liebten ihn. Dabei sah Udo sich immer als Gejagter, nie als Jäger. Er war immer der, der verführt wurde, und er genoss das. So etwas kannten wir damals nur von englischen und amerikanischen Rockstars. Allerdings flogen bei Udo statt Höschen rote Rosen auf die Bühne. Vor der Garderobe standen die Frauen danach Schlange – Frauen, die seine Töchter, manchmal auch seine Enkelinnen hätten sein können. Er war eine charismatische Erscheinung, und sehr sexy.
"Krone": Konnte er Nähe ertragen?
Sahner: Er bevorzugte kurze Beziehungen, vielleicht wirklich nur für eine Nacht. Udo meinte, er sei mit sich im Reinen, weil er keiner Frau wehgetan habe. Aber ich glaube, der Gedanke, was diese junge Frau jetzt denkt, hat ihn schon auch zerrissen. Andererseits wusste er ja, dass hinter der nächsten Bühne schon die Nächste auf ihn wartete.
"Krone": Sie haben die wilden 68er in Schwabing mit ihm erlebt. Welche Erinnerungen haben Sie daran?
Sahner: "Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment" lautete damals das Motto. Udo gefiel das. "Zur Sache, Schätzchen" war ein Kultfilm, und abends ging man in Klubs, wo die Tüten immer größer und die Nächte immer länger wurden. Alle haben mitgekifft – Udo nicht. Er meinte, er hätte schon zu viele Kaputte erlebt. Je erfolgreicher Udo wurde, desto berauschter war er von sich selber.
"Krone": Hat sich das im Alter verändert?
Sahner: Zu seinem 70. Geburtstag sagte er mir: "Ich kann noch immer jede haben, es funktioniert noch alles." Seine Sturm-und-Drang-Zeit dauerte ja auch fast 70 Jahre. Mit zunehmendem Alter wurde er aber immer nachdenklicher. Nach der Tournee wollte er nach Portugal gehen, entspannen, zur Ruhe kommen. Das war auch der Zeitpunkt, an dem er mit Michaela Moritz, die sein Buch aufgezeichnet hatte, glücklich war.
"Krone": Passt diese Frau, die er immer vor der Öffentlichkeit geschützt hat, in das Schema, das Sie von Udo Jürgens kennen?
Sahner: Irgendwie doch. Udo war wie ein Matrose, der in jedem Hafen eine andere hat. Aber irgendwann kehrte er zurück in seinen Heimathafen, wo eine Frau auf ihn wartete, die er seit 40 Jahren kannte. Ich glaube, dass er als glücklicher Mann gestorben ist. In Deutschland fühlte er sich auch in der Hochkultur angekommen, weil immer mehr kluge Köpfe seine Nähe suchten.
"Krone": Udo Jürgens war Atheist. War das ein Thema zwischen Ihnen?
Sahner: Ja, immer wieder. Ich hab ihm einmal von meiner Mutter erzählt, die Demenz hatte und nichts mehr hinkriegen konnte, aber in der Stunde ihres Todes fing sie plötzlich an, Marienlieder zu singen und in völlig normalen Sätzen zu sprechen. "Engelein, huhu, ich komme!" Er war vollkommen unbeeindruckt und meinte: Schön für deine Mutter! Umso berührender fand ich, dass Udo zur Erstkommunion seiner Tochter Gloria kam, als bekennender Atheist.
"Krone": Sein Herzinfarkt am Bodensee, war es ein schöner Tod?
Sahner: Der beste und gnädigste Tod, den er sich wünschen konnte. Er hat mir manchmal erzählt, wie sehr er sich davor fürchtet, eines Tages nur noch dahinzusiechen. Eine schönere Form zu sterben wäre nur noch auf der Bühne gewesen.
Ab Donnerstag haben Udo Jürgens' Fans die Möglichkeit, sich in Wien von ihrem Idol zu verabschieden. Jürgens' Urne ist am Donnerstag von 11 bis 18 Uhr und am Freitag von 8.30 bis 18 Uhr in der Volkshalle im Rathaus aufgebahrt. Im Wiener Rathaus liegt zusätzlich ein Kondolenzbuch auf. Darin können sich die Trauergäste mit einem Abschiedsgruß verewigen.
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