Riesige Wolkenkratzer auf der einen, unendliche Baustellen auf der anderen Seite: Das Zentrum von Doha gleicht einer Science-Fiction-Stadt. Kräne und Absperrgitter soweit das Auge reicht. Für die derzeit laufende Handball-WM (mit über 200 Millionen Budget die teuerste aller Zeiten) wird kräftig die Werbetrommel gerührt: Es gibt nur wenige Skyscraper in Katars Hauptstadt auf der kein Transparent mit der Aufschrift "Live it, win it" zu finden ist.
Busfahrer ohne Orientierung
Drei pompöse Sporthallen wurden für das Großereignis gebaut. Die größte in Lusail steht mitten in der Wüste, rundherum herrscht gähnende Leere. Eine dreiviertel Stunde fährt man mit dem Shuttle vom Zentrum, ohne Verkehrsstau, zur Lusail Multipurpose Hall, in der 15.300 Zuseher Platz finden. Vorausgesetzt der Fahrer findet den richtigen Weg. Die Bus- und Taxifahrer in Katar sind nämlich meist ortsunkundig. Der Großteil davon sind Gastarbeiter aus Afrika oder Südostasien. Während der WM befördern sie zweieinhalb Wochen lang Journalisten zwischen Hallen und Hotels hin und her. Die unbekannten Strecken sind für die Busfahrer schwer genug zu bewältigen, die unzähligen Baustellen ein zusätzliches Hindernis. Mehrmals muss ein Journalist am Beifahrersitz mit Navigationsgerät nachhelfen.
Leere Hallen, gekaufte Fans
Bei den Einheimischen hält sich das Interesse für die Handball-WM in Grenzen. Gerade einmal 300 Zuseher waren bei der Partie zwischen Österreich und Iran in der Al-Sadd-Halle. Auch bei den Spielen der katarischen Mannschaft war die Halle in Lusail halb leer. Für die Kataris kein Problem: so kauft man sich die Fans einfach. Geld spielt schließlich keine Rolle. Auf Einladung von Staatsoberhaupt Scheich Emir feuern rund 60 Fans aus Spanien die Gastgeber-Mannschaft Katar an. Sie wurden mit Flug, Hotel und Eintrittskarten bezahlt, um ein bisschen Stimmung in die Halle zu bringen.
Jedes Jahr eine WM
Dass Katar, flächenmäßig so groß wie Tirol, gleich mehrere sportliche Großereignisse an Land gezogen hat, sorgt für Aufregung und Korruptionsvorwürfe. Bereits im Dezember 2014 wurde hier die Schwimm-Kurzbahnweltmeisterschaft ausgetragen, die Handball-WM ist das zweite Großprojekt. Im nächsten Jahr wird die Rad-WM in Doha Station machen und 2017 soll auch ein Formel-Grand Prix stattfinden. Noch vor der umstrittenen Fußball-WM werden eine Turn-WM (2018) und Leichtathletik-WM (2019) in Doha über die Bühne gehen. Olympische Sommerspiele sind ebenfalls in Planung.
Bauwahnsinn
Auf den Autobahnen scheppern rund um die Uhr hunderte LKW's, bepackt mit Schutt und Sand, um die Baustellen beliefern. Dazwischen tummeln sich vollbesetzte Busse in denen müde Arbeiter sitzen. Der Bauwahnsinn für die zwölf Stadien der Fußball-WM 2022 ist längst im Gange. Sicher ist so viel: Auf den Baustellen schuften keine Kataris. Meist sind es Einwanderer aus Indien und Pakistan, die auf den Baustellen eingesetzt werden. Menschenrechtsorganisationen reagieren empört über die Zustände der Arbeiter, die im Sommer bei 50 Grad ihre Arbeit verrichten müssen.
Katar bestreitet diese Vorwürfe, Einblicke dazu gewähren die Einheimischen aber nur ungern. So wurden im Oktober 2013 zwei deutsche Journalisten in Doha verhaftet, weil sie über die Bedingungen der Arbeiter berichteten. Fotografieren auf den Baustellen ist nicht erlaubt, zusätzlich sind Schilder mit Aufschrift "No Visitors" angebracht. Ebenfalls für die Fußball-WM 2022 wird ein riesiges U-Bahn-Netz mit vier Linien und ein landesweites Schienennetz für Züge über insgesamt 325 Kilometer angelegt.
Elf Euro für ein Bier
Doch was hat Doha nun für Touristen zu bieten? Empfehlenswert sind das Museum für islamische Kunst bei freiem Eintritt und ein Besuch auf dem Souq Waqif, dem bekanntesten Straßenmarkt der Hauptstadt. Lokale oder Bars sind eher schwer zu finden. Für ein Bier zahlt man umgerechnet elf Euro – ein teurer Spaß für europäische Gäste. Auch Fußgänger haben es in Doha nicht einfach, Gehwege sind spärlich gesät und die Badestrände liegen weit außerhalb. Katars Hauptstadt hat andere Vorstellungen von Tourismus als beispielsweise Dubai. Hier gibt es noch viel Luft nach oben. Geld ist ja genug da.
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