ElBaradei teilt aus:

“Viele Muslime fühlen sich wie Dreck behandelt”

Ausland
25.01.2015 08:54
Friedensnobelpreisträger Mohamed ElBaradei gibt dem Westen eine Mitschuld an der wachsenden Bedrohung durch den islamistischen Terror. Viele Muslime fühlen sich "vom Westen wie Dreck behandelt", sagte der frühere Chef der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) der "Presse am Sonntag". "Wir müssen verstehen, warum diese Menschen keine Dalai Lamas werden, sondern Selbstmordattentäter."

Viele Muslime in Staaten wie Afghanistan, Syrien, Libyen oder Palästina hätten "dieses Gefühl der Erniedrigung", erläuterte der frühere ägyptische Vizepräsident. "Das ist keine Ausrede. Was in Paris geschah, ist grässlich. Aber Dschihadisten sind leicht zu rekrutieren in diesem Umfeld. (...) Wenn selbst aus Österreich 160 Leute in den Dschihad ziehen, dann muss man doch die Zeichen erkennen: Das Problem wird schlimmer."

Kritik an den USA: Förderung des Islamismus
Ohne sie direkt zu nennen, warf ElBaradei den USA vor, den Islamismus gefördert zu haben. "Jetzt sagen alle: Oh Gott, wir haben IS. Aber wer schuf IS? Wer öffnete der Religion die Tür in die Politik? Schauen Sie sich Afghanistan an: Wer unterstützte die Mudschaheddin gegen die Russen?" Es könne "viel verändern, wenn die Menschen in Afghanistan oder Indien das Gefühl haben, dass wir uns um sie kümmern", betonte der ägyptische Diplomat. "Wenden wir keine Gewalt an, unterstützen wir keine repressiven Regime."

"Wenn ein Nigerianer getötet wird, scheren wir uns nicht"
ElBaradei kritisierte auch die unterschiedlichen Maßstäbe im Umgang mit Terroranschlägen. Der Angriff auf die französische Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" sei zwar "schrecklich", doch gleichzeitig habe die Extremistengruppe Boko Haram 2.000 Menschen in Nigeria getötet. Niemand habe diese 2.000 Toten erwähnt. "Bei einem Anschlag auf Franzosen dreht die Welt durch. Aber wenn ein gewöhnlicher Nigerianer getötet wird, scheren wir uns nicht darum."

Der langjährige Generaldirektor der Internationalen Atomenergieorganisation macht sich in seiner Heimat Ägypten für Demokratisierung und Liberalisierung stark, nach dem Sturz des islamischen Präsidenten Mohammed Mursi im Juli 2013 war er kurzzeitig auch Vizepräsident der von den Militärs eingesetzten Regierung. Eigenen Angaben zufolge trat er zurück, weil er nichts mit dem Einsatz von Gewalt gegen die Anhänger Mursis zu tun haben wollte.

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