Album-Rezension

Bob Dylan wandelt durch Frank Sinatras Songbuch

Musik
31.01.2015 13:00
Das Album "Shadows In The Night" ist nicht das erste von Bob Dylan mit ausschließlich Fremdkompositionen. Aber dass der mittlerweile 73-jährige Ausnahmekünstler Lieder aus dem "großen amerikanischen Songbuch" interpretiert, kann durchaus aus Novität bezeichnet werden. Und Dylan macht das auf seine Art einfach großartig.
(Bild: kmm)

"Shadows In The Night" wurde im Vorfeld als "Dylan singt Frank Sinatra" bezeichnet, was nicht falsch, aber auch nicht ganz korrekt ist. Denn viele der zehn enthaltenen Songs wurden von Größen wie Frankie Lane ("That Lucky Old Sun") oder Edith Piaf ("Autumn Leaves") interpretiert, bevor Sinatra seine Versionen aufnahm. So gut wie alle Stücke stammen aus der Feder renommierter Komponisten, lediglich bei "I'm A Fool To Want You" wird Sinatra als Mit-Schreiber angeführt.

Hits nicht wichtig
Doch Sinatra hat alle diese Lieder gesungen, bei "Why Try To Change Me Now" etwa oder eben "I'm A Fool To Want You" war er auch der erste Interpret. Nicht immer landete "The Voice" mit den von Dylan für sein jüngstes Projekt ausgewählten Songs auch Hits. Doch darum geht es Dylan ja prinzipiell nicht.

Brachte Dylan auf seinen früheren reinen Cover-Platten "Good As I Been To You" und "World Gone Wrong" (1992 bzw. 1993) hauptsächlich traditionelle Folk-Songs in akustischen, an den frühen Dylan erinnernden Versionen, so ging er für "Shadows In The Night" einen anderen Weg. Sämtliche Originalarrangements (meist für Orchesterbegleitung) wurden einem Rockband-Gefüge angepasst. "Es gibt keine Streicher, keine Bläser und keine Background-Gesänge", berichtete Rob Stringer von Columbia Records. Dylan habe einen Weg gefunden, "diese alten Lieder mit neuem Leben und zeitgenössischer Relevanz zu füllen".

Wie in alten Zeiten
Dylan ging dabei so vor, wie man in den 30ern, 40ern, 50ern Platten aufnahm: Meist wurde der erste Take, manchmal der zweite genommen, erzählte Dylan in einem Statement zur Veröffentlichung. Es habe keine Overdubs gegeben, der Großteil sei noch während des Aufnehmens gemixt worden. "Shadows In The Night" hat dem Konzept entsprechend eine klassische LP-Spieldauer von rund 35 Minuten - und einen herrlichen Klang.

Es wäre falsch, Dylans Interpretationen in Konkurrenz zu manch gefälligen orchestralen Vorgängerfassungen zu verstehen. Er hat seine eigenen Version geschaffen. Dylan singt ja auch nicht geölt wie ein Sinatra, aber er "verkrächzt" die Lieder nicht, er singt sanfter und geschmeidiger als auf seinen Spätwerken und (besonders) als auf der Bühne.

Fokus auf das Wesentliche
Geisterhaft wandelt Dylan durch das Songbook, eingebettet in wunderbare Musik, die man am besten in dunklen Nächten hört. Die Pedal-Steel-Gitarre verpasst den Balladen eine richtig dosierte Portion Sentimentalität, Bläser kommen nur sehr dezent zum Einsatz. Würde man von den Originalen nichts wissen, könnte man das alles für "Dylan pur" halten, weit entfernt vom vermeintlich "leichten Stoff". Der Meister präsentierte die großen Lieder ohne Firlefanz, reduziert auf das Wesentliche.

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