Deutsches Urteil

“Todespfleger” zu lebenslanger Haft verurteilt

Ausland
26.02.2015 21:23
Ein womöglich für eine ganze Serie von Patiententötungen verantwortlicher ehemaliger deutscher Krankenpfleger ist im niedersächsischen Oldenburg zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden. "Sie haben Menschen zu Objekten degradiert", sagte der Vorsitzende Richter Sebastian Bührmann am Donnerstag bei der Begründung. In den Taten komme "eine Unmenschlichkeit zum Ausdruck, die Angst macht".

Das Gericht verurteilte den früheren Pfleger Niels H. unter anderem wegen zweifachen Mordes und zweifachen versuchten Mordes. Es sah es als erwiesen an, dass der 38-Jährige zwischen 2003 und 2005 während seiner Arbeit auf einer Intensivstation des Klinikums Delmenhorst fünf Patienten eigenmächtig ein hochwirksames Präparat verabreicht hatte, um lebensbedrohliche Zustände herbeizuführen und anschließend seine Fähigkeiten zur Reanimation unter Beweis zu stellen.

"Spiel auf Leben und Tod"
Die Patienten starben, allerdings konnte nicht mehr in jedem Fall festgestellt werden, dass das Medikament die Todesursache war. In einem der fünf Fälle erkannte das Gericht daher nur auf gefährliche Körperverletzung. Zugleich stellten die Richter aber eine besondere Schwere der Schuld fest, was eine vorzeitige Entlassung nach 15 Jahren ausschließt, und verhängten ein Berufsverbot. Der Pfleger habe ein "Spiel auf Leben und Tod" zur "Befriedigung seiner Eitelkeit" gespielt, sagte Bührmann. Er sei "fassungslos" über die "Kälte" der Taten.

Während des Prozesses hatte der 38-Jährige einem psychiatrischen Gutachter überraschend weit mehr Taten gestanden, als angeklagt waren. Neben dem Wunsch nach Bestätigung hatte er auch Langeweile als Motiv genannt. Nach eigenen Angaben verabreichte er insgesamt rund 90 todkranken Patienten das Medikament. Etwa 30 hätten die anschließende Wiederbelebung nicht überlebt. Die Untersuchungen zu diesen Fällen laufen noch. Sie waren daher nicht Gegenstand des aktuellen Verfahrens.

174 Todesfälle werden derzeit noch überprüft
Polizei und Staatsanwaltschaft überprüfen derzeit 174 Sterbefälle aus der Dienstzeit des Angeklagten im Klinikum Delmenhorst, außerdem ermitteln sie in mehr als 20 alten Sterbefällen aus einem Oldenburger Krankenhaus, wo der 38-Jährige früher zeitweise ebenfalls als Pfleger auf Intensivstationen arbeitete. Auch Vorgänge an weiteren früheren Arbeitsstätten, etwa in einem Wilhelmshavener Altersheim, werden nun systematisch überprüft. Der Angeklagte selbst betonte in seinem Geständnis, nur in Delmenhorst getötet zu haben.

Pfleger 2006 auf frischer Tat ertappt und verhaftet
Der Angeklagte war 2006 bei einem Tatversuch ertappt und festgenommen worden. 2008 wurde er deshalb wegen versuchten Mordes verurteilt und sitzt seitdem in Haft. Warum die Ermittlungen trotz offenbar vorhandener Verdachtsmomente und einer ebenfalls bereits 2008 gestellten Strafanzeige der Angehörigen einer Verstorbenen nicht schneller vorangetrieben wurden, ist gegenwärtig unklar. Gegen zwei frühere Staatsanwälte wird inzwischen wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt ermittelt.

Bührmann entschuldigte sich in seiner Urteilsbegründung am Donnerstag im Namen der Justiz ausdrücklich bei den Hinterbliebenen der Opfer für die Versäumnisse. "Es war nicht richtig, es hätte besser laufen müssen."

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