"Krone": Charli, mit deinem neuen Album "Sucker" kreuzt du Pop mit Punk, Hip Hop und auch Trip-Hop-Einflüssen, was sich sehr erfrischend auf das Gesamtwerk auswirkt. Woher kommt dein Interesse für all diese Genres?
Charli XCX: Gerade bei diesem Album war ich stark vom französischen 60er-Jahre-Yeah-Yeah-Pop beeinflusst. Das hat mich dann zum Punk der Vibrators und der Sex Pistols geführt und viele Parts auf dem Album sind wirklich nahe am Hip Hop angelehnt. "Sucker" ist aber definitiv ein Pop-Album, das eine wilde, kantige Energie versprüht.
"Krone": Hast du dich auf diesem Album musikalisch erstmals selbst gefunden?
Charli XCX: Definitiv. Mir ist es immer wichtig, mich nicht zu wiederholen, sondern neue Aspekte in meinen Sound zu integrieren, und das ist mir auf jeden Fall gut gelungen. Ich war schon bei der Veröffentlichung des Albums sehr selbstsicher und wusste, dass ich die richtigen Entscheidungen getroffen hatte. Ich war auch mit meinem Songwriting zufrieden und hatte einfach ein sehr gutes Gefühl.
"Krone": Du bist auch ein seltenes Beispiel dafür, dass man im Underground und im Mainstream gleichermaßen erfolgreich und beliebt sein kann. Was ist das Geheimnis, dass du beide Seiten der Münze so gut zufriedenstellen kannst?
Charli XCX: Mein erstes Album "True Romance" war schon ein anderes Kaliber, das stimmt. Ich will jetzt nicht sagen, dass der Sound darauf großspurig gewesen wäre, hätte ich mir aber sechs Monate mehr Zeit damit gelassen, dann wäre das Album noch wesentlich näher am Pop gewesen. Ich glaube, im Internet hat sich einfach die alte Fanbase gebildet und durch das Radio haben die Leute auch meine Singles entdeckt und mögen gelernt. Ich finde das natürlich cool, weil auch alle zu den Shows kommen und Spaß haben.
"Krone": Ein Song wie "Gold Coins" erzählt im Prinzip von purem Hedonismus. Woher kommt diese Großspurigkeit in den Texten? Würdest du dich als hedonistische Person bezeichnen?
Charli XCX: (lacht) Das ist eine sehr gute Frage. Manchmal bin ich das wohl. "Gold Coins" sollte tatsächlich den puren Luxus beschreiben, das war auch die Intention dahinter. Das Album ist ziemlich zickig geworden und ich kann manchmal auch eine ziemliche Zicke sein, aber ob ich selber eine Hedonistin bin, darüber habe ich mir wirklich noch nie Gedanken gemacht. Möglicherweise stimmt es aber.
"Krone": Du spielst auch gerne mit dem frivolen Bad-Girl-Image. Dienst das dem kommerziellen Erfolg?
Charli XCX: Das kann ich dir nicht beantworten, weil ich nicht in diesen Sphären denke. Dieses Bad-Girl-Image hat die Presse aufs Tapet gebracht, ich selber habe mich niemals so bezeichnet. Du weißt ja, wie das läuft – die Leute kriegen das mit, geben das weiter und irgendwann setzt sich so ein Image fest. Es war jedenfalls nicht so, dass ich einen derartigen Vorsatz für meine Karriere gefasst hätte. Ich bin einfach ich selbst und ich denke, die Leute mögen das. So mancher wird das vielleicht hassen, was weiß ich. Ich ziehe mein Ding einfach durch.
"Krone": Mit dem Albumtitel streckst du so manchen Kritikern und Journalisten den Mittelfinger entgegen.
Charli XCX: Das geht eher an die Leute in der Musikindustrie, die immer Zweifel an mir hatten. Ich bin auf jeden Fall jemand, dem man viel missgönnt, insofern habe ich den doch recht aggressiven Albumtitel für diese Leute gewählt.
"Krone": Fühlst du dich als Künstlerin missinterpretiert?
Charli XCX: Die ganze Zeit, aber das wird sich wohl niemals ändern. Ich denke aber, dass es fast jedem Künstler so geht und viele Leute damit zu kämpfen haben. Es liegt wohl hauptsächlich an meinen Songs, die vielleicht mal provokant rüberkommen, was auch daran liegt, dass ich niemals an mein Publikum denke, wenn ich die Songs schreibe. Ich bin natürlich glücklich, wenn sie meine Texte mit ihren eigenen Leben oder Situationen verbinden können, aber viele Dinge, die ich sage, werden immer wieder aus dem Kontext gerissen. Das ärgert mich natürlich, aber was soll's. Es gibt Schlimmeres.
"Krone": Dein Hit "Break The Rules" erobert gerade rundum die Charts und war auch Titel-Song des "Dschungelcamps". Würdest du die Nummer, die sich deutlich an Jugendliche und ihre Eigenständigkeit richtet, als eine Art "Generationshymne" bezeichnen?
Charli XCX: Nein, denn ich denke eigentlich, dass die Nummer ein ziemlich dummer Popsong ist. (lacht) Diese dummen Popsongs sind aber clever, weil Refrains und Texte oft so schlecht rüberkommen, dass sie schon wieder gut sind. Die Texte darin sind wirklich dumm und stumpf und ich wollte keinesfalls eine Botschaft überbringen, sondern den Leuten einfach einen guten Popsong liefern. Der Song soll einfach Spaß machen und hat wirklich überhaupt keinen Hintergrund.
"Krone": Dreht sich dein Song "London Queen" darum, als Britin in den USA erfolgreich und berühmt zu werden?
Charli XCX: Es geht schon darum, hart zu arbeiten und dann so erfolgreich zu sein, dass du es nach Amerika schaffst. Dort dann weiter hart zu arbeiten und erst wieder nach England zurückzukehren, bis du es allen bewiesen hast. Den Song habe ich aber nicht selbst geschrieben, insofern ist er nicht autobiografisch, auch wenn es natürlich gewisse Parallelen gibt und man das Thema gut auf mich umbrechen kann.
"Krone": Bist du eigentlich in die USA gezogen?
Charli XCX: Nein, ich lebe ländlich in England. Ich habe schon viel Zeit dort verbracht, aber bin nicht dort hingezogen.
"Krone": Du bist auch in England und den USA erfolgreich. Das ist so etwas wie die Krönung für eine Popsängerin.
Charli XCX: Das ist auch verdammt aufregend und ein neues, schönes Gefühl für mich. Das bedeutet auch, ich kann viel mehr reisen und mehr Shows spielen. Natürlich gefällt mir das.
"Krone": Mit "Body Of My Own" hast du einen thematisch besonders interessanten Song auf "Sucker". In erster Linie geht es um die weibliche Masturbation, aber wenn man weiterblickt, kann man durchaus feministische Botschaften in den Texten erkennen.
Charli XCX: Das ist richtig. Es geht nicht ausschließlich darum, es sich selbst zu besorgen, sondern auch um Machtgewinn und Kontrolle. Diese Art von Machtgewinn und Kontrolle, die du als Frau erreichen kannst, wenn du auf gewisse Art und Weise agierst. Es geht auch darum, die Kontrolle über seinen eigenen Körper zu haben und damit zu machen, was man will.
"Krone": Ist das Musikgeschäft feministischer als früher? Fühlt man sich als Frau dort wohl?
Charli XCX: Viele Künstler sind sich der Problematik des Themas bewusst und reden viel darüber – das ist für die ganze Sache natürlich großartig. Kids hören auf Popstars und ich finde es ziemlich cool, dass Leute wie Beyoncé so eine Art anstößigen Feminismus auf der Bühne und bei ihren Shows propagieren. Ich finde es großartig, dass sich junge Mädchen als auch Buben schon so früh mit dem Thema auseinandersetzen. Das Musikgeschäft ist viel toleranter als früher und Frauen können sich heute problemlos öffnen und ihre Probleme darlegen. Das ist eine sehr coole Sache.
"Krone": Aber gerade die vielen sexy Liveshows der weiblichen Pop-Künstlerinnen spiegeln doch genau das Gegenteil des feministischen Gedankens wider.
Charli XCX: Nur weil du sexy bist, bist du nicht zwingend dem Feminismus abgeneigt. Solange du selber alles unter Kontrolle hast, dir keiner sagt, was du zu tun hast, und du selbst entscheidest, was du wie machst, ist alles okay. Darum geht es doch im Endeffekt. Es gibt keinen spezifischen Dresscode für Feministinnen. Egal ob ich einen Anzug trage oder herumrenne wie ein Teenager – es ändert ja nichtsk – du hast schon mit angesagten Pop-Prinzessinen wie Rita Ora oder Iggy Azalea zusammengearbeitet. Wie bist du zu diesen Kooperationen gekommen?
Charli XCX: Für Iggy sollte ich ein paar Gitarrenhooks für ihr Album schreiben, also bin ich ins Studio, habe sie kennengelernt. Wir haben dann "Fancy" gemacht und dabei wahnsinnig viel Spaß gehabt. Das war einfach eine magische Fügung. Rita habe ich über gemeinsame Freunde kennengelernt und sie hat mich immer nach einem Song für ihr Album gefragt. Ich war dann aber egoistisch und habe den Song auf mein Album gegeben und ihn dafür mit ihr zusammen gemacht. "Doing It" dreht sich um Freundschaft und Rita ist eine großartige Person – die Nummer wäre ohne sie gar nicht möglich gewesen.
"Krone": Deinen ersten wirklich großen Hit hast du vor einigen Jahren hergegeben. Der Dancefloor-Charthit "I Love It" stammt von dir, wurde aber durch das schwedische Duo Icona Pop weltberühmt. Hast du nie bereut, dieses Baby aus der Hand gegeben zu haben?
Charli XCX: Ich habe den Song ja ohnehin in meiner Setlist und singe ihn dauernd. Dass ich ihn abgegeben habe, bereue ich aber nicht. Als die beiden ihre eigenen Gesangsspuren hinzufügten, war es ohnehin ihr Song. Auf meinem Debüt "True Romance" wollte ich die Nummer nicht haben, weil sie einfach nicht zum Rest gepasst hat. Aber das Lied hat mich auch als Songschreiberin bekannt gemacht, was natürlich auch unheimlich viel wert ist.
"Krone": Wirst du künftig weiterhin Songs für andere Künstler verfassen?
Charli XCX: Auf jeden Fall. Ich habe unlängst etwas für das Gwen-Stefani-Album gemacht und habe da noch viele weitere Pläne. Ich habe übrigens auch etwa 500 Songs geschrieben, die ich noch nirgendwo veröffentlicht habe. Manche davon sind aber so furchtbar, dass sie niemals das Tageslicht erblicken werden. (lacht) Ich greife übrigens gerne auf alte Ideen zurück. Auf "True Romance" sind Songs, die habe ich geschrieben, als ich 16 war. Ehrlicherweise muss ich auch sagen, dass ich als Songwriterin immer schlechter werde. Die besten Ideen hatte ich definitiv, als ich jünger war. (lacht) Ich blicke also gerne zurück.
"Krone": Was macht denn einen perfekten Popsong für dich aus?
Charli XCX: Er sollte emotional sein. Egal, ob das jetzt wütend, traurig oder fröhlich ist. Du musst auf jeden Fall etwas spüren, ansonsten wird das alles sehr schnell durchschnittlich.
"Krone": Hast du schon jetzt Ideen und Pläne für das nächste Album?
Charli XCX: Ich werde hoffentlich 2016 mit dem nächsten Album kommen. Aber ich bin wirklich noch ganz am Anfang meiner Ideen. Jedenfalls ist das Album dann mit Sicherheit stark vom J-Pop inspiriert. Es wird definitiv viel Power haben, aber den Rest des Jahres bin ich jetzt einmal auf Tour. Das hat Priorität.
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