Forscher erklärt:

So funktioniert der IS-Propagandakrieg im Netz

Web
09.03.2015 12:38
Dschihadistische Gruppen bedienen sich bei ihrer Propaganda im Netz zunehmend Strategien, die professioneller Unternehmens-PR ähneln. Das ist ein Ergebnis einer Untersuchung von Islamwissenschaftlern der Universität Wien, auf deren Basis Strategien zur Deradikalisierung entwickelt werden. Im Online-Propagandakrieg setzen Dschihadisten etwa idealisierte Geschichten in der Ästhetik von Computerspielen ein.

Untersucht haben die Forscher Texte, Videos und Grafiken auf vorwiegend arabischsprachigen Internetplattformen. "Kurz alles, was irgendwie mit der dschihadistischen Strömung und Subkultur in Verbindung zu bringen ist", erklärte Rüdiger Lohlker vom Institut für Orientalistik der Universität Wien. Ungefähr seit 2011 ortet er eine Verschiebung solcher Aktivitäten von einschlägigen Foren weg, in Richtung der Social Media-Plattform Twitter. Lohlker setzt sich mit der Internetaktivität der Extremisten bereits seit der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre auseinander.

Videos sind häufig mit Hymnen unterlegt
In einem vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekt ging es dem Wiener Wissenschaftler nun um eine tiefere Analyse globaler dschihadistischer Strömungen und ihrer Onlinepräsenzen. Diese Gruppierungen verstünden es mittlerweile, die ganze Klaviatur des "Storytelling" in eigener Sache zu spielen, wie es in einer Aussendung heißt. Nicht nur gewalttätige Inhalte stünden im Vordergrund. Die Forscher haben diese Inhalte auf visueller, religiöser und rhetorischer Ebene untersucht.

Die Videos seien meist mit gesungenen Hymnen "und sehr treibenden Rhythmen" unterlegt, wie Lohlker erklärt. Das sei musikalisch meist nicht hochklassig, "aber es wirkt". Das Endergebnis sehe oft Computerspielen, wie etwa dem Kriegsspiel "Call of Duty", auffallend ähnlich. Es gebe sogar eher bescheidene Versuche, solche Spiele von dschihadistischer Seite her zu adaptieren. Diese Videos seien vor allem dazu da, "ein nicht unbedingt reflektiertes Publikum emotional mitzureißen". Ein weiteres Beispiel für diesen Modus der emotionalen Ansprache seien etwa "Fan-Artikel", mit denen getötete Jihadisten auf kitschige Weise verherrlicht werden, wie der Forscher erklärte.

Oft spielen im Hintergrund intellektuelle Diskussionen eine Rolle, die auf sehr einseitige und verkürzte Weise dargestellt werden. Ganz gezielt würden islamische Diskurse dschihadistisch umgedeutet und als Rechtfertigung für radikale Aktivitäten missbraucht. Gehe es etwa um den Glauben an Engel, so würden diese entgegen traditionell islamischer Darstellung hier nur als Soldaten Gottes dargestellt. Das zeigt: "Es wird gezielt verschoben und es gibt eine sehr selektive Zitierweise", erklärt Lohlker. Am Beispiel der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS), von der "nur die brutalsten Strafen hervorgekramt werden, die für Mainstream-Gelehrte überhaupt nicht zur Debatte stehen", werde das überdeutlich.

Verantwortliche gehören Internet-Generation an
Abseits der radikalen Inhalte ähneln die Kommunikations-Werkzeuge der Jihadisten immer mehr professioneller Public-Relations-Arbeit, wie sie in der Privatwirtschaft betrieben wird, so das Fazit der Forscher. Wiederkehrende, leicht erkennbare Bildsymbole würden einprägsam abgestimmt auf religiös begründete Argumentationsmuster. Das und die Parallelen zur Gaming-Ästhetik zeige, dass die für die Propaganda Verantwortlichen "zur Internet-Generation gehören". Sie beherrschen neben der Bildsprache auch die von der Computerspiele-Industrie perfektionierten Strategien zur Weitergabe von Information im Internet, so Lohlker.

Ihr Wissen wollen die Forscher nun nutzen, um Gegenstrategien zu entwickeln, denn daran mangle es speziell im Online-Bereich. Einfach Foren, ganze Websites oder einzelne User zu sperren, habe sich jedenfalls als nahezu wirkungslos herausgestellt. Der "internetgemäßere" Ansatz der Wiener Forscher ist es, "diesen Inhalten Alternativen entgegenzustellen". So biete man etwa bereits in einschlägigen Foren andere Antworten als die üblichen dschihadistischen an. Lohlker: "Wir sind gerade dabei, so etwas zu systematisieren."

Eine weitere Frage sei, wie man hier auch visuell dagegenhalten könnte. Eine gute Methode sei, solche Videos mit gefährdeten Jugendlichen in kurze Sequenzen zu zerlegen. "Weil das den emotionalen Drive rausnimmt", könne man besser Distanz aufbauen, zeigte sich Lohlker von seinem Ansatz überzeugt.

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