"Krone"-Interview

Stefanie Heinzmann: “Ich mag mich so, wie ich bin”

Musik
20.03.2015 07:30
Vor acht Jahren gab es eine von Stefan Raab geführte Castingshow im deutschen Privatfernsehen, die sich "SSDSDSSWEMUGABRTLAD" nannte. Gewinnerin war die sympathische Schweizerin Stefanie Heinzmann, die der Erfolgssingle "My Man Is A Mean Man" im deutschsprachigen Raum durchstartete. Sieben Jahre später hat die 26-Jährige allerhand erlebt und das Musikbusiness in all seinen Facetten kennengelernt. Mit ihrem neuen, vierten Album "Chance Of Rain" versucht sie es jetzt mit einem radikalen Stilwechsel. Im ausführlichen Interview sprach sie mit uns darüber, warum sie das tut, weshalb die Beziehung zu ihrem Bruder undurchdringbar ist und wie sie sich über die Jahre selbst eine andere Sichtweise auf Musik und Startum zugelegt hat.
(Bild: kmm)

"Krone": Stefanie, auf deinem neuen Album "Chance Of Rain" fällt als erstes die Stiländerung auf. Mehr Elektronik, viel weniger Motown und Soul. Jetzt könnte man natürlich behaupten, du folgst damit den gängigen Trends. Ist dem so?
Stefanie Heinzmann: Die Musik entwickelt sich genauso wie ich selbst. Musik, die mir gefällt, wird auch meistens neuer und moderner. Es ist ein bisschen von allem dabei. Die Motown-Lastigkeit ist natürlich zurückgeschraubt. Dieses Mal war es mein Wunsch, etwas mehr Bässe reinzukriegen und mehr Eier zu zeigen. Man kann natürlich sagen, dass das Album moderner geworden ist. Dass ich zwanghaft einem Trend folge, würde ich aber nicht sagen. Dafür ist es zu facettenreich. Das Album geht in alle möglichen Richtungen und ich könnte mich nicht entscheiden, welchem Trend ich folgen sollte. (lacht) Ich habe für jeden Song den Sound gesucht, den wir passend fanden.

"Krone": Das mit dem "mehr Eier zeigen" habe ich von dir schon wo gelesen. Wie definierst du das?
Heinzmann: Ich bin ein totaler Bass-Liebhaber und liebe es, wenn Musik vibriert. Für mich ist immer das Auto die Testanlage, weil es der Ort ist, wo die meisten Menschen in Ruhe Musik hören. Wenn die Musik nämlich nur auf den Superboxen gut klingt, ist das eine schlechte Referenz. Der Sound muss auch im Auto und am Handy stimmen. Ich höre also meine Songs im Auto und sagte zu meinem Bruder Claudio: "Meine Tür vibriert nicht." Wenn mich Musik aber packt, dann vibriert die Tür immer. (lacht) Wenn das nicht passiert, dann fehlt mir einfach was. Also mussten wir eben nachjustieren.

"Krone": Zu deinem Auto hast du ja eine besondere Beziehung.
Heinzmann: Total. Mein Auto heißt Balu und es ist ein Hyundai IX 35. Ein SUV. Ich liebe das Auto und es ist mein Bär. Mein erstes Auto war ein kleiner grauer Renault Clio, aber dann hat mich Hyundai angesprochen und ich fahre sie seitdem. Das Kleinmodell, das ich davor hatte, war aber ein bisschen zu langsam, weil ich ja oft zwischen der Schweiz und Köln hin- und herfahre. Außerdem kriegst du kaum Leute und Koffer rein. Jetzt habe ich den größeren und bin sehr verliebt. Wenn ich in der Schweiz Konzerte spiele oder auch privat unterwegs bin, dann passiert das schon immer mit Balu.

"Krone": Mit Songs wie "On Fire", "Chance Of Rain", "Waterfall" und "Closer To The Sun" hast du gleich vier Stücke am Album, die schon im Titel mit den Elementen Feuer und Wasser zu tun haben. Gibt es da einen Zusammenhang?
Heinzmann: Das war tatsächlich keine Absicht, aber irgendwann ist es uns auch aufgefallen. Für mich sind die Elemente einfach schöne Bilder von einem Zustand. Es ist das Gefühl, für irgendetwas zu brennen. Oder der Regen, den jeder mit etwas Schlechtem konnotiert, obwohl er etwas total Wertvolles ist. Für mich ist das ein schönes Bild, wie es im Menschen selbst aussieht. Oft kommen Dinge unerwartet und wir verbinden das direkt mit etwas Schlechtem. Wir sind oft zu wenig offen dafür, dass auch etwas Gutes daraus passieren könnte. Situationen, bei denen ich Angst hatte, dass etwas schief gehen könnte, waren immer die, an denen ich am Ende gewachsen bin.

"Krone": Hast du den Fokus auf eine bestimmte Thematik gelegt?
Heinzmann: Mich sprechen immer wieder Leute darauf an, dass ich für sie anscheinend immer gut gelaunt sein muss. Wenn ich mal einen Tag habe, wo ich etwas stiller bin, fragen mich die Leute oft, was mit mir los ist. Das ist normal, ich bin nur ein Mensch. Ich bin sehr dankbar und glücklich, aber natürlich wache ich manchmal morgens auf und weiß überhaupt nicht weiter. Es gibt Situationen, die mich aus dem Konzept bringen, und man übertreibt dann und glaubt die Welt stürzt ein, es geht nicht mehr weiter und alle sterben jetzt. (lacht) Ich denke an solchen Tagen immer, ich wäre mit diesem Gefühl allein und alle anderen hätten alles im Griff. Irgendwann fiel mir dann auf, dass es ohnehin jedem so geht. Selbst beim selbstbewusstesten Menschen wird es Tage geben, wo er nicht weiter weiß. Und dieses Gefühl wollte ich teilen. Zu sagen, dass es gut ist, solche Tage zu haben, weil es dich, mich und uns weiterbringt. Ohne solche Tage würden wir uns nie hinterfragen und reflektieren. Die Hauptthematik ist also, das schlechte Dinge passieren, das aber durchaus gut sein kann.

"Krone": Ist es schwieriger, schlechte Tage zu haben, wenn man wie du im Licht der Öffentlichkeit steht?
Heinzmann: Das könnte schon so sein, aber ich weiß es nicht genau. Ich habe ja keine Vergleichsmomente. Ich war letztmals vor sieben Jahre nicht in der Öffentlichkeit, aber in Wallis kann ich immer für mich sein. Ich kann aber gut loslassen und nehme schlechte Phasen nicht ewig mit. Es fällt mir aber schwer, von anderen beurteilt zu werden. Manchmal sind die Piercings scheiße, dann ist das wieder hässlich und dies ist blöd. Was habe ich denn gemacht? (lacht) Ich lebe doch nur. Eigentlich mag ich mich aber gerne so, wie ich bin.

"Krone": Konntest du vor sieben Jahren, als du schlagartig durchgestartet bist, ahnen, dass die Menschen dich nicht nur nach deiner Musik, sondern auch nach Image und dem Äußeren bewerten werden?
Heinzmann: Darüber hatte ich mir niemals Gedanken gemacht. Ich habe früher auch so Magazine wie das "In Touch" gelesen, wo es nur um Bilder geht. Man blättert das so durch und denkt sich nichts dabei. Mittlerweile kann ich das gar nicht mehr lesen, weil ich teilweise schon wütend werde. Ich kann mich in die Leute einfach besser hineinversetzen. Die können ja machen, was sie wollen. Ob sie sich daheim streiten oder nicht, ist doch egal. Vielleicht stellt man die Leute total falsch dar? Man weiß es einfach nicht. Wenn man das selber merkt, macht man sich natürlich viel mehr Gedanken darüber.

"Krone": Damals bist du wirklich kometenhaft durchgestartet und auch mit vielen Auszeichnungen bedacht worden. Mittlerweile ist der ganz große Hype vorüber und deine Lage hat sich etwas normalisiert. Bist du froh darüber?
Heinzmann: Ich bin einfach froh, dass es so ist, wie es ist. Ich weigere mich gegen nichts, was kommt, und bin sehr zufrieden, wie es läuft. Hätte man mich vor sieben Jahren gefragt, ob ich jetzt hier mit dir sitze und ein Interview mache, hätte ich das auf jeden Fall verneint. Ich hatte nicht gedacht, dass es so lange hält. Wir spielen viel live und ich habe jetzt das vierte Album draußen – was will man mehr?

"Krone": Du lebst noch immer sehr abgeschieden und familiär im Kanton Wallis in der Schweiz, hast dein Album aber in Städten wie London, Nashville oder Los Angeles aufgenommen. Brauchst du dieses Wechselspiel zwischen geerdet sein und die große weite Welt erkunden?
Heinzmann: Es macht auf jeden Fall Spaß, aber für mich war es ein Austesten. Ich habe mit den anderen drei Alben sechs Jahre lang immer mit den gleichen Produzenten gearbeitet. Hatte auch Songs aus dem Pool von tollen Songwritern und wenig war selbst geschrieben. Dieses Mal wollten wir die Welt und Songwriter kennenlernen. Herumreisen und auschecken, was es für Leute gibt. Vor allem für die Zukunft. Ich habe mit sehr vielen Menschen zusammengearbeitet und da fallen natürlich auch viele für die Zukunft weg, weil die Chemie nicht so gestimmt hat oder die Wellenlänge nicht dieselbe war. Mit anderen möchte man gerne ein Leben lang arbeiten. Neuen Input kriegen und mal rauskommen war einfach das Hauptziel. Ich habe dabei die Produzenten dieses Albums gefunden. Ich hatte zwei Jahre lang überhaupt keine Ahnung, wohin das Teil gehen soll. Wir haben einfach geschrieben und jedes Demo klang anders – pures Chaos. Mit zwei aus Norwegen stammenden Londoner Jungs haben wir dann fünf Demos gemacht und genau so sollte mein Album klingen. Das war ein toller Moment, die Lösung zu finden.

"Krone": Der letzte S>Heinzmann: Für alles. Für die letzten 26 Jahre großer Bruder sein und sehr intensiv für die letzten sieben Jahre. Nur dank der Tatsache, dass er immer da war und ist, sitze ich jetzt in Jeanshose und mit Vans vor dir und bin so, wie ich eben bin. Ich mag mich auch gern so und hatte glücklicherweise nie damit zu kämpfen, mit Kritik von einem Management umgehen zu müssen oder mir sagen lassen zu müssen, dass ich doch etwas mehr Haut zeigen soll. Mein Bruder war immer für mich da und dafür wollte ich mich bedanken. Wir sind unzertrennlich – wir streiten genau so viel, wie wir uns lieb haben, aber das gehört ja zum Geschwistersein dazu. (lacht)

"Krone": Nicht jeder sieht das so positiv. Bei den Swiss-Awards hat sich unlängst Krokus-Bassist Chris von Rohr darüber beschwert, dass dein Bruder deiner Karriere eher hinderlich wäre und du zu stark an ihm hängst. Wie reagierst du darauf?
Heinzmann: Ja, das habe ich auch im Nachhinein mitgekriegt. Es ärgert mich aber wirklich gar nicht, ich kann es nur belächeln. Es ist sehr leicht, sich über etwas ein Urteil zu bilden, wenn man ein Mikrofon in die Hand gedrückt kriegt und einfach etwas sagt, was einem spontan einfällt, und überhaupt nicht nachdenkt. Ohne meinen Bruder würde "Chance Of Rain" nicht so klingen, wie es klingt, und deshalb finde ich es ganz schön frech, so etwas zu sagen, ohne zu wissen, wie der Zusammenhang aussieht. Mein Bruder und ich sind ein Team – ich bin keine Einzelkämpferin. Claudio ist der kreative Kopf und das ärgert mich dann als Schwester, dass ich so etwas lesen muss. Das finde ich nicht fair und ist einfach eine Art von Klatschpresse-Scheiße.

"Krone": Forderst du jetzt eine Aussprache oder wie geht die Geschichte weiter?
Heinzmann: Nein, gar nicht. Das interessiert mich überhaupt nicht. Menschen, die so etwas sagen, können gerne lange reden – das ist alles okay für mich. Ich muss mich ja auch nicht rechtfertigen. Absolut egal, er soll einfach reden.

"Krone": Interessant ist auch das Albumcover von "Chance Of Rain". Fällst du da auf dem Bild nach unten?
Heinzmann: Ja, das stimmt. Das war auch Claudios Idee – ich sag' dir ja, er ist kreativ. (lacht) Wir hatten zuerst den Albumtitel und wollten das eben gut bildlich wiedergeben. Immer nur ein Close-up als Bild nehmen wird auch mal fad, wir brauchten also etwas anderes. Claudio hatte dann die Idee, das Foto zu machen, in dem ich falle, weil es von Weitem ein bisschen so aussieht wie ein Regentropfen. Darunter steht dann "Chance Of Rain". In Momenten, in denen man nicht weiter weiß, fühlt man sich ja auch so fallend. Das fand ich spannend und passend.

"Krone": Da du mit "Chance Of Rain" ein völlig neues musikalisches Kapitel aufgeschlagen hast – willst du jetzt mit deinen älteren Songs abschließen? Die passen ja nicht mehr so gut mit dem neuen Material zusammen.
Heinzmann: Ich freue mich natürlich auf die neuen Songs, aber wir werden auch Songs weiterspielen, die ich schon sieben Jahre im Set habe. Aber sie werden angepasst – auch um das Ganze für uns spannend zu halten. Wir wollen etwas Feuer reinkriegen und dann machen auch die alten Songs wieder so viel Spaß wie neue Songs und ich muss dafür nicht mal den Text neu lernen. (lacht)

"Krone": Mit dem Song "In The End" bist du auch außer Konkurrenz beim deutschen ESC-Vorentscheid aufgetreten. Wie siehst du diesen Bewerb? Ist er zeitgemäß und wichtig oder umsonst?
Heinzmann: Ich will mir kein Urteil darüber bilden, weil einfach alles seine Berechtigung hat. So viele Menschen schauen sich das an und fiebern mit, außerdem tut das doch keinem weh. Es ist ein Wettbewerb über ganz Europa und das ist schon spannend. Man kann auch sehen, wie die anderen Länder agieren und wie vielseitig alles ist im musikalischen Bereich. Für mich wäre es aber gar kein Thema, dort mitzumachen.

"Krone": Seit du in der Jury von "The Voice Of Switzerland" sitzt, kennst du die Branche auch von der anderen Seite. Hat sich deine Sicht auf das Musikgeschäft dadurch verändert?
Heinzmann: Für mich und meine Persönlichkeit eine spannende Frage. Alleine schon die Frage "Was bist du eigentlich für ein Coach?" hat viel in mir ausgelöst. In erster Linie Unsicherheit und dann hatte ich eine Phase, wo ich dachte, ich muss etwas unheimlich Schlaues sagen, damit die Menschen nicht enttäuscht sind. Aber auch hier wurde mir klar, dass ich ohnehin nur so sein kann, wie ich bin. Wenn ich mal keine Ahnung habe, dann habe ich halt keine Ahnung. Wenn ich heule, dann heule ich halt – einfach machen, weniger denken. Das war für mich eine große Erkenntnis, die auch das Album beeinflusst hat. Ich bin einfach, wer ich bin, und das lernte ich wirklich gut. Der Punkt ist aber, dass es gar nicht so leicht ist. Du sitzt zwölf Stunden täglich da herum und aus jedem einzelnen Winkel sind Kameras auf dich gerichtet – dazu gibt es noch das Saalpublikum. Wenn du dann planlos bist, wirst du schon mal nervös. (lacht)

"Krone": Du hattest vor einigen Jahren ziemlich starke Stimmprobleme. Hattest du die Befürchtung, dass du deine Gesangskarriere aufgeben musst?
Heinzmann: Vor fünf Jahren gab es einen Punkt, da habe ich das auch getan. Ich hatte eine Rücken- und Stimm-OP und musste die Tour absagen. Das war wirklich furchtbar für mich. Es war eine Entscheidung, die ich treffen musste, aber nicht treffen wollte. Zwei Monate vor der Tour habe ich alles abgesagt. Du sagst das ja nicht nur für dich ab – deine ganzen Musiker sind dann mal für einen Monat lang arbeitslos. Das Gleiche mit den Technikern und den enttäuschten Leuten, die zu den Konzerten gekommen wären. Das wäre meine zweite Tour gewesen und ich hatte wirklich Angst, keine Chance mehr zu kriegen. Vielleicht kann ich nicht mehr singen oder nach der Rücken-OP gar nicht mehr gehen? Das war echt spannend, ist aber zum Glück gut ausgegangen.

"Krone": Du hast mit internationalen Größen wie Lionel Richie oder Ronan Keating zusammengearbeitet. Wer kommt da noch?
Heinzmann: Michael Jackson. (lacht) Die Frage ist gut, ich bin im Prinzip offen für verschiedenste Kollaborationen. Je mehr man vermischt, umso interessanter wird es. Ich würde gerne mal etwas mit einem Hip-Hopper machen, mit Charlie Winston oder Biffy Clyro. Oder auch Leute, die man gar nicht kennt, die aber sehr kreativ sind. Mit meinen größten Idolen durfte ich ja schon arbeiten.

"Krone": Stefanie Heinzmann feat. Gangsta-Rapper Haftbefehl also.
Heinzmann: Das wäre ja total spannend. (lacht)

"Krone": Wie sieht es bei dir mit Live-Konzerten aus?
Heinzmann: Ganz bald. Es wird anfangs ein paar kleinere Unplugged-Shows geben und ab Ende Mai werden wir auf Festivals zu sehen sein. Das ist noch in Planung, aber schon gut fortgeschritten. Im Herbst will ich natürlich auf Tour gehen und dann komme ich hoffentlich auch in Österreich vorbei. Ohne Scheiß jetzt – ich würde so gerne öfter in Österreich spielen. Wir Schweizer und ihr sind sich so ähnlich. Auch wenn es um die Landschaft geht und außerdem nehme ich bei euch schon den Dialekt an, wenn ich länger hier bin. (lacht)

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