In Kuala Lumpur, wo diesen Sonntag das Formel-1-Rennen stattfindet, ist es 16 Uhr, als Niki Lauda am Handy abhebt. Der 66-Jährige sitzt im Motorhome von Mercedes, das erste freie Training ist gerade vorbei. In eineinhalb Stunden steht er wieder für RTL vor der Kamera. "Bin bereit", verkündet er, kurz angebunden wie immer.
"Krone": Herr Lauda, was ist Ihnen auf dem Flug nach Malaysia durch den Kopf gegangen?
Niki Lauda: Ich bin selbst geflogen... Was mir seit Tagen durch den Kopf geht, sind die Erinnerungen an den Lauda-Air-Absturz, die nach allem, was gerade passiert ist, natürlich - das ist ja ganz klar - wieder zurückgekommen sind. Deshalb habe ich seit Dienstag jede neue Nachricht zum Germanwings-Unglück sofort auf meinem Handy gecheckt, jedes Detail. Ich wollte die Frage nach dem Warum schnellstmöglich beantworten können - denn bei mir hat es ja damals Monate gedauert, bis es Gewissheit gab.
"Krone": Ein Pilot, der 149 andere Menschen umbringt, weil er selbst nicht mehr leben will: Stellt sich da nicht erst recht die Frage nach dem Warum?
Lauda: Dass ein Mensch so etwas tut, denkt man nicht einmal in seinen schlimmsten Fantasien. Angela Merkel hat es richtig ausgedrückt: Es liegt außerhalb unserer Vorstellungskraft. Also ich bin derart überrascht, dass ich eigentlich sprachlos bin.
"Krone": Haben Sie insgeheim überlegt, Sie wären der Bordcommander, der die Tür zum Cockpit eintreten will und es schließlich nicht einmal mit einer Axt schafft?
Lauda: Ich habe mich seinerzeit bei Flyniki über diese Tür immer geärgert. Ich verstehe natürlich, warum diese Vorschriften nach 9/11 eingeführt wurden, aber mir war immer unheimlich, dass die Piloten vom Rest der Crew komplett isoliert und weggesperrt werden. Wenn ich aufs Klo musste, was ich immer versucht habe zu vermeiden, dann habe ich eine Flugbegleiterin gebeten, vor der Cockpit-Tür stehen zu bleiben. Gerade am Anfang hat es mit dem Mechanismus dieser Tür immer Probleme gegeben. Deshalb war meine Logik: Ich als Pilot muss da immer reinkommen.
"Krone": Jetzt haben die Airlines ja reagiert und schreiben vor, dass immer zwei Personen im Cockpit sein müssen. Warum hat man das nicht schon früher angeordnet?
Lauda: Weil man sich einfach nicht im Traum vorstellen konnte, dass der "Feind", wenn man so will, im Cockpit sitzt. Es ist logisch, dass die Zweierlösung die Konsequenz nach diesem furchtbaren Unglück ist. Aber man kann solche Unfälle deshalb nicht verhindern. Nichts hätte den Absturz verhindern können! Denn wenn sich ein Pilot umbringen will, kann er auch den Flugbegleiter ausschalten.
"Krone": Die Passagiere werden durchleuchtet bis hin zu Nacktscannern, und dann werden sie von offenbar psychisch Kranken von A nach B geflogen. Brauchen wir jetzt Psychotests für Piloten?
Lauda: Jeder Pilot, der die Ausbildung absolviert, wird ja solchen Test unterzogen. Es werden nur Leute aufgenommen, die gut ausgebildet, gesund und psychisch stabil sind, sodass man ihnen ein Flugzeug anvertrauen kann. Dann müssen Piloten ja auch regelmäßig zu sogenannten Medical Tests gehen. Da unterschreiben sie unter Eid, welche Probleme sie haben, welche Medikamente sie nehmen, ob sie rauchen etc. Wenn einer, so wie dieser Co-Pilot, Informationen bewusst zurückhält und den Arzt anlügt, dann nützen Psychotests meiner Meinung nach auch nichts.
"Krone": Wird es jetzt mehr Misstrauen unter den Piloten geben?
Lauda: Im Gegenteil. Ich denke, dass die Piloten nach diesem Schock achtsamer sein werden. Das wird weltweit so sein. Denn eine solche menschliche Katastrophe hat es bisher noch nicht gegeben.
"Krone": Welche Note würden Sie der Lufthansa für die Kommunikation des Unglücks geben?
Lauda: Das Wichtigste nach so einem Unfall ist, den Angehörigen so schnell wie möglich Antworten zu geben. Bei Flug 4U9525 ist das vorbildlich gemacht worden, es ist nur ein großer Fehler passiert: Jemand hat die Nachricht, dass der Co-Pilot den Absturz vorsätzlich herbeigeführt hat, geleakt und den "New York Times" gesteckt. Erst am darauffolgenden Tag hat der französische Staatsanwalt das bestätigt. Daraufhin hat Lufthansa-Chef Carsten Spohr, den ich ja sehr gut kenne, das sofort in die Hand genommen und das einzige Richtige getan: Er hat die Angehörigen informiert, bevor er an die Öffentlichkeit getreten ist.
Im schroffen Felsmassiv des Tête de l'Estrop in den französischen Alpen liegen die winzigen Trümmerteilchen der Germanwings-Maschine wie Konfetti verteilt. Immer wieder seilen Hubschrauber Rettungskräfte ab und fliegen Tote ins Tal nördlich von Marseille. An der Trauerstelle weinen die Angehörigen.
"Krone": Eine Frage, die viele Menschen bewegt: Was haben die Passagiere vom Absturz mitbekommen?
Lauda: Die haben alles mitbekommen. Denn wenn ein Pilot nicht mehr ins Cockpit kommt und gemeinsam mit den Flugbegleitern versucht, die Tür aufzuhacken, dann sieht das ja der ganze Flieger. Diese letzten Minuten müssen furchtbar gewesen sein.
"Krone": Über das Cockpit gibt es auch viele Mythen. Man würde dort durch das Sternenall einen Höhenkoller bekommen oder Allmachtsfantasien.
Lauda: Kompletter Blödsinn. Als Kapitän hast du nur eine Aufgabe: Die Menschen, die hinter dir im Flieger sitzen, sicher von A nach B zu bringen. Wenn dieser Kapitän aber ein Psychopath ist, dann fühlt er natürlich keine Verantwortung mehr, dann hat er diesen grauenhaften Plan im Kopf und setzt ihn irgendwann um. Für mich ist er ein Mörder.
"Krone": Könnte das auch bei MH370 - dieses Flugzeug ist bis heute verschollen - der Fall gewesen sein?
Lauda: Das kann ich nicht sagen. Aber ich bin ja in Malaysia und habe wieder nachgefragt und appelliert, dass man nicht aufhören darf, dieses Flugzeugwrack zu suchen. Das sind wir den Angehörigen und auch der gesamten Luftfahrt schuldig. Auch wenn die Kosten unermesslich sind, Malaysia Airways muss dieses Geld in die Hand nehmen.
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