Blutiges Ende
Istanbul: Staatsanwalt und zwei Geiselnehmer tot
Die Polizei verhaftete in der südlichen Stadt Antalya 19 Studierende, die verdächtigt werden, der verbotenen linksradikalen Revolutionären Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) nahezustehen. Die private Nachrichtenagentur Dogan meldete, es gebe Hinweise, wonach die DHKP-C in Antalya ähnliche Aktionen wie in Istanbul geplant habe. In den westtürkischen Städten Izmir und Eskisehir kamen jeweils fünf Menschen in Haft. Und in Istanbul selbst nahmen die Behörden 36 Studenten fest, die an einer Gedenkfeier für einen der Geiselnehmer teilgenommen hatten.
Staatsanwalt Kiraz war seit Dienstagnachmittag von der DHKP-C, die sich zu der Geiselnahme bekannte, in seinem Dienstzimmer im Justizpalast festgehalten worden. Nachdem immer wieder Schüsse zu hören waren, berichteten Augenzeugen am Abend von einer Explosion. Ein Krankenwagen sei mit Blaulicht und heulenden Sirenen vorgefahren. Bei dem Einsatz wurden die beiden Geiselnehmer getötet. Der Staatsanwalt wurde ins Krankenhaus gebracht, wo er wenig später verstarb.
Kugeln im Kopf und in der Brust
Kiraz sei seinen schweren Verletzungen erlegen, sagten die behandelnden Ärzte im türkischen Fernsehen: "Er war schwer verletzt, als er eintraf, wir haben ihn trotz unserer Bemühungen verloren." Den Ärzten zufolge "atmete er nicht mehr, sein Herz schlug nicht mehr". Der Staatsanwalt war demnach von Kugeln im Kopf und in der Brust getroffen worden.
Die DHKP-C sprach in einer Twitter-Nachricht von einem "Angriff der Mörderpolizei auf die Volkskrieger". Polizeichef Selami Altinok sagte, man habe sechs Stunden lang verhandelt. Die Sicherheitskräfte seien eingeschritten, als aus dem Büro des Staatsanwaltes Schüsse ertönt seien. Es sei alles versucht worden, die Geiselnahme unblutig zu beenden.
Chefermittler in brisantem Fall
Der Jurist Kiraz hatte wegen des Todes von Berkin Elvan ermittelt, einem Buben, der 2013 bei den Gezi-Unruhen von einer Tränengaskartusche der Polizei am Kopf getroffen wurde und einige Monate später starb. Die Geiselnehmer sollen gefordert haben, die Namen der für den Tod Elvans verantwortlichen Polizisten preiszugeben. Diese sollten ein öffentliches Geständnis ablegen. Zudem müssten Ermittlungen gegen Demonstranten, die wegen des Todes Berkin Elvans protestiert hatten, eingestellt werden.
Kritiker werfen der Justiz vor, die Ermittlungen gegen die mutmaßlichen Verantwortlichen für Elvans Tod zu verschleppen. Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte sich in der Causa zu Wort gemeldet und den Buben als "Terrorist" bezeichnet. Der Vater Elvans hatte am Dienstag an die Geiselnehmer appelliert, den Staatsanwalt freizulassen. Er wolle nicht, dass jemand zu Schaden komme. "Ich will nur einen gerechten Prozess", teilte er mit.
Täter gaben sich als Anwälte aus
Laut der Nachrichtenagentur Anadolu konnten die Täter mit ihren Waffen ins Büro des Juristen vordringen, weil sie sich mit Roben und gefälschten Ausweisen als Anwälte ausgaben. Anwälte, Staatsanwälte und Richter dürfen anders als normale Besucher das Gerichtsgebäude betreten, ohne einen Metalldetektor zu durchlaufen. Die Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front nimmt häufig Mitglieder des Staatsapparates ins Visier.
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