Spiele-PCs sind trotz immer potenterer Konsolen für viele Gamer nach wie vor die erste Wahl, wenn es um ihr liebstes Hobby geht. Die vielseitigen Maschinen liefern bessere Grafik als Konsolen, das Spiele-Angebot ist vielfältiger und bei den Eingabegeräten hat der Gamer die Wahlfreiheit zwischen Maus und Tastatur, Gamepad, Joystick oder Lenkrad. Trotz all dieser Vorzüge hat der PC, Gaming-Laptops einmal ausgenommen, einen gravierenden Nachteil: er ist groß, sperrig – und dadurch meist an einen Ort gefesselt.
Spiele-Streaming ist die Lösung für dieses Problem. Statt mehrere Geräte anzuschaffen, auf denen die Spiele lokal berechnet werden, schickt der potente Spiele-Rechner im Arbeitszimmer sie einfach an weniger leistungsstarke Mini-PCs, Laptops oder Tablets andernorts in der Wohnung.
Viele Rivalen wollen Spiele streamen
Am PC heißt der Pionier in diesem Bereich Valve, aber auch auf der Konsole wird Spiele-Streaming langsam Thema. Sony bietet Besitzern kompatibler Smartphones die Möglichkeit, PS4-Games über das Heimnetzwerk auf das Smartphone zu streamen, und Microsoft will mit Windows 10 Spiele-Streaming von der Xbox One auf Windows-10-PCs anbieten. Neben diesen Firmen scharren auch Grafikkarten-Hersteller wie Nvidia oder Peripherie-Spezialisten wie Razer mit eigenen Streaming-Tools in den Startlöchern.
Das unserer Einschätzung nach bislang ausgereifteste Tool für Spiele-Streaming ist Steam von Valve. Der Spiele-Dienst macht es Interessenten, die ein Game im Heimnetzwerk streamen möchten, denkbar leicht: Einfach auf dem Gaming-PC und dem Empfänger-PC Steam installieren, sich auf beiden Geräten einloggen – und schon bietet der Empfänger die Option an, auf dem Gaming-PC installierte Spiele als Stream zu empfangen.
Als Empfänger reicht ein altes Eisen
Der große Vorteil dabei: Der Empfänger-PC braucht nicht leistungsstark sein, da die Rechenarbeit ohnehin vom Spiele-PC erledigt wird und der Empfänger nur den Stream empfangen und die Steuerbefehle an den Spiele-PC weiterleiten muss.
Die Folge: Bei unseren Versuchen mit Steams Spiele-Streaming klappte der Empfang von Streams selbst auf altersschwacher Hardware. Konkret diente ein betagter Mini-PC, Marke Eigenbau, mit 1,6 Gigahertz schnellem AMD-E350-Doppelkernprozessor und vier Gigabyte Arbeitsspeicher als Empfänger – also ein Gerät mit Komponenten, deren Rechenleistung heute oft schon von Windows-Tablets übertroffen wird.
Streamender PC sollte genug Power haben
Der Spiele-PC muss trotzdem ausreichend stark sein, schließlich muss er beim Spiele-Streaming nicht nur das Game in ansehnlicher Optik berechnen, sondern die entstehenden Bilder und Sounds auch gleich in einen H.264-Stream konvertieren und diesen an den Empfänger schicken. Die Eingaben, die vom Empfänger kommen, muss der Spiele-PC ebenfalls interpretieren.
Kurzum: Während der Empfänger-PC durchaus ein älteres Kaliber sein darf, sollte man beim Spiele-PC über ein potentes Modell verfügen. Zumindest, wenn man neueste Games in hoher Grafikqualität, Full-HD-Auflösung und hoher Bildrate übertragen will. Wer ältere Games spielt oder die Grafikeinstellungen herunterschraubt, kommt aber auch mit PCs zurande, die schon das eine oder andere Jahr auf dem Buckel haben.
Tipp: Im Test konnte Steam sogar viele Steam-fremde Games übertragen, sofern man diese zuvor in die Steam-Bibliothek aufgenommen hatte. Das klappt zwar nicht mit allen Spielen, aber immerhin mit vielen.
Zentrales Element: das Heimnetzwerk
Ebenso wichtig wie der PC, der den Stream berechnet, ist das Heimnetzwerk, über das der Stream letztlich an den Empfänger geschickt wird. Wir haben im Zuge der Recherchen für diesen Artikel mehrere Netzwerkkonfigurationen ausprobiert und mit kabelgebundenen, aber auch kabellosen Netzwerk-Setups experimentiert.
Zudem haben wir zwei verschiedene Router ausprobiert. Als Vertreter der immer noch in vielen Haushalten zu findenden WLAN-N-Generation mit Übertragungsraten von 300 Megabit pro Sekunde und 2,4-Gigahertz-Frequenz kam ein betagter Linksys WRT160NL zum Einsatz. Aktuelle WLAN-AC-Technik wurde in Form der unter Idealbedingungen bis zu 1.300 Megabit schnellen und über die 5-Gigahertz-Frequenz funkenden Fritzbox 3490 erprobt.
Latenz entscheidet über Spaß oder Frust
Resultat unserer Tests: Ob Spiele-Streaming reibungslos funktioniert, hängt gar nicht so sehr von der maximal erzielbaren Übertragungsrate, sondern vor allem von den Latenzzeiten ab, die zwischen Spiele- und Empfänger-PC liegen. Im Test mit dem 2,4-Gigahertz-Router konnten wir zwar Full-HD-Streams vom Spiele-PC kabellos zum Empfänger übertragen, durch die hohen Latenzzeiten kam es jedoch zu spürbaren Eingabeverzögerungen, die vor allem bei schnellen Games – etwa Shootern oder Rennspielen – störend auffallen.
Mit dem schnelleren 5-Gigahertz-Router von AVM konnten wir die Latenz bei WLAN-Übertragung zwar deutlich reduzieren, gerade bei Shootern war die Reaktionszeit aber trotzdem noch zu hoch. Games, bei denen es nicht so sehr auf flotte Reaktionszeiten ankommt, also beispielsweise Strategiespiele oder Adventures, waren im Gigabit-WLAN trotz der immer noch spürbaren Latenz spielbar. Ein Rollenspiel à la "Pillars of Eternity" via WLAN auf einen Laptop zu übertragen, ist im Gigabit-WLAN durchaus möglich. Autorennen und Shooter brauchen hingegen vor allem eines: ein Netzwerkkabel.
Netzwerkkabel ist beim Streamen Trumpf
Beim Probieren erzielten wir sowohl mit dem alten Linksys-Router als auch dem neuen AVM-Modell die besten Ergebnisse mit verkabelten Verbindungen. Schon eine verkabelte 100-Megabit-Verbindung über den betagten Router lieferte in der Praxis geringere Latenzen und ein angenehmeres Spielerlebnis als die getesteten WLAN-Konfigurationen.
Die Latenz sank durch die Verkabelung merklich, selbst Shooter waren bei verkabelter Verbindung vernünftig spielbar – zumindest im Single-Player, flotte Mehrspielerpartien, bei denen jede Millisekunde zählt, sollte man ohnedies nicht streamend mit dem Gamepad bestreiten. Die verkabelte Gigabit-Verbindung mit dem aktuellen Router lieferte schließlich die besten im Test erzielten Ergebnisse: Selbst schnelle Shooter oder rasante Rennspiele wurden damit latenzarm und hochauflösend übertragen und waren gut spielbar.
Teilverkabelung kann auch schon helfen
Angesichts der Testergebnisse raten wir allen, die es in den eigenen vier Wänden realisieren können, zur verkabelten Verbindung zwischen Spiele-PC und Empfänger. Wer aufgrund baulicher Gegebenheiten auf eine WLAN-Verbindung angewiesen ist, sollte in Erwägung ziehen, zumindest einen der beteiligten PCs (idealerweise den Streaming-Server) per Kabel mit dem Router zu verbinden, um die Latenz gering zu halten.
In Einzelfällen kann auch eine Powerline-Verbindung über die Steckdose praktikabel sein, der Erfolg hängt jedoch in hohem Maße davon ab, ob die Verkabelung der Wohnung neu oder alt ist und ob die für das Powerline-Netzwerk genutzten Steckdosen im gleichen Stromkreis liegen. Sind die Bedingungen nicht ideal, stößt Powerline schnell an seine Grenzen und zeigt ähnliche Limitierungen wie WLAN. Ist ausschließlich WLAN eine Option, kann die Streaming-Performance mit einigen Tricks zumindest ein bisschen verbessert werden.
Wenn die zu übertragende Datenmenge für die kabellose Verbindung einfach zu groß ist, was sich durch Ruckeln und im Stream eingeblendete Fehlermeldungen äußern kann, lohnt es sich, die Auflösung zu reduzieren. Wer statt Full-HD- nur 720p-Auflösung überträgt und bei der Bildrate mit 30 Bildern pro Sekunde vorliebnimmt, macht es seinem Heimnetzwerk bedeutend leichter, Spiele zu übertragen, ändert an der grundlegenden Latenzproblematik allerdings auch nur wenig.
WLAN-Streamer sollten schnelle Genres meiden
Die Folge: WLAN-Streamer werden sich, wenn sie Games über ihr Netzwerk übertragen, wohl oder übel primär mit latenzunabhängigen Games vergnügen müssen. RPGs, gerung. Wer eine Teilverkabelung realisieren kann, dürfte mit Einschränkungen auch den einen oder anderen Shooter durch sein WLAN jagen können – bei längeren Sessions dürfte jedoch der Wunsch nach flotterer Übertragung aufkommen.
Fein raus sind all jene, die eine Möglichkeit haben, Streaming-Server und Empfänger-PC per Netzwerkkabel miteinander zu verbinden. Selbst im 100-Megabit-LAN läuft Spiele-Streaming bereits so rund, dass auch Shooter oder Rennspiele gespielt werden können, im Gigabit-LAN klappt's noch ein bisschen besser.
Fazit: Gerade mit entsprechend flotter Netzwerkhardware wie der Gigabit-Fritzbox funktioniert die Streaming-Funktion von Steam so gut, dass sie – einen kleinen Streaming-Empfänger vorausgesetzt – die Zweitkonsole im Wohnzimmer für PC-Spieler vielfach überflüssig macht. Klar ist das Feature nicht für jedes Game geeignet und vor allem für Spiele zu empfehlen, die am Gamepad mehr Spaß machen als mit Maus und Tastatur. Und natürlich merkt man gerade bei schnelleren Games oft, dass die Eingaben erst durch das Netzwerk geschleust werden müssen. Für den gelegentlichen Spiele-Genuss abseits des Gaming-Boliden auf womöglich ohnehin schon vorhandener Hardware ist Spiele-Streaming aber eine mehr als praktikable Lösung.
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