Skandal

“Tiroler Betriebe werden im Land oft ausgebootet”

Tirol
20.05.2015 11:18
Der Oberländer Unternehmer Oswald Gritsch hat die Schnauze gestrichen voll. „Die heimischen Betriebe werden bei Ausschreibungen im Pflegebereich oft ausgebootet“, so Gritsch zur "Krone". So erhielt z. B. beim Pflegeheim O-Dorf in Innsbruck eine deutsch-amerikanische Firma den Vorzug, obwohl sie um 38.000 € teurer war.

Gritsch ist ein klassischer Tiroler Klein-Unternehmer, der aktuell vier Mitarbeiter beschäftigt. Er hatte schon einmal mehr, doch die Auftragslage führte dazu, dass er zuletzt fünf Mitarbeiter abbauen musste. Schuld daran ist vor allem die Auftragslage im eigenen Land! Seine Firma "Ligamed" mit Niederlassungen in Sautens und Innsbruck vertreibt medizinische Produkte – in Summe sind es derzeit 10.000, von der OP-Leuchte bis hin zum Krankenbett. Dass er aber vor allem im eigenen Land immer wieder bei Ausschreibungen ausgebootet wird, ist in seinen Augen eine riesige Schweinerei. Der absolute Wahnsinn ist aber, dass er als Tiroler im Land Tirol nicht zum Zug kam, obwohl er das günstigste Angebot legte! Dazu zwei Beispiele:

Pflegeheim im Innsbrucker O-Dorf

Im Pflegeheim im Innsbrucker O-Dorf, das von den Innsbrucker Sozialen Diensten (ISD) betrieben wird, wurden 118 Pflegebetten ausgeschrieben. Zum Zug kam eine deutsch-amerikanische Firma, die dafür rund 253.000 Euro verlangte. "Wir haben um 215.000 Euro angeboten, fielen aber durch. Eine Erklärung dafür habe ich bis heute nicht bekommen", ärgert sich Oswald Gritsch (die ISD waren für eine Stellungnahme übrigens nicht erreichbar).

Pflegeheim in Oetz 

Auch für das Pflegeheim in Oetz wurden Pflegebetten ausgeschrieben. "Wir waren zwar um 30 Prozent – 73.000 statt 98.000 Euro – billiger als der Mitbewerber, hatten aber aber auch das Nachsehen. Das können wir uns nicht länger gefallen lassen", sagt Gritsch, der auch Obmann des Medizin-Produkte-Handels in der Wirtschaftskammer Tirol ist. Sauer ist Gritsch auch auf die politischen Sonntagsreden zu den heimischen Arbeitsplätze: "Nicht reden, sondern die Hürden für heimische Betriebe abbauen."

Innerebner: Preis ist nicht alles!

Seitens der ISD meldete sich nun Geschäftsführer Hubert Innerebner zu Wort und betont, dass  die Ausschreibung völlig rechtens verlaufen sei: "Wir legen Wert auf die Feststellung, dass bei der Beschaffung der Pflegebetten für das Wohnheim O-Dorf nach dem Bestbieterprinzip vorgegangen wurde, nicht  nach dem Billigstbieterprinzip. Somit spielten bei der Auftragsvergabe neben dem Preis auch Kriterien wie Ergonomie, Optik und Sicherheit eine entscheidende Rolle. Die Bewertungskommission kam zum Ergebnis, dass das Konkurrenzprodukt nach Berücksichtigung aller maßgebenden Kriterien eindeutig zu bevorzugen ist. Wir verstehen die Enttäuschung von Oswald Gritsch, können sein unsportliches Nachtreten aber nicht nachvollziehen. Zumal er die Möglichkeit gehabt hätte, die Vergabeentscheidung zu beeinspruchen, darauf hat er bisher aber verzichtet."

Berufung kostet 15.000 Euro und ist rsikant

Darauf angesprochen, erklärte Gritsch: "Alleine die Beeinspruchung hätte mich 15.000 Euro gekostet. Die Chance, dass ich vor Gericht auch Recht bekomme, liegt leider nur bei 50 Prozent. Das ist ein zu großes Risiko für einen Kleinunternehmer. Das nächste Mal – und das wird sicher kommen –, werde ich aber beeinspruchen!"

Schiefe Optik bleibt! Kommentar von Markus Gassler

Nicht alles, was rechtlich legal ist, muss auch moralisch – bzw. in diesem Fall für den Steuerzahler – gut sein. Das ist die Conclusio aus der "Pflegebetten-Affäre". Es ist vom Gesetz her gedeckt und meistens auch gut, dass nach dem Bestbieterprinzip entschieden wird. Doch das Bestbieterprinzip wurde ja genau deswegen eingeführt, damit bei den EU-weiten Ausschreibungen auch die kleinen, heimischen Betriebe eine Chance haben. Im Fall von Oswald Gritsch wurde das aber gegen ihn eingesetzt. Wobei sich die für die Vergaben Zuständigen schon die Frage gefallen lassen müssen, was denn die Betten um sooo viel besser macht, dass sie um 25.000 bzw. 28.000 Euro teurer sein mussten. Argumentiert wurde unter anderem mit der "optischen Gestaltung" und der "Detailausführung" der Betten, wofür sich in der Jury vor allem die "Architektenseite" stark gemacht hat. Wie gesagt: Nicht alles, was rechtlich legal ist, ist auch für den Steuerzahler gut. Der hat nämliche den doppelten "Schaden": Er muss nicht nur mehr zahlen, sondern fällt auch noch um die Steuereinnahmen um, die Gritsch beim Zuschlag bezahlt hätte!

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