Neues Album

Mother’s Cake – Österreichs dreckigste Rockband

Musik
25.05.2015 17:00
Mit ihrem zweiten Album "Love The Filth" greifen die Tiroler Psychedelic-Rocker Mother's Cake zum Angriff und beweisen einmal mehr eindrucksvoll, dass österreichische Musik unglaublich international klingen kann. Nach Konzerten mit Iggy Pop und Anathema sind Yves Krismer und Co. aber auch routiniert genug, um sich ein frühes Denkmal in Albumform zu setzen. Hier ist nicht einmal der Himmel Limit.
(Bild: kmm)

Gemeinhin liegt es im kulturellen österreichischen Selbstverständnis, heimische Künstler, Bands und Nachwuchstalente so lange darben zu lassen, bis sie entweder entnervt das Handtuch schmeißen, visionslos von einem Kellerbeisl zum anderen touren oder sich schlichtweg an der Ignoranz des gesamten Umfelds aufreiben. Es gibt aber dennoch eine Handvoll Bands, die keine Lust darauf haben, als Prophet im eigenen Land nichts zu zählen. Die die Flucht nach vorn antreten, vielleicht dabei auch den Zeitgeist erwischen und das passende Momentum für sich nutzen, um sich energisch gegen die viel zu oft grassierende Miesmacherei im Alpenland zu stellen.

Erfolg im Kleinen
Das Tiroler Trio Mother's Cake, bestehend aus dem charismatischen Frontmann Yves Krismer (Gitarre, Lead Vocals) und seinen kongenialen Mitstreitern Jan Haußels (Drums, Backing Vocals) und Benedikt Trenkwalder (Bass), kann als Paradebeispiel für Talent, Beharrlichkeit und Erfolg herangezogen werden. Bilderbuch und Wanda im kleinen Rahmen sozusagen, was dem progressiven Rock-Gespann aber unrecht tun würde, denn Krismer und Co. sind eigentlich schon länger auf dem Radar alternativerer Musikliebhaber – nur dass der Bildschirm dieses Radars eben eine ganze Ecke kleiner ist als in der Pop-Welt.

Man mag es kaum glauben, dass das Trio die ersten Jahre nach der Gründung Anfang 2009 nicht gleich triumphierend alle Bandcontest-Teilnahmen gewann, so souverän, abgeklärt und – ja – international, Mother's Cake schon seit dem Debütalbum "Creation's Finest" (2012) vorgehen. Hinter Bandcontests verstecken sich eben oft die schönsten Perlen, auch wenn sich diese meist jahrelang unter Ausschluss der Öffentlichkeit präsentieren müssen. Mother's Cake haben von Anfang an einen anderen Weg eingeschlagen, sich für die Offensive entschieden und, um im Fußballerjargon zu bleiben, ganz im Gegensatz zu ihrem Heimatverein Wacker Innsbruck damit auch Erfolg gehabt.

Ein Schritt nach dem anderen
Gute bis enthusiastische Kritiken für das Debütalbum, Jack-White- und The-Mars-Volta-Keyboarder Ikey Owens als Gast auf der Single "Soul Prison", sechsstellige YouTube-Klickzahlen, der Austrian Newcomer Award 2013 und daraufhin das vielleicht wichtigste aller Kapitel – eine mehr als 50 Gigs umfassende Europa-Tour, bei der das hippieeske Trio aus Arzl im Pitztal mit internationalen Kapazundern wie den Deftones, Living Colour oder Iggy & The Stooges die Bühne teilte. Eine große Tour mit Anathema folgte im Vorjahr. Und mal ehrlich – wer es zudem schafft, den Geist von Led Zeppelin auf seinem Debüt so gut zu reproduzieren, ohne jemals selbst wirklich auf Led Zeppelin abgefahren zu sein, der hat schon rein intuitiv die richtigen Knöpfe gedrückt.

Es sind eher The Mars Volta, die Red Hot Chili Peppers oder Porcupine Tree, die den Sound der Tiroler geformt haben. Dieser wiederum ist spätestens jetzt, auf dem Anfang Juni erscheinenden zweiten Album "Love The Filth", derart eigenständig, dass der aufgeschlossene Prog-Psychedelic-Rock-Hörer tatsächlich zu exaltierten Luftsprüngen ansetzen muss. Dem psychedelischen 60s-Sound haben Mother's Cake weit mehr Platz eingeräumt als je zuvor, die sechs Songs plus Intro verwandeln sich umgehend zu memorablen Ohrwürmern und die bereits im Albumtitel angedeutete Liebe zum Dreck ist geradezu fühlbar, was vor allem an der natürlichen Produktion und dem steten Jam-Charakter der einzelnen Songs liegt.

Das Gute im Bösen
Krismer besingt darin die Verdorbenheit, die unsere Gesellschaft belastet, menschliche Abgründe und falsch interpretierte Gottesfürchtigkeit – zeitlose und wichtige Themen, die im weiteren Sinn alle zum steten Verfall unseres bewohnten Planeten führen. Dennoch schwingt eine positive, lebensbejahende Botschaft mit, die sich hervorragend mittels dissonanter Rhythmen und kratziger Gitarrenläufe ausdrückt. Die Süßkirsche auf dem progressiven Treiben ist dabei einmal mehr die tastsächlich an Robert Plant erinnernde, intensive Stimme von Krismer, die sich hervorragend zwischen polternde Schlagzeug- und atmosphärische Keyboardspuren legt.

Es hat tatsächlich große Klasse, wenn einem penibel zusammengebauten Sound-Ungetüm wie "Void" das sanft-verkopfte Instrumental "Solar Wind" folgt, wenn der prägnanten Single "Gojira" am Ende ein Opus Magnum der Marke "Insanity" entgegengestellt wird. Was sich dem Hörer als spielerische Leichtigkeit offenbart, war tatsächlich nichts anderes als harte, perfektionistische Studioarbeit. Von nichts kommt schließlich nichts und nicht zuletzt das liebevoll aufgemachte Digibook beweist eindeutig, dass der Zufall keine Option war.

Auf dem Weg zu den Großen
Irgendwo zwischen Queens Of The Stone Age, den Truckfighters, Neal Morse, Genesis und Jimi Hendrix mäandern die Alpenländler – so geschickt, spannend und erfrischend, dass man sich "Love The Filth" nur zu gerne im Dauer-Repeat-Modus durch die Gehörgänge jagen würde. Mother's Cake tun gut daran, alles auf eine Karte zu setzen und die Band im Lichtgeschwindigkeitstempo voranzutreiben. Es wäre zumindest nicht verwunderlich, würde der moderne Prog-Großmeister Steven Wilson bald aktiv ins Geschehen der zukunftsträchtigen Band eingreifen wollen. Wo soll das noch hinführen? Hoffentlich noch sehr weit. Verdient wäre es allemal.

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