Drastische Maßnahme

Innenministerin legt alle Asylverfahren auf Eis

Österreich
12.06.2015 16:00
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner will in der Flüchtlingsproblematik Druck auf die anderen Länder der EU ausüben. Deshalb stoppt sie bis auf Weiteres alle Asylverfahren - die Anträge bleiben liegen, behandelt werden nur noch Rück- und Abschiebungen. "Wir müssen unsere Attraktivität senken und die Schieflage in Europa ausgleichen", so Mikl-Leitner.

"Österreich ist der Asylexpress Europas, daher sind wir zum Zielland Nummer eins geworden", sagt die Innenministerin. Während das Asylverfahren für Kriegsflüchtlinge, etwa aus Syrien, in Österreich durchschnittlich vier Monate dauere, müssten die Menschen in Frankreich rund zwei Jahre warten. "Viele Länder legen die Hände in den Schoß und schauen Österreich zu. So kann das nicht weitergehen, diese Schieflage ist inakzeptabel", so Mikl-Leitner.

Sie greift nun zu einer drastischen Maßnahme: Alle Asylanträge werden auf Eis gelegt, und damit wird auch der Familiennachzug gestoppt. In Bearbeitung sind nur noch Rück- und Abschiebungen. "Das ist keine leichte Entscheidung, aber wir können nicht weiter mit Hochgeschwindigkeit fahren und die langsamen Länder putzen sich an uns ab", sagt Mikl-Leitner.

Diese Regelung will die Ministerin so lange beibehalten, bis es auf europäischer Ebene eine Lösung im Streit um die gerechte Verteilung der Flüchtlinge gibt. Allein am Donnerstag habe es 350 Asylanträge in Österreich gegeben, heißt es aus dem Innenministerium. "Seit einem Jahr fordere ich Solidarität. Jetzt braucht es Druck in der EU", betont Mikl-Leitner im Vorfeld des Innenministerrats in der kommenden Woche. Ein Aufschrei der Hilfsorganisationen ist vorprogrammiert.

Kommentar von Doris Vettermann: Ohnmacht
Schlimmer geht's nimmer? Wer das nach der Schnapsidee mit den Zelten für Flüchtlinge - während in Kasernen, aber auch in kirchlichen Einrichtungen durchaus reichlich Platz für Asylwerber vorhanden wäre - gedacht hat, wird wieder einmal eines Besseren belehrt. Der neueste Vorstoß von ÖVP-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, das Aussetzen aller Asylverfahren, kann nur in die Kategorie "völlige politische Ohnmacht" eingeordnet werden.

Die Menschen, die vor Krieg, Tod und Verfolgung in ihrer Heimat flüchten, kommen ja trotzdem auch nach Österreich. Was sich ändert, ist lediglich, dass die Papierberge an unerledigten Anträgen täglich anwachsen und irgendwann unüberschaubar werden. Und glaubt die Innenministerin tatsächlich, dass dieser Schritt, diese so furchtbare Drohung, wie sie anscheinend meint, die anderen Länder beeindruckt? Oder gar einschüchtert und zum Umdenken bewegt? So nach dem Motto: "Oh Gott, die Flüchtlinge sind zwar in Österreich und bleiben auch dort, bekommen dort aber keinen Asylstatus mehr. Jetzt müssen wir aber ganz dringend handeln, denn das geht ja wirklich nicht." Dass Frankreichs Präsident Francois Hollande oder Staatschefs anderer Länder, in denen die Asylverfahren sehr lang dauern, so reagieren, ist auszuschließen.

Einer zumindest kann sich, wieder einmal, freuen: FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Denn dieses deutliche Zeugnis der Rat- und Hilflosigkeit trägt schon mehr eine blaue als eine schwarze Handschrift. Ein FPÖ-Innenminister hätte wohl nicht viel anders gehandelt.

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