Drei Gipfel in einem
Nächster Kraftakt: Halb Europa beackert Griechen
Mit einem Eklat hatte am Vortag die mittlerweile dritte dringliche Euro-Gruppen-Sitzung zur griechischen Schuldenkrise in den vergangenen Tagen geendet: Das Treffen wurde bald nach Beginn abgebrochen - ohne jegliches Ergebnis. Entsprechend verhalten waren die Erwartungen an die Gespräche am Donnerstag. Es habe keine weiteren Fortschritte in der Nacht gegeben, sagte Schelling, bisher hätten die Griechen "jede Art von Kompromiss abgelehnt" und seien "ständig mit neuen Wünschen gekommen".
Auch sein deutscher Amtskollege Wolfgang Schäuble zeigte sich vor den neuerlichen Beratungen der Euro-Gruppe "nicht sehr optimistisch". "Es liegt eigentlich gar nichts Neues auf dem Tisch", so der Minister, "es gibt eher eine größere Differenz als eine Annäherung." Am Nachmittag hieß es dann, die Sitzung sei beendet - erneut ohne Lösung, teilte der finnische Finanzminister Alexander Stubb auf Twitter mit: "Das ist es für heute. Institutionen und Griechenland setzen Arbeit fort. Euro-Gruppe kommt später zurück, aber nicht heute."
Gipfelkarussell dreht sich: Geldgeber, Euro-Gruppe, EU-Bosse
Als Erstes waren Donnerstagmittag die sogenannten Institutionen, also die internationalen Geldgeber EU-Kommission, EZB und IWF, am Zug. Sie konnten sich bei ihrem Sondertreffen nicht auf einen gemeinsamen Text einigen, der die Reformvorschläge Athens mit den Vorstellungen der Gläubiger unter einen Hut bringt. Wie auch tags zuvor wurde der Ball an die Euro-Gruppe weitergespielt. Erwartungen: bescheiden. "Wir können nicht jeden Tag zusammenkommen", sagte Schelling, der den Griechen Verantwortungslosigkeit im Umgang mit der eigenen Bevölkerung vorwarf.
Diplomaten zufolge forderten nach den Finanzministern auch die Staats- und Regierungschefs der EU vom griechischen Ministerpräsidenten Tsipras ein Einlenken im monatelangen Schuldenstreit. Die Regierungschefs der Niederlande, Finnlands, der Slowakei sowie des Nicht-Euro-Landes Bulgarien hätten von Tsipras verlangt, das Kompromissangebot der Geldgeber anzunehmen. Nach Angaben von EU-Diplomaten verlangte Tsipras dagegen, dass eine Lösung im Schuldenstreit von den Europäern und nicht vom Internationalen Währungsfonds gefunden werden müsse.
Tsipras wirft IWF extreme Position vor
Diesen machte Tsipras neuerlich für das Scheitern der Verhandlungen verantwortlich. Er sagte, die politischen Führer der EU müssten die Verantwortung für die Zukunft Europas übernehmen. Bei einer Verlängerung des bestehenden Programms gehe es darum, die Rezession zu überwinden und das Vertrauen der Investoren zurückzugewinnen. Jedenfalls sei Griechenland mit seinen Vorschlägen bei der Euro-Gruppe auf die Institutionen zugegangen.
Der "Hauptgipfel", also das Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs, hatte neben dem Griechen-Drama noch weitere brisante Themen auf der Tagesordnung: allen voran den Umgang mit der Flüchtlingsproblematik, aber auch die britischen Wünsche nach Reformen des Vertragswerks stehen auf der Liste der EU-Spitzen.
EU-Spitzen wollen sich vorerst heraushalten
Am Donnerstag wollten sich die Staats- und Regierungschefs dem Vernehmen nach noch aus dem Griechenland-Poker heraushalten. "Der EU-Gipfel wird sich nicht in die Verhandlungen einmischen. Das ist Sache der Finanzminister und vor allem der drei Institutionen, Vorschläge zu machen", sagte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel. Und weiter: "Nach dem, was ich heute von der Sitzung der Finanzminister gehört habe, haben wir noch nicht den notwendigen Fortschritt gemacht. Und an manchen Stellen gibt es den Eindruck, dass wir sogar ein bisschen zurückfallen."
Bereits vor dem ergebnislosen Ende der Euro-Gruppe war am Donnerstagnachmittag die Rede davon gewesen, ein viertes Gipfel-Format einzuschieben: ein Euro-Gruppen-Treffen auf höchster Ebene, also mit Staats- und Regierungschefs anstelle ihrer Finanzminister. Das könnte Freitagfrüh der Fall sein, die EU-Spitzen sind aufgrund des turnusmäßigen Gipfels ohnehin in Brüssel. Das Sondertreffen könnte den Druck auf Tsipras weiter erhöhen, glauben Beobachter. Am Samstag soll - falls notwendig - eine weitere Euro-Gruppen-Sondersitzung stattfinden, hieß es am Donnerstagabend.
Deadline Sonntag?
Als letztmöglicher Zeitpunkt für eine Einigung wurde zuletzt der Sonntag ins Spiel gebracht - "sonst geht es sich mit den Parlamenten nicht aus", sagte Schelling. Einige EU-Staaten, unter anderem Deutschland und vor allem Griechenland selbst, müssten etwaige Beschlüsse noch durch das Parlament schicken.
Ein Kompromiss ist Voraussetzung für die Auszahlung von 7,2 Milliarden Euro an derzeit blockierten Hilfen. Das von der Pleite bedrohte Griechenland braucht dringend frisches Geld, am 30. Juni läuft das bereits zweimal verlängerte Hilfsprogramm der Europäer für Athen aus.
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