"Der Ramadan ist sicher kein Monat des Waffenstillstands. Nein. Im islamischen Fastenmonat wird die eigene Stärke betont", erinnert die Nahost-Expertin im "Krone"-Gespräch auch an die Situation im Irak: "Ab 2005 hatten wir auch im Irak die ersten blutigen Anschläge im Ramadan. Immer nach eindeutigen Aufrufen der Prediger."
"Täterprofil zu erstellen unglaublich schwierig"
Die Gefahr für Europa sei groß: "Wir erleben - wie beim jüngsten Mord in Frankreich - einen Feind von innen. Der Täter ist nicht radikal, weil er sich einer Terrororganisation angeschlossen hat, sondern weil er sich selbst seinen Fanatismus zusammengestellt hat." Verfassungsschutz-Experten nennen diese Täter "einsame Wölfe", die jahrelang unauffällig in Europa leben, bevor sie zuschlagen. Karin Kneissl: "Und hier ein Täterprofil zu erstellen ist unglaublich schwierig. Wie auch darüber zu entscheiden, wer ein Fall für die Psychiatrie oder aber ein Terrorist ist."
Und in welche Tätergruppe könnte der Amokfahrer von Graz passen? Die Nahost-Expertin formuliert vorsichtig: "Diese zusätzliche Messerattacke - das hat mich stutzig gemacht. Denn am 20. September des Vorjahres hat der IS in einem Kommuniqué in mehreren Sprachen befohlen, dass Anschläge mit Messer oder Autos verübt werden sollen."
Serie von Amokfahrten: "Wie Terroranschläge"
In Kanada, Israel, Frankreich kam es bereits vor der Bluttat in Graz zu derartigen Attentaten. "Diese Amokfahrten müssen als Terroranschläge gewertet werden", sagt Kneissl. Und zur Tragödie in Österreich meint sie: "Ich sehe auch nicht, warum der Grazer Täter im Affekt gehandelt haben soll. Drei Wochen nach dem Ehestreit und der Wegweisung?"
Auch dass die Exekutive bereits eineinhalb Stunden nach der Tat als Grund für die Tat eine Psychose nannte, sei für die Expertin "seltsam". Sie kritisiert "die Art und Weise, wie hier sehr rasch andere Motive ausgeschlossen worden sind".
Bedrohungslage für Europa ernst
Dass die Bedrohungslage für Europa sehr ernst ist, darauf hat Karin Kneissl bereits mehrmals deutlich hingewiesen: "Warnungen gingen dazu bis zu Europol und Interpol. Dort war man informiert. Wir müssen auch damit rechnen, dass in Frankreich noch mehr passiert. Wir bekommen jetzt die geografische und politische Nähe Europas zum Nahen Osten zu spüren. Die USA ziehen sich zurück - und Europa bleibt auf dem Scherbenhaufen sitzen." Kneissl möchte keinesfalls verunsichern: "Aber alle Staatsbürger müssen zu einem wachsamen Miteinander aufgefordert werden. Das Problem wegzureden bringt gar nichts."
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