"Ein Rohrkrepierer"

London will nicht für Griechenland zahlen

Ausland
14.07.2015 14:51
Die britische Regierung will offenbar jegliche finanzielle Beteiligung am neuen Hilfsprogramm für Griechenland abwenden. "Die Vorstellung, das Geld britischer Steuerzahler für die neueste Vereinbarung mit Griechenland zu verwenden, ist ein Rohrkrepierer", teilte das Finanzministerium in London laut britischen Medienberichten vom Dienstag mit. In Athen kämpft derweil Premier Alexis Tsipras mit massivem Widerstand gegen den in Brüssel ausverhandelten Kompromiss.

Wie die "Financial Times" und andere britische Medien berichteten, habe der britische Finanzminister George Osborne vor dem Treffen der EU-Finanzminister am Dienstag in Brüssel eine Reihe von Telefonaten mit seinen europäischen Kollegen bezüglich des Hilfprogramms für Athen geführt. "Unsere Kollegen von der Eurozone haben klar und deutlich die Botschaft erhalten, dass es nicht hinnehmbar wäre, in dieser Angelegenheit eine britische Unterstützung wiederaufzugreifen", verlautete demnach aus dem Finanzministerium.

EFSM-Reaktivierung für Brückenfinanzierung?
2010 hatte der britische Premier David Cameron die Zusage erhalten, dass der damalige Europäische Stabilitätsmechanismus (EFSM) aller EU-Staaten keine Hilfsprogramme für Euro-Länder mehr gewährt. Vielmehr sollten nur die 19 Euro-Länder für solche Hilfsprogramme geradestehen. Nun hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker allerdings laut britischen Medien vorgeschlagen, den EFSM als zusätzliche Sicherheit für kurzfristige Kredite für Griechenland wiederzubeleben.

Hilfsprogramm wird erst in Wochen stehen
Da es laut Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem zumindest vier Wochen dauern wird, bis das dritte Rettungsprogramm steht, beraten die Euro-Länder auch über eine Überbrückungsfinanzierung für Athen. Das "Handelsblatt" berichtete am Dienstag unter Berufung auf Vertreter der Eurozone, der EFSM, der noch über 11,5 Milliarden Euro verfüge, könnte dafür reaktiviert werden. Diese Möglichkeit stehe auf einer Liste der Euro-Finanzminister mit Optionen zur Brückenfinanzierung, die Experten nun prüfen sollten.

Weiterhin große EU-Skepsis in Großbritannien
Cameron sieht sich seit einiger Zeit einer wachsenden EU-Skepsis der Briten gegenüber. Deshalb hatte er vor seiner Wiederwahl im Mai versprochen, bis spätestens Ende 2017 ein Referendum über den Verbleib Großbritanniens in der EU durchführen zu lassen. Um sein Land in der EU zu halten, bemüht er sich derzeit, günstigere Bedingungen für Großbritannien auszuhandeln.

Athen muss umfangreiche Bedingungen erfüllen
Die Euro-Länder hatten sich Montagfrüh in Brüssel grundsätzlich bereit erklärt, das vom Staatsbankrott bedrohte Griechenland mit einem neuen Milliarden-Hilfsprogramm zu unterstützen. Sie knüpften dies aber an umfangreiche Bedingungen. Durch den Kompromiss konnte der griechische Ministerpräsident Tsipras vorerst eine Staatspleite und ein drohendes Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro abwenden. Bis zur Lösung ist es aber noch ein weiter Weg. Erst wenn Athen alle Bedingungen erfüllt hat, wollen die Europartner in die Verhandlungen einsteigen.

Tsipras kämpft um innenpolitische Unterstützung
Indes formiert sich auch in Athen massiver Widerstand gegen den in Brüssel ausgehandelten Kompromiss. So wollen der linke Flügel der Syriza-Partei von Tsipras und der rechtspopulistische Koalitionspartner Partei der Unabhängigen Griechen (Anel) gegen das Paket stimmen. Das Votum ist für Mittwoch angesetzt und könnte zur Zerreißprobe für die Koalition werden. Zudem rief die Gewerkschaft der Staatsbediensteten aus Protest zu einem landesweiten Streik auf. Tsipras war bei der Wahl mit dem Versprechen angetreten, weitere Sparauflagen der internationalen Geldgeber abzuwenden.

"Grexit" für Experten nach wie vor nicht vom Tisch
Auch nach dem Reformkompromiss mit der Eurozone ist für Analysten ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Währungsraum nicht vom Tisch. Etwa jeder dritte hält einen "Grexit" für wahrscheinlich, wie aus einer am Dienstag veröffentlichten Umfrage unter 58 Experten hervorgeht. "Es wird ziemlich schnell deutlich werden, dass Griechenland die Eurozone verlassen muss, um seine Schulden loszuwerden und seine Wettbewerbsfähigkeit zu steigern", sagte etwa Jonathan Loynes vom Analysehaus Capital Economics.

IWF: Schuldenberg wächst mit drittem Hilfsprogramm
Der Internationale Währungsfonds warnte, dass mit dem dritten Hilfsprogramm der griechische Schuldenberg drastisch anwachsen würde. Bis Ende 2018 sei demnach mit einem Schuldenstand von fast 200 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung zu rechnen. "Die griechischen Schulden sind in höchstem Maße unhaltbar geworden", schreiben die Autoren in einer vor knapp zwei Wochen veröffentlichten IWF-Analyse zur Schuldentragfähigkeit Griechenlands. Das Land benötige Schuldenerleichterungen weit jenseits der bisherigen Erwägungen.

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