Ohne die Unterstützung des Koalitionspartners Anel und der proeuropäischen Oppositionsparteien hätte Premier Tsipras die Maßnahmen, zu denen auch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer und automatische Ausgabenkürzungen gehören, nicht durchs Parlament gebracht. Der zweite Teil des Reformprogramms soll bis Mittwoch kommender Woche verabschiedet werden.
Auch Varoufakis stimmte mit Nein
Der griechische Regierungschef hatte unmittelbar vor dem Votum damit gedroht zurückzutreten, sollte er die Regierungsmehrheit verlieren. Es war zunächst unklar, ob die Regierung zerbrechen und eine Umbildung notwendig werden würde. Tsipras war mit seinem Kurs in Teilen seiner Partei Syriza auf erbitterten Widerstand gestoßen. Zu den Abweichlern in der Syriza-Fraktion zählten Energieminister Panagiotis Lafazanis und Parlamentspräsidentin Zoe Konstantopoulou. Auch der ehemalige Finanzminister Yanis Varoufakis verweigerte seine Zustimmung. Tsipras erhielt allerdings die Unterstützung der europafreundlichen Oppositionsparteien.
Einen Stimmungsumschwung hatte Tsipras auch mit seinem eindringlichen Appell vor dem Parlament nicht bewirken können. "Ich stand vor verschiedenen Möglichkeiten: Eine war es, ein Abkommen zu akzeptieren, mit dem ich in vielen Punkten nicht einverstanden bin, eine andere war ein ungeordneter Zahlungsausfall", erklärte Tsipras den Abgeordneten sein Dilemma. Es gebe "für uns alle keine andere Möglichkeit, als die Last dieser Verantwortung zu teilen". "Wir werden nicht von unserem Versprechen abrücken, bis zum Ende für die Rechte der arbeitenden Menschen zu kämpfen", versprach Tsipras.
Finanzminister: "Entscheidung wird auf meinem Leben lasten"
Der neue Finanzminister Efklides Tsakalotos sagte in der Parlamentsdebatte, die Entscheidung für das neue Hilfspaket werde "auf meinem ganzen Leben lasten". "Ich weiß nicht, ob wir das Richtige getan haben. Ich weiß, dass wir etwas getan haben, bei dem wir aus unserer Sicht keine Wahl hatten", bekannte Tsakalotos.
Die Parlamentssitzung wurde von Protesten gegen die Auflagen begleitet, bei denen es auch zu gewaltsamen Ausschreitungen kam(siehe Video oben). Einige radikale Demonstranten versuchten sogar, das Parlament zu stürmen. Doch Polizeikräfte konnten die gewaltbereiten Regierungsgegner aufhalten. Nach Angaben aus Polizeikreisen wurden vier Beamte leicht verletzt und etwa 40 Randalierer festgenommen.
Parlamente in Wien und Berlin stimmen am Freitag ab
Die Euro-Länder hatten sich am Montag nach einem 17-stündigen Verhandlungsmarathon bereit erklärt, das vom Staatsbankrott bedrohte Griechenland mit einem neuen Milliarden-Programm zu unterstützen. Der deutsche Bundestag stimmt am Freitag über die offizielle Aufnahme von Verhandlungen über das Hilfsprogramm ab, es wird mit einer Zustimmung gerechnet. Auch der Nationalrat in Wien soll am Freitag über das Verhandlungsmandat abstimmen.
EU-Kommission stellt Brückenfinanzierung in Aussicht
Die EU-Kommission zeigte sich erfreut über die Zustimmung des griechischen Parlaments zu den Spar- und Reformauflagen der Eurozone. Dies sei ein erster gesetzlicher Umsetzungsschritt und in "zufriedenstellender Weise erfolgt", hieß es am Donnerstag. Zur ausstehenden Brückenfinanzierung über den EFSM meinte eine Sprecherin, eine Auszahlung könne sofort nach einem Beschluss darüber erfolgen.
Die Regelung einer Zwischenfinanzierung mit dem ersten Rettungsmechanismus EFSM, an dem alle 28 Staaten beteiligt sind, beinhalte die Option einer Garantie für die Nicht-Euro-Staaten. Diese Variante werde noch geprüft. "Wenn die Entscheidung gefallen ist, kann das Geld rasch ausbezahlt werden", so die Kommissionssprecherin. Die deutliche Zustimmung im griechischen Parlament sei ein Zeichen dafür, dass "Athen mit lauter Stimme" gesprochen habe. Die Kommission nehme dieses Signal auf.
Schäuble hält an "Grexit" auf Zeit fest
Griechenland ist akut von der Pleite bedroht, die Banken sind seit zweieinhalb Wochen geschlossen. Der Finanzierungsbedarf des Landes in den kommenden drei Jahren wird mit 82 bis 86 Milliarden Euro beziffert. Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble wird nicht müde, die Idee eines temporären "Grexit" zu forcieren. Am Donnerstag betonte Schäuble, dass ein möglicher Schuldenschnitt nicht vereinbar sei mit der Mitgliedschaft in der Währungsunion. Der Finanzminister wertete die Entwicklung in Griechenland als "ein bisschen verwirrend". Schließlich habe die Bevölkerung vor wenigen Tagen in einem Referendum für das genaue Gegenteil von dem gestimmt, was das Parlament nun beschlossen habe.
Zur heftigen Kritik an Deutschlands Rolle im Schuldenstreit sagte der Minister, es gehe nicht darum, Griechenland "etwas aufzuerlegen", sondern dabei zu helfen, dass sich die Griechen "irgendwann" den Lebensstandard leisten könnten, den sie sich leisten wollten. Dies setze Reformen voraus, um wettbewerbsfähig zu werden.
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