Bub von Mama getötet

“Ich wollte, dass Alesio ins Paradies kommt”

Österreich
19.07.2015 07:53
Weil böse Stimmen ihr das befahlen, tötete Tamara K. ihren kleinen Sohn. "Seit Jahren bat ich das Jugendamt, ihr den Buben wegzunehmen", sagt nun die Mutter der Frau.

Biljana M. ist eine hübsche Frau mit sehnigen Händen und einem gutmütigen Blick. "Mein Mann und ich", sagt die Bosnierin, "haben hart geschuftet, um uns in Österreich eine gesicherte Existenz aufzubauen." Lange schien es, als hätte das Ehepaar das geschafft.

Ihre zwei Töchter waren fleißige Schülerinnen, und als Tamara, die Ältere, mit 18 Jahren Marinel S. – einen gebürtigen Rumänen, Lkw-Fahrer von Beruf – kennenlernte und bald mit ihm Hochzeit feierte, "hatten wir nichts dagegen".

Schnell wurde die junge Frau schwanger. Am 25. August 2008 kam Alesio zur Welt. Die kleine Familie zog in eine 60-Quadratmeter-Wohnung in der Braunspergengasse in Wien-Favoriten. "Einige Zeit waren Tami und Marinel dort wirklich glücklich miteinander."

Zwei Jahre später kamen die ersten groben Probleme
Als ihr Bub zwei Jahre alt war, fingen die Schwierigkeiten an. Der junge Vater ging plötzlich abends häufig alleine aus. "Tami kränkte das." Sie reagierte mit Seitensprüngen. Verbale Auseinandersetzungen, Schlägereien. 2013 die Scheidung. "Kurz darauf heiratete Tami noch einmal." Jasmin K., einen Bosnier, ein Wettbüro-Angestellter, "den wir", so Biljana M., "nie leiden konnten." Weil er regelmäßig in seine Heimat fuhr, zu der Ex-Gattin und seinem Sohn, "und weil Alesio ihn nicht mochte."

Sie sprach oft von schwarzer Magie
Laut Angaben der Großeltern wären an dem Kleinen ab 2014 Anzeichen von Misshandlungen zu sehen gewesen: "Und es kam nicht selten vor, dass Tami ihn über Wochen bei uns ließ, ohne sich zwischendurch nach ihm zu erkundigen."

"Überhaupt", berichtet Biljana M.,"hat sich unsere Tochter in den vergangenen zwei Jahren sehr verändert." Sie kündigte ihre Stelle als Empfangsdame. Sprach von schwarzer Magie und einem mächtigen Gott, mit dem sie kommuniziere. Sie begann, Cannabis zu konsumieren.

25-Jährige litt unter manisch-depressiven Verstimmungen
Im Sommer 2014 zog sie sich auf der Triesterstraße splitterfasernackt aus. Danach wurde sie für sechs Tage stationär in einer Psychiatrie aufgenommen. Diagnose: manisch-depressive Verstimmungen. Fortan musste Tamara K. Pillen einnehmen. "Was sie", sagt Biljana M., "mitunter nicht tat. Und dann verschlechterte sich ihr seelischer Zustand massiv."

Die Eltern der Frau wiesen "das Jugendamt wiederholt darauf hin, dass Tami nicht fähig wäre, ihren Buben adäquat zu versorgen. Dass es besser wäre, ihn in unsere Obhut zu übergeben. Doch die Behörden nahmen unsere Bedenken nicht ernst."

Seltsames Verhalten beim letzten Treffen
Am Nachmittag des 4. Juli sah Biljana M. ihren Enkel zum letzten Mal in ihrem Leben. "Tami und ich waren vor ihrem Haus verabredet, eigentlich sollte der Kleine ja das Wochenende bei mir verbringen. Doch meine Tochter weigerte sich, ihn mir zu übergeben." Ihr Gatte befinde sich in Bosnien, erklärte die 25-Jährige ihrer Mutter, und dass sie nicht allein sein wolle.

Welchen Eindruck machte Tamara K. bei dem Treffen? "Einen seltsamen", sagt Biljana M., "sie übergab mir eine Marien-Statue und einen Parfümflakon. Diese Dinge brauche sie nicht mehr, meinte sie, weil jetzt Allah ihr Gott wäre. Und sie nahm T-Shirts, die ich für Alesio gekauft hatte, nicht an. Schenk sie einem anderen Kind, fauchte sie."

"Bring Alesio ins Paradies!"
24 Stunden später brachte Tamara K. ihren Sohn um. "Ich saß auf der Couch und sah mir einen Film an", so die Frau im Vehör: "Die Stimmen, die aus dem Fernseher kamen, waren so eindringlich und laut. Irgendwann befahlen sie mir: Bring Alesio ins Paradies!"

Tamara K. zwang ihren Sohn, ein Fläschchen Beruhigungstropfen zu trinken, er erbrach, "also löste ich stärkere Pillen in Saft auf und gab ihm die Mischung zu trinken. Er wurde müde, ich drückte einen Polster gegen sein Gesicht. Bis er sich nicht mehr bewegte. Ich wusste aber nicht, ob er tatsächlich tot war. Deshalb holte ich ein Stanley-Messer aus der Küche."

Die 25-Jährige fügte damit ihrem Kind zahlreiche Verletzungen zu, an den Armen, am Hals, im Bauch- und Brustbereich."Und dann wollte ich mir die Pulsadern aufschneiden. Doch ich schaffte das nicht." In der Folge packte sie Schmerz-, Abführmittel, Psychopharmaka, den Koran und Kleidung in eine große Tasche. Sie warf noch eine Decke über Alesios Leiche – und verließ ihre Wohnung.

Jetzt fragt sie: Was habe ich getan?
Wenige Stunden später – "was ich in der Zwischenzeit gemacht habe, weiß ich nicht mehr" – quartierte sie sich in einer Frühstückspension in Wien-Liesing unter dem Namen Elisabeth Müller ein: "Dort, im Zimmer 11 im ersten Stock, nahm ich 100 Tabletten ein. Aber ich starb nicht. Sondern bekam bloß Durchfall."

Am 7. Juli fuhr sie mit einem Taxi zum Kahlenberg. Irrte dort ziellos umher. Polizeibeamte griffen sie schließlich auf: "Ich glaube, ich habe meinen Sohn umgebracht. Sie sollten mich verhaften", erklärte sie ihnen.

Tamara K. befindet sich nun in Untersuchungshaft. Nicht in einem Gefängnis, sondern in der geschlossenen Psychiatrie eines Spitals. "Was habe ich bloß getan?", fragt sie ständig die Justizbeamten, die sie rund um die Uhr bewachen.

"Ich werde den Tod meines Enkels niemals verkraften"
Biljana M. sitzt in ihrer Wohnung, auf dem Bett, in dem Alesio so oft geschlafen hat, wenn seine Mama ihn nicht bei sich haben wollte. Die Großmutter drückt eines seiner geliebten Stofftiere an sich: "Ich werde den Tod meines Enkels niemals verkraften", schluchzt sie. Ihre Tochter hat sie bislang noch nicht besucht: "Ich habe keine Ahnung, ob ich ihr jemals vergeben kann."

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