Harte Schale,...

“Deutschland, gib mir ein Mic” von Bushido

Musik
29.04.2006 14:02
Über viele Jahre hinweg war Hip Hop in Deutschland ein Ort des Friedens, aber dann trat die Berliner Szene ins Licht der Öffentlichkeit und der Umgangston wurde härter. Explizite Texte über Gewalt und Sex riefen zu guter Letzt sogar die Politik auf den Plan. Auch Bushido, der sich gerne als "Staatsfeind Nummer 1" bezeichnet, blieb davon nicht verschont: Manche seiner Songs landeten auf dem Index. Seinem Erfolg hat das keinen Abbruch getan, wie die Live-DVD und -CD zu "Deutschland, gib mir ein Mic" beweisen.
(Bild: kmm)

Die Berliner Columbia Halle ist ausverkauft, selbst auf den oberen Rängen stehen kreischende Fans und warten auf ihren "King Bushido". Der kommt mit dem plötzlichen Rummel um seine Person noch immer nicht ganz klar -schließlich muss in einem kleinen Rektum erst einmal Platz für eine Atombombe geschaffen werden. Bushido umschreibt dies natürlich ein wenig pikanter.

Seine offene Art bietet daher auch immer wieder Anlass zu Kritik. Auch auf seinem Konzert geizen er und sein "Homie" Baba Saad nicht mit schmutzigen Worten. Die primären Geschlechtsorgane sind so groß, dass man damit Waldbrände löschen kann, die Mutter des Kontrahenten wird so richtig hart rangenommen und überhaupt sind alle und jeder "Opfer", die "gefickt" gehören. Damit die Botschaft auch ankommt, gibt es jede Menge Stinkefinger zu sehen und DJ Stickle schießt nach jedem Song ein Paar Gewehrsalven aus seinem Sampler ab. Auch die Ansagen zwischen den Songs lassen aufgrund der vielen "Ey, alter" und dem Lokalpatriotismus eine gewisse Eloquenz vermissen.

Doch wer Bushido nur auf diese Aussagen beschränkt, der tut ihm unrecht. Denn der Berliner Rapper hat auch eine sanfte Seite, die ihm eigentlich viel besser steht und zumindest bei den weiblichen Fans, die für richtiges "Tokio Hotel"-Feeling sorgen, auch sehr gut ankommt. Songs wie "Augenblick", bei dem Bushido das Singen ganzer Strophen seinen Fans überlässt, oder "Denk an mich", "Sieh in meine Augen" und "Mein Leben lang" zeigen Bushidos textliche Qualitäten. Durch die musikalische Unterstützung von Live-Drums und einem Bass erhalten die Songs zudem wesentlich mehr Dynamik.

Spätestens am Ende des Gigs, wenn Bushidos Mutter ihrem Sohn um den Hals fällt, wird einem klar: Der ist eigentlich gar nicht so böse. Der ist lieb zu Kindern, schenkt einem hysterischen Fan sogar eine Ananas, damit sie endlich ruhig ist, spricht über Gemüse und Tee mit Honig und beweist schließlich humoristisches Talent, wenn er von seinem unfreiwilligen Aufenthalt in Linz oder einem Auftritt mit dem Wu-Tang Clan erzählt. Irgendwie kann man ihm die vielen proletoiden Texte nach Anschauen des Live-Auftritts nicht mehr ganz so übel nehmen.

Neben dem überlangen Live-Mitschnitt bietet die "Deutschland gib mir ein Mic"-DVD noch amüsantes Backstage-Material und Videoclips. Wer auf bewegende Bilder verzichten kann, der findet den Live-Mitschnitt mit Bushidos größten Hits - von "Staatsfeind Nr.1 " über "Ersguterjunge" und "Electrofaust" bis hin zu "Nie ein Rapper" - auch auf der gleichnamigen CD wieder.

Fazit: 8 von 10 Schafen im Wolfspelz

von Sebastian Räuchle

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