Er will nicht lesen, nicht fernsehen. Er kann kaum schlafen. Die meiste Zeit des Tages läuft Alexander I. in seiner Zelle in der Justizanstalt Salzburg-Puch nervös auf und ab. Und immer wieder starrt er minutenlang aus dem vergitterten Fenster ins Freie. "Weil ich ja wissen muss", sagt er, "wo meine Verfolger sind."
Ist der 21-Jährige geistesgestört? Oder spielt er bloß den Verrückten? Was war das Motiv für seine Bluttat? Warum hat er am Abend des 8. Oktober 2014 Mirela B. (19) getötet, fast 50-mal mit sechs Messern auf sie eingestochen, ihre Leiche verstümmelt und vielleicht sogar davon gegessen? Fragen, die bei seinem Prozess, der am 31. August beginnt, endlich beantwortet werden sollen.
"Seine Mutter hatte Angst vor ihm"
Wer ist Alexander I.? Seine Eltern trennten sich, als er zwei war. Den Vater sah er danach nie wieder. Die Mutter: Sie verhätschelte ihn, erfüllte ihm jeden Wunsch. "Je älter Alex wurde", erinnert sich eine Bekannte der Familie, "desto mehr agierte er daheim wie ein Despot." Seine Mama akzeptierte sein Verhalten: "Denn sie hatte Angst vor ihm." In den Phasen, in denen er sich in der gemeinsamen Wohnung einbunkerte, darauf bestand, dass rund um die Uhr die Jalousien heruntergelassen waren und er mit irrem Blick auf seinem Bett saß.
Alexander I.: In der zweiten Klasse Handelsakademie ging er von der Schule ab, danach arbeitete er bei Versicherungen, einem Steuerberater und zuletzt bei einer Bank. Wo er Geld unterschlug. Deshalb und wegen eines weiteren Betrugsdelikts hätte er sich am 9. Oktober 2014 vor Gericht verantworten sollen.
"Eine harmonische Beziehung"
Der 21-Jährige war bereits arbeitslos, als er im Herbst 2013 in einem Lokal Mirela B. kennenlernte. Es dauerte nicht lange und die beiden gingen eine Liebesbeziehung ein. Die erste im Leben der Kellnerin. "Deshalb", erzählt der Täter jetzt, "ist sie für mich auch besonders interessant gewesen." "Mirela und Alex", berichten Verwandte des Opfers, "führten eine harmonische Beziehung. Sie schienen in ihren gegensätzlichen Charakteren gut zueinander zu passen." Der nach außen hin so besonnene, ruhige Bursch und das quirlige Mädchen.
Und nachdem Mirela B. ihren Freund im Sommer 2014 bei einem Seitensprung ertappt und in der Folge mit ihm Schluss gemacht hatte, "redete ich ihr", so ein Cousin des Opfers, "sogar zu, ihm zu vergeben. Und ich war froh darüber, dass sie sich weiterhin mit ihm traf."
"Alex ist nicht normal"
Bis zum 6. Oktober: "Denn da begriffen wir, dass Alex nicht normal ist." Unter dem Vorwand, seine Großmutter vor Einbrechern beschützen zu müssen, fuhr er mit seiner Ex-Freundin zum Haus der alten Frau. Am Rücksitz des Wagens: ein Messer. Am "Tatort" angelangt, weigerte sich Mirela B., aus dem Auto zu steigen. Alexander I. verschwand mit der Waffe im Garten. Bei seiner Rückkehr behauptete er, einen Mann ermordet zu haben.
Gleich erzählte die 19-Jährige ihren Angehörigen diese abstruse Geschichte. Und auch, dass Alexander I. Ende 2013 einen anderen Nachnamen angenommen hatte, seinen alten Pass jedoch wie ein Goldstück aufbewahrte: "Deshalb rieten wir Mirela, sich in Zukunft von Alex fernzuhalten." Was die B.s damals nicht ahnen konnten: Bereits Wochen vor seiner Tat hatte der 21-Jährige begonnen, im Internet zu den Begriffen "Ritualmord" und "geisteskranke Mörder" zu recherchieren und in Kannibalen-Foren zu chatten. Zudem war er mit okkulten Kreisen in Amerika in Kontakt getreten und hatte für den 7. Oktober einen Flug in die USA gebucht. Den er dann kurzfristig um zwei Tage verschob.
Freundin mit 50 Messerstichen malträtiert
Zwölf Stunden vor dem Abflug - und vor seiner Verhandlung wegen Betrugs - rief Alexander I. seine Ex-Freundin am Handy an und bat sie, nach Saalfelden zu kommen, in die Wohnung seiner Mutter, der er davor befohlen hatte, auszugehen. Gegen 21.30 Uhr traf die 19-Jährige bei ihm ein. Sofort versetzte er ihr den ersten Messerstich. Letztlich wurde er von seiner Mutter beim Malträtieren der Leiche überrascht. Die Frau alarmierte die Polizei.
In Verhören sprach der Täter zunächst davon, sein Verbrechen aus Lust am Töten und dem Wunsch, Menschenfleisch zu essen, begangen zu haben. Später erklärte er, er habe davor den Irren nur gemimt - und, dass sein wahres Motiv Eifersucht auf einen möglichen Nebenbuhler gewesen sei.
"Mörder sind hinter mir her"
Was sagt Alexander I. jetzt über seine Tat? "Seit meiner frühesten Jugend weiß ich, dass Mörder hinter mir her sind. Als ich 16 war, starb mein Onkel bei einem Unfall. Ich sah seinen Tod als Warnung meiner Verfolger an mich. Und dann sprach auch schon bald Satan zu mir. Er erklärte mir, dass ich sein Diener bin und ihm irgendwann ein Opfer bringen muss. Ähnliches hörte ich vom Chef einer amerikanischen Untergrund-Organisation, bei der ich wegen meines Prozesses untertauchen wollte. Ich würde erst in seine Gruppe aufgenommen, meinte er, wenn ich ein reines Wesen umgebracht hätte. Und Mirela war eben - rein."
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