Dabei gab er die Richtung für die nächste Platte schon vor zwei Jahren vor: "Ich hoffe, dass ich mit 35 noch ein Album machen kann, das nicht mehr das rebellische Ich-haue-auf-den-Putz-Album ist, sondern ein Album, das etwas bewegt", sagte Sido damals im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Jetzt, nachdem das neue Album mit dem Titel "VI" fertig ist, sagt er: "Dieses Album ist sehr erwachsen, das sind Themen, mit denen erwachsene Menschen sich befassen können."
Sätze aus dem Poesie-Album
Deswegen rappt der Millionär von Superreichen, die trotz Privatjet und Kaviar unzufrieden sind, oder erzählt die Geschichte des heroinsüchtigen Kevin, der in die Beschaffungskriminalität rutscht. In "Zu Wahr" reiht Sido Dinge aneinander, die ihn zum Ausrasten bringen: die Situation der Flüchtlinge, Ausbeutung, Fanatismus, Umweltverschmutzung, Hunger, Menschenhandel - das sind nur ein paar der Themen, die er kurz anreißt. Am Ende raunt Sido dann ins Mikrofon: "Ich hoffe nur, dass der Song dich ein bisschen zum Nachdenken bringt. Ich weiß, es ist nicht immer einfach, ein guter Mensch zu sein, aber es kommt auf den Versuch an. Lass es uns versuchen." Sätze, die direkt aus einem Poesie-Album stammen könnten.
Meist dreht es sich bei Sido jedoch um ihn selbst. Er erzählt, dass er noch nicht bereit ist für den Sensenmann, berichtet von seiner Vergangenheit auf der Straße, die dazu führt, dass er heute nicht wirklich dazugehört, und rechnet mit aufdringlichen Autogramm-und Selfie-Jägern ab. "Ich habe kein Problem damit, meinen Fans ein Foto oder ein Autogramm zu geben oder mich mit denen zu unterhalten. Wenn es aber respektlos wird, wenn ich mit meiner Mutter beim Essen sitze, muss jeder doch so viel Anstand haben und sagen: 'Nee, da kannst du jetzt nicht hingehen.'", sagt er im Interview.
Fan des Kollegen
Für das positive Highlight des Albums hat sich Sido Andreas Bourani ("Auf uns", "Nur in meinem Kopf") mit ins Boot geholt. Die Zusammenarbeit kam über die Bewunderung zustande, die der Rapper dem Soul-Sänger entgegenbringt. Bourani ist seiner Meinung nach der derzeit beste Sänger in Deutschland: "Krasse Stimme, krasser Ausdruck, krasser Soul - da stimmt einfach jeder Ton." Zum Inhalt des runden Popsongs "Astronaut" wurde Sido vom deutschen Raumfahrer Alexander Gerst und dessen Bildern aus der Raumstation ISS inspiriert, gestand der Rapper vor kurzem auf Twitter.
Seine Ausflüge auf die Leinwand ("Blutzbrüdaz", "Halbe Brüder") sollen eher die Ausnahme bleiben. "Musik ist das, was ich am besten kann. Warum sollte der beste Schuster der Welt auf einmal Tischler werden?" Die Schauspielerei sei eine schöne Nebenbei-Sache, die ihn künstlerisch fordere. "Bei der Schauspielerei kann ich etwas lernen, und da treffe ich immer wieder Leute, von denen ich gerne lernen möchte", sagt er. "Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ich so gut werde, dass ich das, was ich wirklich gut kann, dafür aufgebe."
Chance verdient
Insgesamt liefert Sido mit "VI" ein Standard-Album ohne große Überraschungen ab. Wer sich eine Fortführung seines vergangenen Erwachsenen-Albums "30-11-80" wünschte, darf dem sechsten Studioalbum des Berliner Rappers aber gerne eine Chance geben.
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