Nun ist es Gewissheit: Die österreichischen Behörden hätten den 71 Flüchtlingen in dem Todes-Lkw, der am vergangenen Donnerstag auf der Ostautobahn im Burgenland entdeckt worden war, nicht mehr helfen können. Die Männer, Frauen und Kinder aus Syrien, dem Irak und Afghanistan, die sich in Europa Schutz und Hilfe erhofft hatten, waren schon tot, als sie die österreichische Grenze überquerten. "Die Opfer sind noch in Ungarn erstickt", erklärte Doskozil am Freitag zum aktuellen Stand der Ermittlungen.
Der Lkw sei am vergangenen Mittwoch um 5 Uhr an der serbisch-ungarischen Grenze gestartet. Gegen 10 Uhr habe er die österreichische Grenze überschritten. Am darauffolgenden Donnerstag kontrollierten dann die Beamten den in einer Pannenbucht der Ostautobahn bei Parndorf abgestellten Kühltransporter und entdeckten dabei die toten Flüchtlinge.
"Kommissar DNA" überführte Todes-Schlepper
"Kommissar DNA" brachte die Behörden schließlich auf die Spur der Todes-Schlepper. Von den Tätern seien bereits am Tatort Proben sowie ein Handabdruck sichergestellt worden. "Faktum ist, dass es sich bei den Festgenommenen tatsächlich um jene Tätergruppe handelt, die diese Schleppung am 26. bzw. 27. August durchgeführt hat", sagte Doskozil. Der Lenker des Lkws sei definitiv unter fünf in Ungarn festgenommenen Männern. Ein weiterer Verdächtiger wurde in Bulgarien verhaftet.
Die genaue Rollenverteilung der insgesamt sechs Festgenommenen ist noch unklar. Fünf Personen befinden sich in Ungarn, eine in Bulgarien in Polizeigewahrsam. Unter ihnen sei "der Lenker dieses Transportes, und die anderen Personen stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit diesem Transport", sagte Verena Strnad, die Sprecherin der Staatsanwaltschaft.
"Erstickungstod innerhalb kürzester Zeit"
Die Obduktionen seien laut Strnad mittlerweile abgeschlossen. Nach Angaben Doskozils stehe die Todesursache zwar noch nicht zu 100 Prozent fest, aber aufgrund der Zahl der Personen und des Volumens des Lkws "gehen wir davon aus, dass innerhalb kürzester Zeit noch in Ungarn der Erstickungstod eingetreten ist". Das Fahrzeug war laut technischer Untersuchung luftdicht abgeschlossen. Außerdem war das Kühlaggregat nicht angeschlossen. Dieses hätte allerdings auch keine Frischluftzufuhr ermöglicht, so der Polizeichef.
Weiters erklärte Doskozil: "Angesichts des fortgeschrittenen Verwesungszustandes wird es vielleicht nicht in allen Fällen möglich sein, die Opfer identifizieren zu können. Wir wurden bereits von zahlreichen vermeintlichen Angehörigen kontaktiert - hier wurden Proben genommen." Bei acht Opfern seien bereits Treffer in der Fingerabdruck-Datenbank Eurodac registriert worden. Man gehe derzeit auch davon aus, dass die sichergestellten Reisedokumente den Toten gehören. Von 40 gefundenen Handys wurden bisher 16 erstausgewertet.
Weitere Flüchtlingsgruppe konnte mit Brecheisen Tür öffnen
Bei den Ermittlungen zu dem Drama habe die Polizei zudem einen ähnlichen Schlepperfall aufgedeckt, sagte Doskozil. Dabei seien 81 Personen in einem fast bauartgleichen Fahrzeug wie dem Todes-Lkw auf der A4 nach Österreich transportiert worden. Diese Menschen hätten sich in einer ähnlich lebensbedrohlichen Situation befunden, doch habe sich die Gruppe in Gols im burgenländischen Bezirk Neusiedl am See aus dem Fahrzeug befreien können.
Diese zweite Schleppung führte "eindeutig dieselbe Tätergruppe" just an jenem Tag durch, an dem der Todes-Lkw auf der Ostautobahn entdeckt wurde. Insassen sei es gelungen, "mit einem Brecheisen die Seitentür des Fahrzeugs während laufender Fahrt zweimal zu öffnen", so Doskozil. In Gols setzte der Schlepper die Flüchtlinge schließlich aus. Diese Fahrt sei eindeutig einem in Ungarn Inhaftierten zuzuordnen, sagte Doskozil, die Schleppung sei für Österreich bestimmt gewesen.
"Kühlfahrzeug ähnlicher Bauart und Größe"
"Den Zeugenangaben zufolge ist es ebenfalls ein Kühlfahrzeug ähnlicher Bauart und ähnlicher Größe", sagte Doskozil. Der einzige Unterschied sei, dass das zweite Fahrzeug an der Seitenwand eine Öffnung hatte. Beide Lastwagen seien auf den selben Besitzer zugelassen, das Kennzeichen sei den Ermittlern bekannt.
Laut Doskozil wurden die beiden Schlepperfahrzeuge unmittelbar vor den Fahrten nach Österreich gekauft und zugelassen. "Es kann durchaus sein, dass die 71 Personen die erste Schlepperfahrt gewesen sind", sagte der Polizeichef. Theoretisch sei es auch möglich, dass beide Lkws gleichzeitig gestartet sind.
Gerettete nach Traiskirchen und in Verteilerzentren gebracht
Nachdem man die 81 Geschleppten aufgegriffen habe, seien sie nach Vordernberg zur asylrechtlichen Behandlung gekommen, sagte der Polizeichef. Danach wurden einige von ihnen nach Traiskirchen, einige in Verteilerzentren gebracht. Hinweise zu diesem Fall habe die Polizei erhalten, nachdem Medien Fotos der Verdächtigen veröffentlicht hatten.
Die Staatsanwaltschaft Eisenstadt ermittle in Richtung Schlepperei, vorsätzliche Gemeingefährdung und Mord. Für vorsätzliche Gemeingefährdung mit Todesfolge und Mord seien lebenslängliche Freiheitsstrafen möglich, sagte der Leiter der Anklagebehörde, Johann Fuchs. Bei den Ermittlungen habe Eurojust in Den Haag die internationale Koordinierung der Tätigkeiten von Justiz- und Polizeibehörden übernommen. Ein Hauptverfahren könnte "bei dieser Konstellation" sowohl in Österreich als auch in Ungarn geführt werden. Ziel sei aber, "dass der gesamte Komplex in einem Verfahren durchgeführt wird, also entweder zur Gänze in Ungarn oder zur Gänze in Österreich".
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