"Neue Ära" in Ungarn
Grenzlücke zu, Haftstrafe für illegalen Übertritt
"Der Prozess ist allerdings sehr langsam. Teilweise bewegt sich lange gar nichts, dann lassen sie wieder eine Familie von zehn Menschen über die Grenze", erklärte ein Mitarbeiter des UNO-Flüchtlingshochkommissariats. Auf der serbischen Seite schienen die wartenden Flüchtlinge jedoch verzweifelt, berichtete er: "Ich habe laute Schreie und Weinen gehört." Laut ungarischen Medien wurden bereits 60 Flüchtlinge verhaftet, die den Grenzzaun illegal überwunden hatten.
Kurz vor der kompletten Abriegelung und dem Beginn einer "neuen Ära", wie es die ungarische Regierung bezeichnete, waren noch sehr viele Flüchtlinge aus Serbien gekommen. Alleine am Montag waren es nach Polizeiangaben rund 9000 - so viele wie noch nie seit Beginn der Flüchtlingskrise. Diese wurden, wie nun auch Budapest bestätigte, systematisch an die Grenze zu Österreich transportiert.
Transporte "keine Verletzung des Dublin-Abkommens"
Im ungarischen Szentgotthard an der österreichischen Grenze seien allein in der Nacht von Sonntag auf Montag 35 direkt von der serbischen Grenze kommende Busse mit Flüchtlingen in Polizeibegleitung eingetroffen, hieß es. Von dort liefen alle Flüchtlinge ungehindert zu Fuß nach Heiligenkreuz im Burgenland. Ein neues Flüchtlingszeltlager in Szentgotthard mit 600 Plätzen blieb ungenutzt. Zugleich beobachteten dpa-Reporter in Röszke, dass das dortige Erstaufnahmelager am Montag so gut wie leer war. Regierungssprecher Zoltan Kovacs sagte, dass die Transporte "keine Verletzung des Dubliner Abkommens" bedeuten, denn schließlich könnten die Flüchtlinge auch in Orten wie Szengotthard von den ungarischen Einwanderungsbehörden registriert werden.
Regierung verhängt Ausnahmezustand
Da Ungarn nach der vollständigen Grenzsperrung Probleme erwartet hatte, sind nun Hunderte Polizisten in Röszke präsent. In der Region herrscht erhöhte Alarmbereitschaft, die Beamten wurden auch aus dem Urlaub zum Dienst gerufen. Außerdem stehen Soldaten, die in den vergangenen Tagen verstärkt in die Grenzregion entsandt wurden, bereit. Zu Mittag wurde dann auch der Ausnahmezustand in den beiden betroffenen südlichen Bezirken Bacs-Kiskun und Csongrad verhängt.
Kommen nun doch "Transitzonen"?
Die Ausrufung des Krisenfalls ermächtigt die Behörden etwa dazu, Asylanträge im Schnellverfahren abzuwickeln. Der Vorsitzende des nationalen Katastrophenkomitees, György Bakondi, erklärte, die Grenzzone zwischen Ungarn und Serbien solle zudem von zehn auf 60 Meter verbreitert werden. Dort könnten dann auch "Transitzonen" für Flüchtlinge eingerichtet werden, so Bakondi.
Diese "Transitzonen" hatte die ungarische Regierung bereits einmal geplant, dann jedoch wieder verworfen. "Sie könnten dazu dienen, dort vorübergehend jene Menschen unterzubringen, die um Asyl oder internationalen Schutz ansuchen", sagte Bakondi. Auch die Asylverfahren und die Registrierung der Ankommenden würde dann dort stattfinden.
Illegale Übertritte: Seit Mitternacht drohen Haftstrafen
Illegaler Grenzübertritt gilt nun in Ungarn als Straftat, die mit bis zu drei Jahren Haft geahndet werden kann. Bisher war es nur eine Ordnungswidrigkeit. Kommt Sachbeschädigung hinzu, etwa wenn ein Flüchtling den Grenzzaun durchschneidet, erhöht sich das maximale Strafmaß auf fünf Jahre. Anstelle der Haftstrafe ist auch eine sofortige Abschiebung möglich.
"Wir wollen kein Chaos", hatte Orban am Montag bei der feierlichen Vereidigung von 868 neuen Grenzpolizisten am Budapester Heldenplatz gesagt. "Wir wollen nicht, dass eine Völkerbewegung von weltweitem Ausmaß Ungarn verändert." Später sagte er in einem Fernsehinterview, die meisten Flüchtlinge, "die hier durchstürmen", würden nicht vor Kriegen fliehen, sondern strebten ein Leben im Wohlstand in Deutschland an: "Sie rennen nicht um ihr Leben."
Doch ob die Gesetzesverschärfungen tatsächlich abschreckend wirken bzw. wie die Umsetzung der Gesetze in der Praxis aussehen wird, bleibt abzuwarten. Einerseits würden die Gefängnisse bald an die Grenzen ihrer Kapazitäten stoßen, sind sich Experten sicher. Andererseits hat die serbische Regierung bereits erklärt, dass das Land keine Flüchtlinge zurücknehmen werde, die bereits ungarischen Boden betreten hätten. "Das ist nicht mehr unsere Verantwortung", sagte der zuständige serbische Minister Aleksandar Vulin der amtlichen Nachrichtenagentur Tanjug. "Sie sind dann auf ungarischem Territorium und ich erwarte von Ungarn, dass entsprechend mit ihnen verfahren wird."
Serbien für Ungarn sicherer Drittstaat - für UNO nicht
Ungarn hatte das Nachbarland im Juli zum sicheren Herkunftsland erklärt. Die Dublin-Regeln besagen, dass ein Flüchtling im ersten als sicher geltenden Herkunftsland Asyl beantragen muss, das er erreicht. Die Vereinten Nationen und Menschenrechtsgruppen bezweifeln, dass Serbien als sicher gelten kann.
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