Neues Blitzverfahren
Berlin will “falsche” Flüchtlinge zurückschicken
Die Pressesprecherin des deutschen Innenministeriums beruft sich in ihrem Schreiben auf Artikel 43 der EU-Asylverfahrensrichtlinie. Dieser ermögliche den in Deutschland nun forcierten "kurzen Prozess", das sogenannte Flughafenverfahren, in dem Asylgründe im Schnelldurchlauf geprüft werden - schon vor der Einreise. "Unzulässige und offensichtlich unbegründete Verfahren" sollen so möglichst rasch abgeschlossen werden, "falsche Flüchtlinge", die etwa nicht vor den Kriegswirren in ihren Heimatstaaten fliehen, sollen abgewiesen werden. Von einer "schnellen Rückführung" ist wörtlich die Rede.
In Österreich wird die Entwicklung mit Sorge gesehen. Aus dem Innenministerium hieß es am Wochenende zur "Krone", die geplanten Neuerungen im Nachbarland könnten schon demnächst in Kraft treten: "Das kann in drei Tagen sein - oder auch erst in zwei Monaten." Im Fall des Falles sollen etwa große Hallen im Grenzgebiet angemietet werden, verriet ein Insider.
Ton wird rauer: Aufnahmestopp und Grenzschließung gefordert
In den vergangenen Tagen hatte sich die Debatte über den Umgang mit den enormen Flüchtlingszahlen in Deutschland weiter verschärft, insbesondere im Lager der Union von Kanzlerin Angela Merkel. Immer ranghöhere Politiker forderten zuletzt einen kompletten Aufnahmestopp und eine Schließung der Grenze zu Österreich. "Angesichts von rund 300.000 Flüchtlingen allein im September braucht Deutschland dringend einen Aufnahmestopp", sagte etwa CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".
Ostgrenze sperren, wenn Bayern Asyl-Strom stoppt? Abstimmung in der Infobox!
Es brauche eine "Kursänderung", so der bayrische Politiker. "Schon in den nächsten Tagen kann eine Situation entstehen, in der Bayern die Grenzen seiner Möglichkeiten erreicht, weil die anderen Bundesländer es nicht mehr schaffen, Flüchtlinge aufzunehmen." Scheuer forderte weiters, über eine "Obergrenze für die Aufnahme von Asylwerbern" zu reden.
Schäuble will Flüchtlingszustrom begrenzen
Am Sonntagabend forderte auch Deutschlands Außenminister Wolfgang Schäuble eine Begrenzung des Flüchtlingszustroms nach Europa. Das sei die entscheidende Aufgabe, sagte der CDU-Politiker im ZDF, sie müsse aber europäisch gelöst werden. National ließe sich dies gar nicht mehr bewältigen.
Europa müsse zwar aufnahmebereit sein, aber es gelte auch, dass Unmögliches nicht geleistet werden könne, so Schäuble. Man könne den Menschen nur dann helfen, wenn die Möglichkeiten, die man habe, nicht erschöpft seien.
EU: Transitzonen und Flughafenverfahren keine Dauerlösung
Indirekte Rückendeckung für die österreichischen Befürchtungen vor einem Flüchtlingsrückstau an den deutschen Grenzen kam am Wochenende aus Brüssel: Die EU-Kommission lehnt laut deutschen Medien die geplanten Transitzonen ab. Nach Ansicht der Kommission würden der Schengen-Vertrag und die Asylverfahrensrichtlinie ein solches Verfahren nur auf Flughäfen und an den Außengrenzen des Schengenraums zulassen.
An den Binnengrenzen dürften demnach allenfalls vorübergehend für einige Wochen Transitzonen mit Absperrungen geschaffen werden, das könne jedoch keine dauerhafte Lösung sein. Am Mittwoch hatte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mit Kanzlerin Merkel und Bundeskanzler Werner Faymann telefonisch über die brisanten Pläne beraten.
Wird Wien-Wahl in Berlin entschieden?
Dass die Flüchtlingskrise weiterhin das Thema Nummer eins im heimischen Wahlvolk ist, zeigt das aktuelle "Krone"-Stimmungsbarometer genau eine Woche vor der Wien-Wahl: 38 Prozent der Befragten gaben an, dass sie die Themen "Asylpolitik" bzw. "zu viele Flüchtlinge" derzeit besonders bewegen - deutlich mehr als etwa die Bereiche "günstigeres Wohnen" oder "Arbeitslosigkeit, Arbeitsplätze". So ist es durchaus vorstellbar, dass die Wahl in der Bundeshauptstadt von den geplanten Beschlüssen in Berlin zumindest mitentschieden wird.
Auf weltpolitischer Ebene werden gewisse Hoffnungen auf den Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Brüssel gelegt: Er trifft am Montag Kommissionspräsident Juncker und den EU-Ratsvorsitzenden Donald Tusk. Dabei soll es laut Medienberichten um einen Aktionsplan gehen, der den Bau von neuen Aufnahmelagern für bis zu zwei Millionen Vertriebene in der Türkei vorsieht. Im Gegenzug soll die EU bis zu 500.000 Flüchtlinge aus der Türkei übernehmen und diese auf die 28 Mitgliedsstaaten verteilen.
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