"Praktikum" in China

Studenten leisten Zwangsarbeit in Serverfabriken

Elektronik
07.10.2015 13:54
Die Server, die in Europa in großen Unternehmen, Universitäten und anderen Institutionen stehen, werden in China unter Bedingungen gefertigt, die an Zwangsarbeit erinnern. Zu diesem Ergebnis kommt die Untersuchung einer dänischen Organisation, die sich für faire Arbeitsverhältnisse in der IT-Branche einsetzt. Ihr Vorwurf: Studenten werden systematisch dazu gezwungen, monatelang im Schichtbetrieb in Serverfabriken zu schuften.

Verpackt ist die im Danwatch-Report "Servants of Servers" beschriebene Zwangsarbeit in Chinas Serverfabriken in den Deckmantel eines Pflichtpraktikums. Studenten werden von ihren Universitäten dazu gezwungen, monatelange "Praktika" in Serverfabriken zu absolvieren, die sich nicht von der regulären Fließbandarbeit dort unterscheiden. Wer sich weigert, das Praktikum zu machen, bekommt keinen Abschluss.

Aufgedeckt wurde diese Praxis anhand des im südchinesischen Zhongshan produzierenden Server-Fertigers Wistron Corporation, der namhafte Konzerne wie Dell, HP oder Lenovo sowie Internetriesen wie Google, Amazon oder Facebook beliefert.

Monatelange Schichtarbeit, ärmliche Massenquartiere
Dem Report zufolge arbeiten die Studenten dort bis zu fünf Monate lang sechs Tage pro Woche im Schichtbetrieb, haben Dienstzeiten von zehn bis zwölf Stunden. Die Bezahlung entspricht jener, die auch die regulären Arbeitskräfte der Fabrik bekommen: 213 Euro pro Monat. Geld spart der Auftragsfertiger offenbar, indem er die tausenden Praktikanten in seinen Werken nicht versichert.

Die Wistron-Praktikanten leben in heruntergekommenen Mitarbeiter-Wohnheimen. (Bild: danwatch.dk)
Die Wistron-Praktikanten leben in heruntergekommenen Mitarbeiter-Wohnheimen.
Bis zu acht Studenten teilen sich in den Unterkünften monatelang spartanisch ausgestattete Zimmer. (Bild: danwatch.dk)
Bis zu acht Studenten teilen sich in den Unterkünften monatelang spartanisch ausgestattete Zimmer.
In Geschäften am Firmengelände versorgen sich die Zwangspraktikanten mit dem Nötigsten. (Bild: danwatch.dk)
In Geschäften am Firmengelände versorgen sich die Zwangspraktikanten mit dem Nötigsten.
Ihre wenige Freizeit verbringen sie in Spielhallen am Firmengelände. (Bild: danwatch.dk)
Ihre wenige Freizeit verbringen sie in Spielhallen am Firmengelände.
Essen gehen ist ebenfalls eine beliebte Möglichkeit, um den tristen Unterkünften zu entfliehen. (Bild: danwatch.dk)
Essen gehen ist ebenfalls eine beliebte Möglichkeit, um den tristen Unterkünften zu entfliehen.

Während ihrer mehrmonatigen Praktika leben die Zwangspraktikanten der Wistron Corporation in kargen Heimen. Die Ausstattung der Zimmer, in denen die Studenten teilweise mehrere Monate verbringen müssen, umfasst Danwatch-Fotos zufolge Stockbetten, einen Tisch und ein paar Sessel. Kein Wunder, dass die Studenten ihre wenige Freizeit in Shops, Imbissen und Freizeiteinrichtungen am Firmengelände verbringen.

Studenten sollen beim Praktikum "Hineinbeißen" lernen
Lernen dürften die Studenten bei den Praktika nur wenig: Die Arbeit unterscheidet sich dem Report zufolge nicht von jener normaler Fabrikarbeiter. Da mutete es fast zynisch an, dass den Studenten in offiziellen Schreiben ihrer Universitäten erklärt wird, was sie beim Praktikum lernen sollen: "Hineinbeißen und lernen, harte Arbeit zu ertragen".

Und um der Forderung Nachdruck zu verleihen, stellt die Bildungseinrichtung in dem Schreiben auch gleich 46 Studenten namentlich an den Pranger, die sich gegen die Arbeitsbedingungen während ihrer Zwangspraktika zur Wehr setzten - mit dem Hinweis, dass sie ihren Abschluss wohl verspielt haben.

Auftraggeber geloben Besserung, Wistron dementiert
Bei Wistron - das taiwanesische Unternehmen produziert neben China auch in Mexiko und Tschechien - weist man die Vorwürfe zurück. Gegenüber der britischen Tageszeitung "Guardian" erklärte das Unternehmen, die Studenten würden lediglich freiwillig jene Praktika absolvieren, die in ihrem Studienplan vorgesehen seien.

Bei den Auftraggebern des Unternehmens zeigt man sich angesichts der Vorwüfe deutlich betroffener. Dell und HP haben angekündigt, unabhängige Inspektoren in die Wistron-Werke zu schicken. Lenovo hat eine Erklärung abgegeben, in der es heißt, man sehe sich verpflichtet, "die Mitarbeiter mit Respekt und Fairness zu behandeln und ihre Gesundheit und Sicherheit zu gewährleisten."

Freilich: Derlei Betroffenheitsbekundungen gab es auch in der Vergangenheit, wenn Berichte über die Arbeitsbedingungen oder gar Zwangsarbeit in chinesischen Elektronikfabriken auftauchten. Bevor die Zwangspraktika bei Wistron aufgedeckt wurden, gab es beispielsweise Berichte über ähnliche Zustände in der Produktionskette der Sony-Konsole PlayStation 4. Und auch Apple gerät seit Jahren in unregelmäßigen Abständen wegen der Arbeitsbedingungen in der iPhone-Produktion bei Zulieferern wie Foxconn oder zuletzt Pegatron in die Kritik.

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