Seit 35 Jahren greift Swetlana Alexijewitsch als einstige Journalistin mit dokumentarischer Präzision auf, woran Menschen leiden und oft zerbrechen: Katastrophen, Krieg und Diktatur. Nun wird das Oeuvre der weißrussischen Schriftstellerin - zumindest im Ausland - mit dem Literaturnobelpreis gewürdigt. Ein Grund dafür dürfte nicht zuletzt auch ihre harte Kritik am diktatorischen System unter Präsident Alexander Lukaschenko sein.
Bereits mit den Sowjetbehörden in Konflikt
Geboren wurde Alexijewitsch als Tochter eines Journalisten und einer Lehrerin am 31. Mai 1948 im westukrainischen Stanislaw (heute Iwano-Frankowsk). Nach dem Journalistikstudium arbeitete sie zunächst bei einer Lokalzeitung sowie als Lehrerin, geriet aber auch damals schon mit den Sowjetbehörden in Konflikt. Ihre Arbeit als Journalistin verlor sie, als sie in den 1980ern in dem Buch "Der Krieg hat kein weibliches Gesicht" mit dramatischen Erinnerungen von Frauen angeblich das Andenken des Zweiten Weltkrieges beschmutzte.
Brechen ließ sich die auch für Drehbücher, Theaterstücke und durch Fernseh- und Rundfunksendungen bekannte Autorin aber nie. Alexijewitschs Erfolg auch im Ausland liege vor allem an ihrer großen Kunst, journalistische Beobachtungsgabe mit einer eindringlichen Prosa zu verbinden und so die Herzen zu berühren, meinte einst die Politologin Maryna Rakhlei. Alexijewitsch setzte nicht nur dem Afghanistan-Krieg der Sowjetunion ein literarisches Zeugnis mit dem Buch "Zinkjungen" (1989). Sie gab auch Strahlenopfern nach der Atomkatastrophe von Tschernobyl von 1986 eine Stimme. "Tschernobyl. Eine Chronik der Zukunft" heißt die Arbeit, die 2011 mit einem aktuellen Vorwort von ihr neu erschien - aus Anlass der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima.
"Die Machthaber tun so, als ob es mich nicht gibt"
Als der als letzter Diktator Europas kritisierte Lukaschenko mit russischer Hilfe ein Kernkraftwerk an der EU-Grenze bauen wollte, lehnte sie das kategorisch ab. Doch ihre Appelle fanden in den staatlich kontrollierten Medien kein Gehör. "Die Machthaber tun so, als ob es mich nicht gibt, lassen mich nirgends auftreten, nicht im Fernsehen, nicht im Radio, nicht in Schulen oder Universitäten", klagte die Autorin einmal. Niemand verlege in Weißrussland ihre Werke.
Im Westen hingegen erregte sie etwa mit ihrem 500-seitigen Opus magnum "Secondhand-Zeit. Leben auf den Trümmern des Sozialismus" Aufsehen, das 2013 bei Hanser erschien. Psychologisch einfühlsam stellt das Buch anhand einzelner Menschenleben den bisher wohl umfassendsten Versuch dar, die Epoche der Sowjetunion und die Folgen ihres Zusammenbruchs emotional begreifbar zu machen.
Preise werden am 10. Dezember verliehen
Die mit acht Millionen Kronen (rund 860.000 Euro) dotierte Auszeichnung ging im Vorjahr an den Franzosen Patrick Modiano. Offiziell überreicht werden die Nobelpreise in Stockholm am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel.
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