In der Smartphone-Industrie herrscht stetes technologisches Wettrüsten. Schneller, schärfer, dünner - so preisen die meisten Handyhersteller ihre teils im Halbjahrestakt veröffentlichten Neuheiten an. Das Start-up Fairphone, gegründet vom Industriedesigner Bas van Abel, will es anders machen und hat mit dem ersten, rund 60.000 Mal verkauften, Fairphone bereits einen Achtungserfolg erzielt.
Mit dem Fairphone 2 will man es nun nochmal wissen und hat ein solides Mittelklassehandy entwickelt, das nicht nur fair produziert wird, sondern durch seine von Grund auf neu erdachte modulare Bauweise auch besonders einfach repariert werden kann und entsprechend langlebig sein soll.
Reparatur ohne Werkzeug möglich
Bei einem Pressetermin in Wien zeigte Fairphone-Boss van Abel, dass es dafür nicht einmal unbedingt Werkzeug braucht. Fast das komplette Gerät lässt sich werkzeuglos zerlegen, der Tausch wichtiger Komponenten soll selbst Laien gelingen. Das Ziel: Ein langlebiges Gerät, das nicht nach zwei Jahren getauscht wird, sondern beim Auftreten etwaiger Verschleißerscheinungen einfach repariert werden kann und womöglich drei, vier Jahre überdauert.
Van Abels erklärtes Ziel: Weil die meisten Ressourcen, die für ein Smartphone aufgewendet werden, in die Fertigung fließen, ist die wirksamste Methode, Ressourcen und Umwelt zu schonen, das Gerät länger zu verwenden.
Ausreichend Hardware-Power und Speicher
Doch wie fühlt sich das Fairphone denn nun an? Wir haben es mit Vorseriengeräten ausprobiert und waren durchaus von dem Gerät angetan. Die verbaute Hardware ist über weite Strecken absolut brauchbar: Das Full-HD-Display mit fünf Zoll Diagonale ist angenehm scharf und erwies sich im Kurztest als ausreichend hell und seitlich gut ablesbar. Für genug Speed sorgt Qualcomms Snapdragon-801-CPU, der zwei Gigabyte RAM zur Seite stehen. Mit 32 Gigabyte Speicher und microSD-Slot steht genug Platz für Daten zur Verfügung. Dank LTE und Gigabit-WLAN sollte das Gerät zudem recht flott funken, NFC fehlt aber leider.
Akku und Kamera eher ausbaufähig
Die Basics stimmen also, im Detail hat das Fairphone 2 aber auch die eine oder andere Schwäche. Der Akku beispielsweise ist mit einer Kapazität von 2420 Milliamperestunden wohl kein Dauerläufer, kann dafür aber auch problemlos getauscht werden. Wer mag, kann demnach einen Zweitakku mitführen.
Die Kamera-Ausstattung erwies sich im Kurztest ebenfalls als eher schwach. Die Frontkamera mit 1,9 Megapixeln Auflösung reicht zwar für das eine oder andere Selfie oder Videotelefonat, kann es aber nicht mit den Fünf-Megapixel-Modellen in manch anderem Gerät aufnehmen. Und die Hauptkamera löst mit acht Megapixeln ebenfalls eher niedrig auf, sollte unserem ersten Eindruck zufolge auch etwas flotter scharfstellen. Dass das von uns getestete Fairphone keinen Blitz hatte, war den Herstellern zufolge derweil dem Umstand geschuldet, dass es sich um ein Vorserienmodell handelte. Das fertige Fairphone 2 soll sehr wohl einen Blitz haben.
Robustes, aber eher klobiges Gerät
Nimmt man das Fairphone mit seinem schlichten Plastikgehäuse in die Hand, merkt man ihm an, dass es sich um ein Gerät handelt, bei dem Robustheit ganz oben auf der Wunschliste stand. Vergleicht man es mit den aktuellen Flaggschiffen etablierter Hersteller, ist es deutlich dicker, was unter anderem daran liegt, dass die abnehmbare Plastikrückseite gleichzeitig als Cover dient und dafür sorgen soll, dass kleinere Stürze unbeschadet überstanden werden.
Trotz des dicken Gehäuses ist das Gerät angenehm leicht. Das Chassis aus mattem Plastik - wahlweise in Blau oder verschiedenen Transparenztönen - erwies sich im Test als griffig, insgesamt liegt das Fairphone 2 gut in der Hand. Ein physischer Kameraauslöser ist vorhanden.
Andere Betriebssysteme sollen kommen
Noch ein Wort zur Software: Als Betriebssystem kommt am Fairphone 2 Android 5.1 zum Einsatz, das gegenüber dem Google-Standard optisch leicht abgewandelt wurde, Kenner des Betriebssystems aber vor keine Probleme stellen dürfte.
Erwähnenswert: Laut Fairphone-Chef van Abel arbeiten Entwickler anderer Betriebssysteme - namentlich Jolla mit seinem SailfishOS - bereits an der Portierung ihrer Software auf das Fairphone, zudem ist bei entsprechender Verbreitung denkbar, dass auch verschiedene Android-ROMs wie etwa Cyanogen und weitere alternative Betriebssysteme wie FirefoxOS oder Ubuntu Phone auf das Fairphone kommen. Der Hersteller gibt sich jedenfalls bestrebt, Open-Source-Entwickler zu unterstützen und für das Fairphone 2 zu begeistern.
Fazit: Spannendes Experiment mit Potenzial
Das Fairphone 2 bricht mit gängigen Konventionen und könnte damit bei manchen Interessenten durchaus punkten. Statt möglichst viel Technik in ein möglichst dünnes Gerät zu verpacken, das kaum reparierbar ist und nach zwei Jahren im Müll landet, setzen die Niederländer auf ein robustes Gerät, bei dem Langlebigkeit im Vordergrund steht. Bei der Hardware muss der Käufer dabei allerdings ein paar Abstriche machen.
Zwar hat das Gerät genug Power, Details wie die Kamera könnten nach konventionellen Maßstäben bei einem Preis von 525 Euro aber besser sein. Das Fairphone ist aber auch kein konventionelles Smartphone, sondern hat andere Tugenden - etwa den wechselbaren Akku oder das werkzeuglos austauschbare Display. Gut möglich, dass man damit Käufer anlocken kann, denen es nicht in erster Linie um rohe Power und hübsches Design, sondern um Zuverlässigkeit geht und denen faire Produktionsbedingungen wichtiger als das reine Preis-Leistungsverhältnis sind. Bei Bio-Lebensmitteln funktioniert es schließlich auch.
Nach einer Vorverkaufsphase im Juli, bei der bereits 20.000 Käufer zugeschlagen haben, erfolgt die Auslieferung der ersten Fairphone-2-Geräte im Dezember. Wer jetzt eines bestellt, soll es laut Hersteller im Jänner bekommen.
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