Die UEFA EURO 2016 regiert die Fußball-Welt. Heuer erstmals dank sportlicher Leistungen mit dabei: Österreich. Die "Wundertruppe" um David Alaba, Marko Arnautovic und Aleksandar Dragovic spielt derzeit den vielleicht besten Fußball in der ÖFB-Geschichte. Teamchef Marcel Koller wird seit der erfolgreichen EM-Qualifikation - neun Siege, ein Unentschieden - geradezu als Nationalheld gefeiert. Nicht wenige Experten trauen dem ÖFB-Team bei der Endrunde in Frankreich eine gute Performance als Geheimfavorit zu.
Die Souveränität, mit der Österreich, die Qualifikation bestritt, beeindruckte viele. Schon zwei Runden vor Schluss, nach dem heroischen 4:1-Auswärtssieg in Schweden, stand die ÖFB-Elf als Teilnehmer bei der EURO 2016 fest. Die Experten sind sich einig: Das war zu einem Gutteil das Werk von Teamchef Marcel Koller. Dabei musste Koller gegen viele Widerstände ankämpfen, als er 2011 beim ÖFB unterschrieb.
An Stamm festgehalten
Doch Koller blieb und bleibt seiner Linie treu. "Die Zeit für Experimente ist nie da", sagte er in der Vorbereitung auf die Endrunde in Frankreich. Schnell hatte sich im Koller'schen System ein Stamm herausgebildet, an dem er gnadenlos festhielt. Darunter auch "Wackelkandidaten" wie Torhüter Robert Almer oder Stürmer Marc Janko. Beide waren zwischenzeitlich von ihren Klubs aufs Abstellgleis bugsiert worden - Koller vertraute ihnen dennoch stets und bekam sein Vertrauen mit tollen Leistungen zurückbezahlt: Almer war - wie Kapitän Christian Fuchs und Florian Klein - einer von drei Spielern, die alle zehn Quali-Partien durchspielten. Janko kann zwar "nur" 676 Einsatzminuten vorweisen, ließ es in diesen aber gleich sieben Mal klingeln und zog so in der ewigen ÖFB-Torschützenlisten an Kapazundern wie Walter Schachner, Karl Decker oder Franz Binder vorbei.
Geläuterter Arnautovic
Die Spieler fühlen sich wohl in der Nationalmannschaft, es herrscht eine herzlich-familiäre Atmosphäre. Jeder Spieler wird von Koller beim Eintreffen mit Handschlag und brüderlicher Umarmung begrüßt. Ex-Bad-Boy Marko Arnautovic vollzog in diesem von Herzlichkeit geprägten Teamklima die wohl erstaunlichste Wandlung hin: vom wankelmütigen Konjunktiv-Star zum pflichtbewussten Führungsspieler. "Koller war sicher ein Glücksfall für mich", sagt Arnautovic.
Alaba überstrahlt alles
Koller ist zwar stets bemüht, die Mannschaft als Star zu inszenieren - dennoch gibt einer den Ton an: David Alaba. "Einen wie ihn hat Österreich noch nie gehabt", schwärmt etwa Rekordspieler Andreas Herzog. Mit gerade einmal 23 Jahren hat Alaba mit dem FC Bayern auf Klub-Ebene praktisch alles erreicht, was sich ein Fußballer wünschen kann. Im Nationalteam geigt er - anders als bei den Bayern - auf seiner Lieblingsposition: dem zentralen Mittelfeld. Dort zieht er die Fäden, läuft wie eine Duracell-Haserl, ist innerhalb des Teams auch immer wieder für Scherze gut.
Besser als 1998?
Alaba war gerade einmal fünf Jahre jung, als sich Österreich zuletzt auf sportlichem Wege für ein Großereignis qualifizierte: 1997 für die WM 1998 - ebenfalls in Frankreich. "Das Team 2016 ist besser, als es das Team 1998 war", glaubt Peter Stöger, der damals in der National-Elf als Edeljoker glänzte. Herbert Prohaska, damals Teamchef, heute "Krone"-Kolumnist, will diese so nicht unterschreiben, gibt aber zu: "Natürlich hat sich der Fußball seither rasant entwickelt. Unter den heutigen Bedingungen ist der Erfolg der Nationalmannschaft sicher sehr hoch zu bewerten. Aber freuen wir uns doch, dass wir 1998 ein gutes Team hatten und heute auch eines haben." Dem "heutigen" Team traut Prohaska - wie viele andere Experten - bei der EM-Endrunde in Frankreich einiges zu: "Die Gruppenphase ist sicher zu überstehen, danach ist alles möglich."
WM-Favorit 1934
Als Spieler war Prohaska zweimal bei einer Weltmeisterschaft dabei: 1978 (er öffnete mit dem "Spitz von Izmir" die Tor dortin) und 1982. Erstmals an einer WM nahm Österreich 1934 in Italien teil - nachdem der Verband sich aus Kostengründen gegen eine Teilnahme 1930 in Uruguay entschieden hatte. Österreichs "Wunderteam" war nach der überragenden Qualifikation als Mitfavorit auf den Weltmeistertitel in Italien gehandelt worden. Das Ausscheiden im Halbfinale gegen den Gastgeber und späteren Weltmeister Italien war eine riesige Enttäuschung.
Größter Erfolg 1954
Den historisch größten Erfolg gab's für Fußball-Österreich exakt 20 Jahre später, bei der WM 1954 in der Schweiz zu bejubeln: Platz drei. Nach souveränem Sieg in der Gruppenphase kam es im Halbfinale zur legendären "Hitzeschlacht" gegen die Schweiz. Österreich gewann nach einem unglaublichen Kraftakt mit 7:5. Das Spiel ist bis heute das trefferreichste einer WM-Endrunde. Im Halbfinale musste sich Österreich dem späteren Weltmeister Deutschland geschlagen geben, beim anschließenden Spiel um Platz drei wurde aber Uruguay besiegt.
Ein Punkt für "die Richtigen" 2008
An einer EM-Endrunde nahm Österreich erst einmal teil: 2008 als Veranstalter. Der damalige Teamchef Josef Hickersberger sorgte im Vorfeld für Diskussionen, weil er erklärte, in den EM-Kader nicht die Besten, sondern die "Richtigen" einzuberufen. Für die "Richtigen" reichte es - trotz guter Vorstellungen - nur zu einem Punkt in der Vorrunde. Ivica Vastic hatte ihn per Elfmeter im zweiten Gruppenspiel gegen Polen gesichert. Im anschließenden Spiel gegen Deutschland wurde das Vorrunden-Aus mit einer 0:1-Niederlage besiegelt.
Reif für den Titel?
Für die Endrunde 2016 sind sich aber alle Fußball-Affinen einig: Die Mannschaft ist reifer, abezocketer, besser. Die Fußball-Euphorie im Land ist so groß wie wohl überhaupt noch nicht. Was gewiefte Journalisten schon einmal dazu veranlasste, Teamchef Marcel Koller nach Österreichs Chancen auf den EM-Titel zu fragen. Dessen immer wieder kehrende Antwort: "Lassen wir die Kirche im Dorf!"
Erste EM-Teilnahme:
2008
Quali-Ergebnisse:
Schweden 1:1 (H)
Moldawien 2:1 (A)
Montenegro 1:0 (H)
Russland 1:0 (H)
Liechtenstein 5:0 (A)
Russland 1:0 (A)
Moldawien 1:0 (H)
Schweden 4:1 (A)
Montenegro 3:2 (A)
Liechtenstein 3:0 (H)
Beste Quali-Torschützen:
Marc Janko (7)
David Alaba (4)
Martin Harnik (3)
Marko Arnautovic (3)
Größte EM-Erfolge:
1:1 gegen Polen 2008
Größte Team-Erfolge:
Halbfinale bei der WM 1934
Platz drei WM 1954
WM-Teilnahmen 1978, 1982, 1990, 1998
EM-Teilnahme 2016
Bekannteste Spieler:
Aleksandar Dragovic (Dinamo Kiew / Abwehr)
David Alaba (Bayern München / Mittelfeld)
Marko Arnautovic (Stoke City / Mittelfeld)
Zlatko Junuzovic (Werder Bremen / Mittelfeld)
Martin Harnik (VfB Stuttgart / Mittelfeld)
Marc Janko (FC Basel / Sturm)
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