Brandgefährlich
Experte: “Westeuropa droht ein IS-Guerillakrieg”
Zwar stehe die Entwicklung noch ganz am Anfang, sagte Kilcullen, zu beobachten sei aber "die Entstehung einer ziemlich weitverbreiteten paramilitärischen Untergrundorganisation in Westeuropa". Der IS gehe bei seinen Anschlägen ganz anders vor als das Terrornetzwerk Al-Kaida, so Kilcullen, der nach seiner Zeit beim australischen Militär unter anderem den US-General David Petraeus im Irakkrieg beriet. Al-Kaida baue für seine "Expeditionsanschläge" in einem Land ein Team auf, schmuggele es dann in ein anderes Land, "und alle sterben". Mit konspirativen Wohnungen, Waffenverstecken und untergetauchten Attentätern kämen die Anschläge von Paris "der klassischen Definition von städtischem Guerillakrieg schon viel näher".
"IS wie feindlichen Staat behandeln"
Der Experte ortet auch ein Problem bei der Bekämpfung des IS vor Ort: Die von den USA angeführte Militärkoalition in Syrien und im Irak behandle die Dschihadistenmiliz wie eine Terrororganisation und greife vor allem einzelne Anführer und Waffenlager an, sagte Kilcullen, der in Washington inzwischen die Beratungsfirma Caerus Global Solutions leitet. "Wir sollten den IS aber wie einen feindlichen Staat behandeln", so Kilcullen, der Angriffe auf die Strom- und Wasserversorgung und die vom IS kontrollierten Städte, Ölfelder und Raffinerien empfiehlt.
Um den IS wirksam zu bekämpfen, empfiehlt Kilcullen zudem eine massive Ausweitung der Luftangriffe. Bisher fliege die US-Luftwaffe lediglich zehn bis 15 Luftangriffe pro Tag, sagte Kilcullen. Die NATO habe im Kosovokrieg 1999 aber 250 und im Afghanistankrieg zwei Jahre später immerhin mehr als 100 Angriffe täglich geflogen. Die Luftangriffe gegen den IS seien also nicht "gescheitert", sondern hätten noch gar nicht richtig angefangen, sagte Kilcullen.
Bodentruppen laut Kilcullen wenig sinnvoll
Einen massiven Einsatz von Bodentruppen hält der Ex-Pentagon-Berater, der die USA 2003 vor dem Einmarsch in den Irak gewarnt hatte, nicht für sinnvoll. Er empfiehlt zwar "ein paar Spezialkräfte und Berater mehr vor Ort", vor allem aber eine "drastische Ausweitung der Luftunterstützung". Nötig seien zehn- bis 20-mal so viele Luftangriffe wie bisher. Dazu gebe es "keine Alternative", sagte Kilcullen. Die Anschläge von Paris hätten gezeigt, dass der IS mit der bisherigen Strategie nicht gestoppt werden könne.
Droht 2016 ein "totaler Krieg" der Fundamentalisten?
Experten haben zudem bedenkliche Parallelen zwischen einem alten Al-Kaida-Programm und der Entwicklung des IS festgestellt. In sieben Punkten entwarf die Konkurrenzorganisation des Islamischen Staates damals ihre Zukunftsvision bis 2020. In einer ersten Phase von 2000 bis 2003 war da von einem Anschlag auf New York die Rede, der sich 2001 ja auch wirklich ereignete. Phase fünf prophezeite die Gründung eines Kalifats, auch das wurde schreckliche Wirklichkeit, wenn auch durch den IS und nicht durch Al-Kaida. Ab 2016 sollte der "totale Krieg" einsetzen, für 2020 wurde der "Endsieg" der Islamisten vorhergesagt.
Aus dem Video-Archiv: Razzia gegen Paris-Drahtzieher
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