Senkrechtstarter

Seiler & Speer: “Sell-Out interessiert uns nicht”

Musik
26.11.2015 12:33
Innerhalb kürzester Zeit schrieben Seiler und Speer eine Erfolgsstory, die beispiellos ist. Mit der Single "Ham kummst" hat das Duo aus Bad Vöslau exakt den Nerv der Österreicher getroffen und sich somit eine ausufernde Fangemeinde gespielt. Am 4. Dezember folgt als bisheriger Karrierehöhepunkt eine ausverkaufte Weihnachtsshow im Wiener Gasometer.
(Bild: kmm)

Eine Handvoll Journalisten, Freunde und Wegbegleiter, mehr Menschen waren nicht in der Galerie des Wiener Gasometer. Wo andere Künstler und Bands mit viel Medien-Tam-Tam und ausufernder Promotion versuchen, ihre Erfolg zu verkaufen, hat das heimische Musikkabarettisten-Duo Seiler und Speer auch bei der Verleihung der Goldenen Schallplatte für das Erfolgsalbum "Ham kummst" nur auf den kleinen Rahmen gebaut. Kein großes Gedöns, keine dicke Party, nur ein gemütliches "Get Together" mit ein paar Litern Bier und Fingerfood als Belohnung.

Das österreichischste Lied
Mehr als 3,5 Millionen Mal wurde "Ham kummst" auf YouTube mittlerweile angeklickt. Dazu noch Platz eins in den iTunes-Charts und seit neuestem auch in den Austria Top 40, selbst der "Falter" packte das Duo aus Bad Vöslau im Sommer aufs Titelblatt. Der Song selbst wurde zur Hymne, und zwar zur Hymne von allen. Der durch Liebeskummer in der Dorfdisco abgesoffene Teenager kann sich damit genauso gut identifizieren, wie der Ehemann mit schlechtem Gewissen, der viel zu spät und viel zu besoffen um 3 Uhr morgens ins gemeinschaftliche Bett keucht. Man könnte auch sagen, dass man gar kein österreichischeres Lied schreiben kann. Seiler und Speer wurden über Nacht zur musikalischen Abbildung der heimischen Volksseele.

"Eigentlich spürten wir anfangs nur den Groove, der Text kam erst später", erzählt Komiker Christopher Seiler im "Krone"-Interview, "aber in Österreich hat ja fast jeder Riesenhit etwas mit Alkohol zu tun. Die Nummer ist in Wirklichkeit sehr asozial, aber unter einem poppigen Deckmantel. Wir haben viel Augenzwinkern dabei." Ironie und Doppelbödigkeit sind den beiden Protagonisten wichtig. Das spürt man nicht zuletzt in der Erfolgsserie "Horvathslos", mit der Komiker Seiler und der hinter der Kamera agierende Bernhard Speer via YouTube und Facebook den großen Durchbruch schafften - im Gegensatz zu einer länderumfassenden Maschinerie wie Wanda sehr lange ohne Unterstützung der gängigen Medien.

Keine Huren
"Das hatte auch einen gewissen Charme", erklärt Seiler, "wenn es jemand ohne die klassischen Medien schafft, dann kommt mir der einfach 'rougher' vor. Mich interessiert ja auch kein Komiker, der auf Puls4 herumrennt, das ist alles so geleckt und plastisch." Seiler und Speer gingen den umgekehrten Weg, sagten unzählige Angebote von diversen Fernsehstationen ab und gingen ihren selbst eingeschlagenen Weg beharrlich weiter. "Wir verkaufen uns nicht, wir sind keine Huren", betont Musiker und Filmemacher Speer, "unsere Fans wissen das auch zu schätzen. Wir waren nie eine Riesenstichflamme, wir sind echt und lodern daher länger."

Berühmt zu werden ist jedenfalls kein vorrangiges Ziel des Duos, eher schon eine unangenehme Begleiterscheinung, die Hand in Hand mit dem steigenden Erfolg geht. "Eine gesunde Mischung ohne einen Sell-Out-Faktor ist optimal", holt Seiler aus, "ein Titelblatt gibt dir im Moment vielleicht viel, kann dir aber später das Genick brechen. Ein Horror wäre auch, einen Status wie der Gabalier zu haben. Wenn der wo einen Schaß lässt, ist das sofort auf jedem Cover. Das interessiert doch niemanden und geht keinem was an - so etwas wollen wir jedenfalls vermeiden."

Intelligenz und Schweineblut
Die Rolle des Anton Horvath entspricht in etwa dem standardisierten Wiener Parade-Proleten, quasi eine Hardcore-Version einer Roland-Düringer-Figur. "Ich mag einfach die Rohheit der Komik. Mir ist wichtig, dass es keine Zensur gibt, sondern Freiheit und Grenzenlosigkeit vorherrschen. Ob das tief ist oder nicht, ist mir egal, solange es einen intelligenten Gedanken dahinter gibt. Wenn mich jemand ausschließlich als tief bezeichnet, dann fehlt ihm entweder eine gewisse Intelligenz oder er ist einfach nur stur und stupide." Fehlinterpretationen kommen dabei natürlich vor, stören Seiler aber nicht sonderlich. "Meine Aufgabe als Künstler ist es nicht, den ganzen Tag meine Arbeit zu erklären. Nitsch wird dir auch nicht erklären, warum er die Nackten mit Schweineblut bespritzt."

Aus dem anfänglichen Hobby wurde seitdem freilich ein Full-Time-Job. Die zweite Staffel von "Horvathslos" wurde abgedreht, es gibt zahlreiche Live-Termine für die Christopher-Seiler-Soloshow und Seiler und Speer spielen am 4. Dezember nicht nur eine ausverkaufte Weihnachtsshow im Wiener Gasometer, sondern wurden auch bereits für zahlreiche Festivals im Sommer 2016 gebucht. Speer erkennt die Terminproblematik: "Es ist natürlich nicht einfach, da uns diese drei Säulen derzeit rund um die Uhr beschäftigen. Die Liveauftritte sind mittlerweile aber eine reine Gaudi und keine Hackn mehr. Da müssen wir nichts vorbereiten, das fließt dahin."

Musikalisch greifen Seiler und Speer mit Freude in den Alltagstopf, um daraus eingängige und gemütliche Akustik-Pop-Songs mit Reggae-Touch zu kreieren. "Auf dem Album gibt es nicht nur echte Begebenheiten, sondern auch erfundene Geschichten, die wir erzählen", fasst Seiler zusammen, "wichtig ist, dass ich mir beim Singen nicht deppert vorkomme." Für Politik ist vorerst kein Platz. "Mit Politik grenzt man immer aus und das ist schwierig. Das hat in der Kunst auch nichts zu suchen. Im Gegensatz zu Politikern tun wir ja niemandem weh."

Im Festivalsommer 2016 gibt es gleich mehrere Chancen, Seiler und Speer live zu sehen. So sind sie am Nova Rock, beim Lovely Days und auch beim Picture On zu sehen. Alle Details und Karten gibt es unter 01/960 96 999 oder im "Krone"-Ticketshop.

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