Mit der Linux-Variante Red Star OS hat das stalinistische Nordkorea sein eigenes Betriebssystem im Einsatz, um sich vor ausländischer Spionage und Sabotage zu schützen. Optisch erinnert der Windows-Ersatz des Kim Jong Un an Apples MacOS X, unter der Haube arbeitet ein von nordkoreanischen IT-Experten angepasstes Linux. Ein Jahr, nachdem Red Star OS erstmals aus Nordkorea herausgeschmuggeltwurde, haben zwei IT-Experten das System nun analysiert. Ihr Fazit: "Da ist schon viel Hirnschmalz reingeflossen."
Die IT-Sicherheitsforscher Florian Grunow und Niklaus Schiess haben ihre Erkenntnisse dieser Tage am jährlichen Chaos Communication Congress des Hacker-Vereins Chaos Computer Club vorgestellt, berichtet das Nachrichtenmagazin "Spiegel".
Und die Erkenntnisse, welche die beiden Fachmänner zu vermelden haben, sind durchaus interessant. Nicht nur, weil Red Star OS im wohl am besten von der Außenwelt abgeschotteten Land der Erde entwickelt wurde, sondern vor allem, weil die Programmierer des Kim Jong Un erstaunlich gute Arbeit abgeliefert haben.
"Waren keine Amateure"
"Das waren nicht die typischen Amateure, die mit einer Technologie von vor 15 Jahren arbeiten", sagt Schiess. Seiner Analyse zufolge handle es sich bei Red Star OS um eine moderne Linux-Distribution, die für maximale Sicherheit angepasst wurde und trotzdem gut für den alltäglichen Einsatz geeignet sein dürfte.
"Es handelt sich um ein vollumfängliches Desktop-Betriebssystem", erklärt Schiess. Die mitgelieferte Software harmoniere gut miteinander, teilweise haben die Programmierer des staatlichen nordkoreanischen Computerkonzerns Korea Computer Center in Pjöngjang sogar eigene Apps geschrieben - etwa, um Musik zu komponieren oder Texte zu verfassen. Optisch ähnle das System zwar stark Apples MacOS, an solchen Dreingaben erkenne man aber, dass es den Koreanern ernst mit ihrem eigenen Betriebssystem sei und Fachmänner am Werk waren.
Überwachung und Absicherung
Die Dreingaben, die das Kim-Regime in Red Star OS verpackt, enden freilich nicht bei unterhaltsamen Programmen. Es scheint, als wäre die oberste Vorgabe bei der Programmierung des Nordkorea-Linux möglichst große Abhörsicherheit gegenüber Dritten bei gleichzeitiger Abhörmöglichkeit durch die eigene Regierung gewesen.
Zur Abhörsicherheit sollen nordkoreanische Kryptografie-Algorithmen beitragen, zusätzlich sichern sich einzelne Komponenten von Red Star OS gegenseitig. Bemerkt ein Teil des Systems, dass ein anderer manipuliert wurde, schreitet er ein, was Modifikationen - also beispielsweise das Aufspielen von Viren - sehr schwer macht. Gleichzeitig liefert das Kim-Regime Komponenten mit, die offenkundig dem Abhören der Bevölkerung und der Zensur dienen - etwa eine Firewall und ein Virenscanner, der mit einer von außen anpassbaren schwarzen Liste von Websites auch zur Zensur genutzt werden kann.
Dateien werden unbemerkt markiert
Eine weitere Besonderheit von Red Star OS: Das Betriebssystem versieht Dateien mit einer Art Wasserzeichen, mit dem sich der Computer identifizieren lässt, auf dem sie aufgemacht wurden. So kann man später nicht nur nachverfolgen, von wem eine bestimmte Datei wann geöffnet wurde, sondern sogar, über welche Computer sie sich in welcher Reihenfolge verbreitete. Um Netzwerke von Oppositionellen zu erkennen, erscheint das ideal.
Dass Nordkorea überhaupt ein eigenes Betriebssystem programmiert hat, ist für die Experten aus Deutschland nicht überraschend. Es ergebe "total Sinn, selbst ein System zu bauen, in das die Regierung vollen Einblick hat oder das sie zumindest so abschotten kann, dass sie ihm mehr trauen kann als Windows", sagt Grunow. Würde das Kim-Regime Windows oder MacOS nutzen, müsste man sich dauernd Sorgen machen, ob sich die amerikanische Regierung nicht über Hintertüren Zugriff verschaffen kann. Mit Red Star OS umgeht man dieses Risiko.
Wie Red Star OS im Einsatz aussieht, sehen Sie hier:
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